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Unsicher schlängelte Alexandra sich durch die Menschenmenge

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Unsicher schlängelte Alexandra sich durch die Menschenmenge. Es war nicht einmal so, dass sie Probleme mit großen Ansammlungen von Menschen gehabt hätte, aber sie war neu und sie hatte keine Ahnung, wie diese monatlichen feucht-fröhlichen Firmenabende in der nahe gelegenen Bar ablaufen sollten. Gab es einen Verhaltenskodex? Sollte sie sich an bestimmte Gruppen halten? Würde man es ihr vorwerfen, wenn sie schon nach einer Stunde wieder ging?

Nachdem sie zehn Minuten vergeblich nach einem bekannten Gesicht – oder besser: nach Matthias – gesucht hatte, gab Alexandra schließlich auf und ließ sich direkt an der Bar nieder. So konnte sie immerhin alleine für sich sein und trotzdem Anwesenheit zeigen. Für heute würde sie einfach nur beobachten, wie die restlichen Mitarbeiter sich verhielten, und nächsten Monat war sie dann gewappnet, dieses wichtige Socializing-Event, wie es im Manager-Sprech hieß, aktiv wahrzunehmen.

An einem großen runden Tisch einige Meter von ihr entfernt saß Katharina, umgeben von diversen männlichen Kollegen. Sie unterhielt sich eifrig, wandte sich mal diesem, mal jenem zu, und es war selbst über diese Entfernung zu sehen, dass alle Männer an ihren Lippen hingen. Nachdenklich stützte Alexandra ihr Kinn auf einer Hand ab. Wie häufig kam es schon vor, dass eine attraktive, junge Frau nicht nur Single war, sondern sich auch für Videospiele interessierte und Bier trank? Das war vermutlich der Inbegriff einer wahrgewordenen, männlichen Fantasie.

An einem Nachbartisch hingegen spielten sich ganz andere Szenen ab. Joana, die schüchterne Frau aus der Kulturredaktion, saß zusammen mit einer bunt gemischten Truppe, direkt neben ihr kein anderer als Philipp Baumann, dem Ressortleiter für Online. Die Männer in der Runde schienen darum bemüht, mit Joana zu reden, und Alexandra konnte auch sehen, dass sie alle Fragen freundlich beantwortete. Doch sie wirkte lange nicht so frei und glücklich über diese Aufmerksamkeit wie Katharina. Joana war tatsächlich eine Schönheit mit ihrem langen, vollen Haar und der perfekten Figur, dennoch hatte Alexandra nicht den Eindruck, dass sie auch nur das geringste Interesse an den Männern hatte, die so eifrig auf sie einredeten. Die Körperhaltung verriet vielmehr, dass sie Aufmerksamkeit von dem einzig schweigsamen Mann am Tisch wollte: dem ebenso zurückhaltenden wie starren Herrn Baumann.

Grinsend fragte Alexandra sich, ob da eventuell gegenseitige Zuneigung vorhanden war, die aber nie ausgesprochen wurde. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein korrekter, immer in Hemd auf Arbeit erscheinender Chef wie Herr Baumann plötzlich einer Frau gegenüber romantisch werden würde. Und Joana wirkte wie die Art von Frau, die zwar in allen Lebenslagen unabhängig und zielstrebig war, in der Liebe aber doch darauf wartete, dass der Mann ganz traditionell den ersten Schritt machte.

„Was ist denn so lustig?"

Entsetzt wirbelte Alexandra herum. Unbemerkt von ihr hatte ausgerechnet Herr Winkler auf dem Barhocker neben ihr Platz genommen. Schnell zwang sie ihre Gesichtszüge in einen neutralen Ausdruck: „Herr Winkler, guten Abend. Ich habe Sie gar nicht bemerkt."

Sie sind immer noch mein Chef ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt