~6~

402 41 0
                                    

POV Max

Ich spürte meine Füße schon nicht mehr, als ich nach der Wegbeschreibung einer blonden Mitarbeiterin das Büro meines neuen Chefs für zwei Wochen suchte und nach 10 Minuten endlich vor der mit „Mr Jones" beschrifteten Tür ankam. Da ich nicht vorhatte, meine eiskalten Finger in nächster Zeit aus den halbwegs warmen Jackentaschen zu nehmen, trat ich zwei mal mit meiner Fußspitze gegen die große Tür, was einen dumpfen Schmerz in meinen abgefrorenen Zehen hinterließ. Nichts passierte. Ich lauschte kurz, ob ich Stimmen innerhalb des Raumes wahrnehmen konnte und als ich die Stimme von Mr Jones selbst vernahm, trat ich noch einmal, dieses Mal etwas energischer gegen die Tür. Erst ließ er mich draußen im kalten stehen und dann öffnete er mir nicht mal die Tür? Nicht mit mir Freundchen. Ich hatte eh keine Lust auf dieses Praktikum gehabt und jetzt auch noch sowas? Das konnte der ja mal getrost vergessen.

Als sich dann endlich die Tür öffnete, sah der junge Mann vermutlich nicht weniger genervt aus als ich, doch dass war mir egal, als ich mich an ihm vorbei quetschte um zumindest schon mal einen Schritt in das deutlich wärmere Zimmer zu machen. Die Verwirrung konnte man dem Guten ansehen, als er mich Stirnrunzelnd und mit der Hand immer noch auf der Türklinke betrachtete.

Nachdem ich ihm übel gelaunt erklärt hatte, wer ich war und was ich hier machte, schien er nicht mehr ganz so verwirrt, aber die scheiß Erklärung von wegen er wollte mich testen konnte er sich wirklich sonst wohin schmieren. Er hatte mich vergessen, das wussten wir beide, doch da ich merkte, wie unangenehm ihm das vor seinen Kollegen war, die neugierig im vorbeigehen durch die offene Tür in seinen Raum linsten um zu sehen, woher der Krach kam, beließ ich es dabei.

Stattdessen trat ich rüber zu der riesigen Fensterwand, die mich sofort den Ärger und vor Kälte halb abgestorbene Gliedmaßen vergessen ließ. Wow, das war ja mal der Wahnsinn. Man konnte beinahe die ganze Stadt überblicken, dadurch dass wir uns im obersten Stockwerk und einem der höchsten Gebäude Londons befanden.

Gefesselt von der Aussicht, bemerkte ich erst gar nicht, dass mein neuer Chef sich nur wenig hinter mir befand und mich mit kritischen Blick musterte. Erst nachdem er sich räusperte, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den dunkelhaarigen, der mir mit leiser Stimme mitteilte ich könne ja schon einmal Kaffee machen, die Kaffeemaschine befinde sich zwei Räume weiter in der Küche. Augen rollend, hörte ich ihm weiter zu, wie er mir erklärte, dass er noch ein wichtiges Telefonat zu führen hatte und ich mich deshalb leise zu verhalten hatte, wenn ich wiederkam. War ja klar dass meine erste und vermutlich Hauptaufgabe aus Kaffee kochen bestand.

Mit den Armen verschränkt stand ich vor dem, ca 10 Zentimeter größerem jungen Mann und versuchte ihm mit meinen Blicken mitzuteilen wie wenig mir diese Aufgabe gefiel und dass ich immer noch angepisst war, weil er mich vergessen hatte. Doch um ehrlich zu sein schien ihn das wenig zu interessieren, als er nur eine Augenbraue hob und mich ebenfalls missbilligend ansah, als ich nicht direkt zur Tür verschwand sobald er geantwortet hatte.

„Wenn Sie möchten können Sie sich ebenfalls einen Kaffee machen."

Mit diesen Worten drehte er sich um und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück ohne mich weiter zu beachten. „Wie großzügig von Ihnen", erwiderte ich in sarkastischem Ton, bevor ich Kopfschüttelnd das Büro verließ. Ich spürte den Blick von Mr Jones auf meinem Rücken, doch das war mir egal. Blöder aufgeblasener Typ.

„Wenn du möchtest können Sie sich ebenfalls einen Kaffee machen", äffte ich ihn leise nach, während ich den Knopf der High-Tech-Kaffemaschiene drückte. Erschrocken drehte ich mich um, als ich jemanden hinter mir in tiefem Ton aber trotzdem ziemlich unmännlich kichern hörte. 

„Du bist also der arme Kerl, der sich jetzt zwei Wochen mit Luke rum schlagen darf ja?" Luke? Das müsste dann wahrscheinlich Mr Jones sein.

Ein blonder, vielleicht zwanzig jähriger Typ, kam mir mit strahlendem Grinsen entgegen und streckte mir seine Hand hin. „Ich bin Justin, schön dich kennen zu lernen. Ich hoffe er hat dich die ersten knapp zwei Stunden nicht nur Kaffee machen lassen?"

Seinen kräftigen Händedruck erwidernd zog ich eine Grimasse. „Was heißt zwei Stunden, er hat mich vergessen und ich bin vor ner halben Stunde selbst hier hergekommen. Dann wurde ich angemault weil ich ihn gestört hab und jetzt muss ich Kaffee kochen."

Mitleidig schaute Justin mich an, während ich die zweite Tasse unter den Automaten schob.

„Ach mach dir da nicht so viel draus, er meint das wirklich nicht so. Und das mit dem vergessen hab ich leider schon vermutet, alle wussten dass du kommst nur er schien es halt irgendwie nicht mehr im Blick zu haben. Um ehrlich zu sein wollte ich ihn aber auch nicht so drauf ansprechen, weil als er dein Kommen angekündigt hat sah er ziemlich übel gelaunt aus. War wohl insgesamt nicht seine beste Idee, aber jetzt müsst ihr beide das beste draus machen."

Na toll. Er wollte überhaupt keinen Praktikanten? Und ich will kein Praktikant sein, also warum geh ich nicht einfach nach Hause und wir haben beide was davon? Ich seufzte. So leicht war das jetzt leider nicht mehr.

Aber Justin schien wenigstens nett zu sein. Schnell hatten wir uns in ein Gespräch verwickelt und der Kaffee war vergessen. Zumindest bis zu dem Punkt an dem Mr Jones sich räuspernd in der Tür auftauchte und es mir siedend heiß wieder einfiel. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir hier seit fast einer halben Stunde standen. Ups.

Not a Business ThingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt