Kapitel 2

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Mindestens zwei Stunden saß Clara nun verzweifelt an dem Ausgang des Krankenhauses, von dem sie nichts wusste, außer dass sie weg von hier wollte. Alle fünf Minuten schrie sie um Hilfe, doch bis her bekam sie keine Antwort. Sie war mittlerweile so müde und erschöpft geworden, dass sie kurz ihre Augen schloss. Bis sie einschlief, zählte sie leise in ihrem Kopf die Schritte mit, die sie vernahm: 1 - 2 - 3 - 4... Moment, Schritte!? Schritte! Sie riss ihre Augen auf und sprang auf, was, wie sie daraufhin merkte, ein Fehler war, denn ihr wurde schwarz vor Augen und sie stolperte ein wenig hin und her, bis sie sich gefangen hat. Ihre Beine waren vom Sitzen eingeschlafen und Clara musste sich beim Hochlaufen der Treppen mit beiden Händen am Geländer festhalten, um dorthin zu gelangen, wo die Schritte herkamen. Zwei, Drei Hilfeschreie stieß sie noch aus, bis sie bemerkte, dass die Schrittgeräusche kurz aufhörten und danach immer näher kamen. Clara hatte im gleichen Moment Hoffnung wie auch Angst vor dem, was sie erwartete. Vielleicht war die angsteinflößende Frau verschwunden und eine Schwester oder ein Arzt waren da. Aber leider war das Fehlanzeige, denn an der obersten Treppenstufe erblickte Clara sie wieder. Die Frau stand dort wie angewurzelt stehen, als sie Clara sah.

Clara sagte mit wackeliger Stimme: „Entschuldigung, aber ich möchte hier raus. Wären sie so freundlich und würden mir die Tür aufmachen? Oder könnten sie meine Eltern anrufen, damit sie mich abholen kommen?". Die Frau lächelte ihr aber nur unfreundlich zu und schaute auf Clara hinab, als wäre sie der naivste Mensch, den es gäbe. Sie ging langsam die Stufen hinunter zu Clara, ohne ihr Lächeln auch nur ansatzweise zu verlieren. Das Klackern ihrer Absätze hallte durch das ganze Treppenhaus. Claras Herz klopfte so laut, dass es beinahe lauter war, als die Schuhe der Frau. Schließlich stand sie nur noch 20 Zentimeter von Clara entfernt, drehte den Kopf an ihr Ohr, lachte leise und flüsterte ihr zu: „Schätzchen, du hast Selbstmord begangen, deine Eltern können dich nicht mehr holen."

Nach diesen Wörtern griff die Frau nach Claras Armen, hob sich mit ihr in die Luft und raste mit ihr in Zehntelsekunden durch die Decken. Das Licht flackerte an und aus und Clara fing an zu schreien, doch der Druck ließ sie nicht mehr atmen und sie wurde ganz taub. Danach wurde alles schwarz und sie spürte nur noch, wie etwas massives ihre Arme und Beine umschlang. Sie lag nun auf einem Untergrund, vielleicht einer Liege und versuchte sich zu befreien, aber nichts wirkte. Plötzlich flimmerte eine dunkle, kleine Standlampe in der Ecke des Raumes auf, ging mehrmals wieder an und bliebt dann doch aus. „So, so, ich weiß ja nicht wer deine Venerynzufuhr ausgeschaltet hat, aber das bringen wir wieder in Ordnung.", erklang die Stimmer der Frau wieder in Claras Ohren, doch sie konnte sie nirgends entdecken. „ Was ist Veneryn? Warum tun sie das? Warum darf ich nicht nach Hause?", wimmelte Clara beinahe schon in den leeren Raum. „Oh, Mäuschen", erwiderte die Frau in einer sarkastischen Tonlage, „eigentlich wärst du schon längst tot. Sowas kommt nur sehr selten vor - und jetzt stillhalten, du könntest einen kleinen Stich verspüren." Clara bemerkte, wie die Wände immer näher zu kommen schienen und war nun komplett perplex. Panisch versuchte sie sich aus den Fesseln zu befreien, aber vergebens. Jede Bewegung die sie machte, endete darin, dass sie nur noch fester an die Liege gespannt wurde. Adrenalin schoss durch ihre Adern, als sie die Nadel langsam in ihren Hals eindringen spürte. Für diesen Moment war es Totenstill. Und dann war dieser Moment vorbei. Die schwarz verdunkelte Fensterscheibe rechts neben ihr zersprang in tausend Teile, wodurch die Frau mit der giftgrünen Spritze in der Hand für Claras Augen kurz sichtbar wurde. Das hell leuchtende Tageslicht blendete Clara vorübergehend, eine Klinge durchschnitt die Fesseln an ihren Armen und Beinen und sie wurde mitgerissen. Es schien als würde sie jemand festhalten und mitziehen. Sie fiel nun schreiend aus dem Fenster, wobei ihr einige blonde Locken in ihr Gesicht fielen. Sie kniff die Augen zu und wartete darauf, auf dem Boden anzukommen und zu sterben. Aber es geschah nichts. Sie hörte nur die Luft um ihre Ohren wehen, bis sie sanft auf dem Boden abgesetzt wurde. Claras Augen öffneten sich augenblicklich und sie drehte sich mehrmals um sich selbst - aber da war niemand. Überall um sie herum waren nur Bäume. Sie befand sich auf einer Lichtung mitten im einem düsteren Wald. Fragen über Fragen häuften sich wieder in Claras Kopf, aber sie versuchte diese Auszublenden. Sie war nun raus aus dem Krankenhaus - und jetzt?

Dead soul hospitalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt