Kapitel 20

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"Und was hast du jetzt vor?", fragte ich Jack. Wir hatten ein Feuer angezündet und uns davor gesetzt, um uns zu wärmen. Jack schwieg eine Weile, die tänzelnden Flammen spiegelten sich in seinen bei Nacht schwarzen Augen wieder. Dass meine Augen wohl genauso aussahen wie seine, entfiel mir gänzlich. "Ich habe etwas gefunden", begann er etwas zögerlich. Ich wartete geduldig, bis er fortfuhr. "Eine Karte. Sie führt zum Brunnen der ewigen Jugend" Ich riss überrascht die Augen auf. Das klang interessant und gleichzeitig aufregend und irgendwie ... gefährlich. "Und du wirst ihn suchen, hm?", hakte ich erwartungsvoll nach. Jack zog eine Augenbraue hoch, ehe er nickte. "Ja, das hatte ich zumindest vor", antwortete er. Dann schwieg er, als wüsste er nichts zu sagen. Ich sah in die Flammen und verlor mich in ihnen, sank in eine Welt, die niemand zu betreten vermochte. Die meiner Träume. Der Jungbrunnen kam darin nicht vor, denn mir dürstete es nicht nach Unsterblichkeit, mir gefiel der Gedanke, alle würden sterben, bloß ich nicht, ganz und gar nicht.
Jack zog nach einer ganzen Weile eine Rolle heraus und reichte sie mir schweigend. Neugierig öffnete ich die Rolle und fand eine runde Karte vor. Fasziniert drehte ich an den einzelnen Abschnitten, las die Inschriften der Karte und fuhr die Zeichnungen nach. Jack war währenddessen eingeschlafen, eine ganze Stunde hatte ich über der Karte gesessen und sie mir angeschaut. Ich rollte die Karte zusammen und legte mich in den weichen Sand. Und ehe ich mich versah dämmerte ich weg und fiel in einen Schlaf mit wirren Träumen.

Am nächsten Morgen kitzelten die Sonnenstrahlen mich auf der Nase und ich öffnete blinzelnd die Augen. Ich setzte mich müde auf. Dem Abdruck im Sand nach zu urteilen, habe ich wohl die Rolle, beziehungsweise die Karte, direkt neben mir gehabt und im Schlaf festgehalten. "Guten Morgen", begrüßte Jack mich, welcher auf meinem Boot stand und es inspizierte.  "Nicht schlecht, für eine Sechzehnjährige", bemerkte er. Ich grinste schief und stand ächzend auf. Meine Beine gaben beinahe nach, doch ich hielt mich im letzten Moment an der Palme neben mir fest. "Autsch", stöhnte ich leise, damit Jack nichts mitbekam. Als ich mein Boot erreicht hatte und ächzend an Deck stieg, fiel mir das deutlich kleinere Bot auf, was gleich neben meinem ankerte. "Wem gehört das?", fragte ich verblüfft. "Mir", kam es kurz angebunden von Jack.
"Ah. Wo hast du es her?"
"Händler in Tortuga. Nichts besonderes"
Ich nickte und setzte mich auf einen Hocker und schloss die Augen, um das Schwindelgefühl, welches mich plötzlich überkommen hatte loszuwerden. "Du wirst abreisen", stellte ich fest, ohne die Augen zu öffnen. "Du kannst einige meiner Vorräte haben", bot ich gleich darauf an. Dann öffnete ich die Augen und sah Jack unverwandt an. Jack schien sich ertappt zu fühlen, denn er sah nicht besonders glücklich darüber aus, dass ich derart schnell sein Vorhaben durchschaut habe. "Nimm einen der Reissäcke. Oder zumindest einen Teil davon. Hab' eh zu viel davon" Er verschwand bloß schweigend im Lagerraum. Er kam mit einem kleineren Sack wieder hoch, den er sich wohl mit etwas Reis befüllt hat. Ich entdeckte seinen Kompass, welcher auf dem anderen Hocker lag und nahm ihn in die Hand. Als ich ihn diesmal öffnete, zeigte er in eine Richtung, die nichts mit Jack zu tun hatte.  Ich hinkte zu meinem Kompass, merkte mir die Himmelsrichtung, Südosten, und notierte mir das eilig auf der Karte, die in der Wand meiner Kajüte hing. Als ich wieder aus der Kajüte trat, stand Jack vor mir. "Hier trennen sich wohl unsere Wege", sagte ich leise und auch etwas bedrückt, obwohl ich längst wusste, dass wir wohl nicht für immer zusammen reisen könnten. Jack seufzte und umarmte mich noch einmal fest, ehe er auf das benachbarte Schiff sprang und das Tau losband. Ich sah ihm nach, sah wie das Schiff auf den Wellen hin- und herschaukelte. Sah, wie Jack mir einen letzten Blick zuwarf, ehe er sich hinsetzte, seinen Kompass zückte und hinaufsah. Er runzelte die Stirn, als der Kompass schräg hinter ihn zeigte. Tatsächlich zeigte der Kompass nicht auf mich, sondern auf eine Flasche Rum, die neben Jack lag. Erst als er diese anhob und einige Züge trank drehte sich der rote Zeiger wieder und zeigte auf den Horizont. Jack linste auf die Karte und drehte an den Kreisen, bis er einen Kurs hatte.

Ich sah dem Boot nach, es wurde immer kleiner, bis es am Horizont verschwand.
"Wir sehen uns wieder ... Vater"

Fluch der Karibik Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt