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"All I want for Christmas is youuuuuuuu!“ schmetterte Karol eines der beliebten
Weihnachtslieder mit, das so eben im Radio gespielt wurde, und während Carolina Aggressionen bekommen könnte, schaute Ruggero Karol nur mit einem verliebten, leicht abwesenden Blick an. Und Agus? Agus sah ziemlich erschrocken aus, als Karol plötzlich anfing zu singen, und beobachtete seine Schwester, wie sie unermüdlich weiter sang, sich durch die Wohnung bewegte. Innerlich betete Carolina nur dafür das sie dabei nichts kaputt machen würde.
Wobei.... diese hässliche Vase von meinen Eltern könnte gerne mal ganz aus Versehen kaputt gehen. Dachte Carolina und beäugte dieses echt komische Ding kritisch. Um ehrlich zu sein wusste sie nicht mal, wieso es noch ihre Wohnung dermaßen verunstaltete, aber darüber konnte sie sich auch nochmal wann anders Gedanken machen.
Das Lied fand irgendwann ein jähes Ende, weshalb Karol sich schon beinahe erschöpft auf das Sofa fallen ließ.

„Also... was machen wir heute?“ fragte Carolina, und hoffte darauf das Karol nicht gleich „Weinachts-karaoke!“ schreien würde. Das wäre am 3.Dezember edfinitv zu viel für ihre Nerven.

„Rugge und ich wollten zu ihm. Er meinte er wollte mir ein Lied zeigen und dann hat er versprochen mit mir „Rudolph mit der roten Nase“ und und „Nightmare before Christmas“ zu gucken.“

„Meine allerliebste beste Freundin, du weiß aber das es erst der 3.Dezember ist, und du noch 21 Tage warten musst, bis der Heilig-Abend eintritt?“

„Natürlich. Aber man kann garnicht früh genug mit den Weihnachts-filmen anfangen. Außerdem müssen wir das hier auch noch weihnachtlich dekorieren. Und einen Tannenbaum, den wir schmücken, und dann muss ich noch eure Geschenke einpacken...-“

„Warte... du hast schon Geschenke für uns?“ fragte Ruggero und guckte Karol etwas verdattert an.

„Was viel erschreckender ist...was willst du hier schmücken? Karol, hier wird kein
Weihnachten gefeiert. Das weißt du, das ist schon seit... Jahren so.“

„aber... Agus ist doch wieder da, dann können wir doch zusammen Weihnachten feiern...“ sagte Karol schmollend, aber Carolina blieb hart, vergaß für den Moment das Agus sich ebenfalls in dieser Wohnung in im Wohnzimmer befand.

„Karol, nein. Du weißt das ich Weihnachten nicht mag. Das ich dieses Fest nicht feiern will, seit 5 Jahren. Und ich werde daran festhalten. Ich will hier nicht feiern, du kannst zu Rugge gehen, der wird bestimmt mit dir das alles schmücken, aber nicht hier.“ sagte sie, zog sich innerhalb eines kurzes Momentes die Schuhe und Mantel an, verließ die Wohnung und ließ ihre freunde somit still schweigend zurück.

Sie latschte etwa 10 minuten zum Park, suchte dann nochmal 5 minuten eine freie Stelle.
Bei einer alten Bank fand sie dann endlich die gesuchte Ruhe. Innerlich tat es Carolina ja leid, das sie mit Karol nicht die Wohnung schmücken will, oder einen Tannenbaum holen möchte, aber es ist nunmal Tatsache das Carolina seit Agus Verschleppung nicht einmal mehr ein weihnachtliches Gefühl gehabt hatte. Karol ist schließlich immer von allem begeistert, Carolina weniger. Mit freuden erinnerte sie sich an das Weihnachtsfest als sie 13 Jahre alt war. Ein jahr vor Agus' Verschwinden.

Er, Rugge, Karol und Carolina saßen zusammen mit Rugge's Eltern bei ihm
zuhause, vor einem warmen Kamin und einer fast heroisch großen Tanne,
geschmückt mit goldenen Kugeln und einer wunderschönen Lichterkette.
Von den Eltern gab es natürlich gekaufte Geschenke, aber die Kinder waren damals sehr erfinderisch. Rugge konnte mit 16 Jahre beinahe perfekt Gitarre spielen, also hat er sein erstes eigenes Lied geschrieben und vorgesungen.
Karol hat mit 10 Jahren noch nicht viel anfangen können, allerdings war ihre gute Laune und dieses Dauer-grinsen geschenk genug. Dazu hat sie ein wirklich wunderschönes Bild gemalt, und einmal hat Rugge seine Eltern erwischt wie sie dasprachtvolle Kunstwerk wegwerfen wollte. Rugge erzählte, das er seinen Eltern dafür extrem sauer war und Karol sich wirklich mühe gegeben hat, also hat er das Kunstwerk retten können, und es Carolina gegeben. Diese hat es heute noch in einem Rahmen an der Wand hängen und immer wenn sie daran vorbei lief, erinnerte sie sich mit einem Grinsen an den Abend. Agus hat für seine Schwester und Rugge eine Collage gemacht, mit vielen Bilndern die er während des kompletten Jahres geschossen hatte. Dieses Bild hat Rugge ebenfalls immer noch neben seinem Bett. Bedacht, jeden abend ein Blick drauf zu werfen und während der letzten fünf Jahre hat er auch jeden abend gebetet das Agus zurück kommen würde.
Wunsch erfüllt.
Für Carolina hatte er allerdings ein anderes Geschenk. Erst war sie ein wenig beleidigt, das er sie vergessen hätte. Am späten Abend, nachdem sie noch gut zwei stunden gelesen hat, und Karol schon schlief, wollte sie sich auch bettfertig machen. Agus kam dazwischen. Er Reichte ihr ein kleines Geschenk, ordentlich eingepackt, wie man agus halt kennt. Stirnrunzelnd öffnete sie es und sah ein
kleines Leder-armband mit bunten Glas-scherben dran.

„Die Scherben habe ich am Strand gefunden. Ich hoffe es gefällt dir.“ sagte er damals zu ihr.

„Ja! Es ist wunderschön. Hilfst du mir das umzubinden?“ fragte sie und hüpfte auf und ab, weshalb Agus lachen musste, dann aber nickte und ihr half.

„Wirklich. Es ist wunderschön. Dagegen war mein Geschenk ja nichts...“ murmelte sie geknickt und sah zu Boden.

„Sag das nicht. Ich fand dein selbstgenähten Frosch wirklich cool. Hat auch schon seinen Platz gefunden.“ sagte Agus mit einem Augenzwinkern, was Carolina wieder ein Lächeln ins Gesicht zauberte.
Bei dem Gedanken an das Armband, schaute Carolina auf ihr immer noch ziemlich dünnes Handgelenk, und betrachtete die Glasscherben, die ein wenig klingelten, wenn sie aneinander rasselten. Je nach Einfall des Sonnenlichts leuchteten sie unterschiedlich und das ist eine weitere Tatsache, die sie an diesem Armband liebt. Carolina erschrack ziemlich, als Agus sich neben sie setzte, aber schließlich konnte sie sich auch wieder beruhigen.

„Alles... okay?“ fragte er.

„Klar. Was sollte denn sein?“

„Keine Ahnung. Konnte ein Streit eben gewesen sein, diese Hypothese könntest du aber auch als dramatisch darstellen lassen. Ich meine ich bin noch nicht lange hier, aber wenn du mich fragst, wird heute ganz schön viel dramatisch gestellt. Letztens haben sich ein Pärchen im Park gestritten, weil er nicht das richtige Geschenk für sie hatte.“

„Okay, das ist wirklich ziemlich melodramatisch. Nein, ich denke nicht dass das eben ein Streit war. Karol kann sich nur von allem begeistern, und sie würde am liebsten alles feiern, sogar den Tag der Joggerhose. Und sie freut sich immer auf Weihnachten...-“

„Und du nicht.“

„Eben.“

„Du meintest, du feierst seit 7 Jahren nicht mehr. Was war denn vor 7 Jahren?“

„Du wurdest vor 7Jahren verschleppt.“ sagte Carolina eintönig, und bemühte sich wirklich, nicht in Agus' Gesicht gucken zu müssen.

„Oh...entschuldige bitte. Da wo ich war, gab es keinerlei Uhren. Nichts, was einem das genaue Datum, oder die Uhrzeit anzeigt. An guten Tagen konnte ich mich wage an der Sonne orientieren, wie spät es ungefähr sein konnte. Aber 7 Jahre... hört sich länger an als es sich angefühlt hat.“

„Du bist wieder da. Ich denke, das ich das einzige was zählt.“

„Weißt du, früher hast du Weihnachten doch auch gemocht. Was ist denn passiert, das du es so schlimm findest irgendwas zu schmücken?“

„Ehm...seitdem ich auf der Uni bin, sehe ich meine Eltern kaum noch, da alles wichtiger ist. Aber das ist nicht mal das wirkliche Problem. Da ich am 24.Dezember Geburtstag habe, haben alle was besseres zu tun. Alle sind mit shoppen beschäftigt, mit Essen vorbereiten, Familien besuchen. Meistens bekomme ich dann erst im Neujahr haufenweise anrufe, mit Glückwünschen und Entschuldigungen, das sich erst so spät gemeldet wurde. Das nervt mich ein wenig. Außerdem mag ich weihnachten so nicht. Mankann nicht einkaufen gehen, weil alle ausrasten und das zu abartigen Menschenmengen in der Stadt und in Einkaufs-zentren führt.“

„Den Leuten den du wirklich wichtig bist, die werden dir noch am gleichen Tag
beglückwünschen, du wirst schon sehen.“

„Kann sein. Weißt du, ob Rugge und Karol schon gegangen sind? Dann könnten wir nach hause. Langsam wird es ziemlich kalt."

"Ich denke mal das die schon gegangen sind, also können wir los.“ sagte er. Beide gingen also zurück und das erste was Carolina tat, war sich umzuziehen. Als sie dann ins Wohnzimmer wollte, sah die dunkelhaarige Frau wieder einen gefalteten Schwan.
Da es sonst in der Wohnung ziemlich ruhig ist, rechnete Carolina damit, dass Agus vielleicht wieder auf dem Dach ist, oder sich sonst irgendwo rumtreibt.

Carolina, carolina,
Ich bin noch nicht lange hier, dafür habe ich heute durch dich erfahren, das ich 7 Jahre weg gewesen bin. Und da ich damals 17 war, muss ich jetzt 24 sein.
Nun, eigentlich wollte ich nur schreiben das ich weiß das man das nicht alles aufholen kann, dafür muss ich allerdings beteuern, das ich dafür jede Sekunde und jede Minute mit euch genießen möchte.

Agus

24 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt