31. Das vielversprechende Bündnis

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Neu veröffentlicht, weil es scheinbar nicht angezeigt wurde.

"Es wird Zeit, ein Statement zu setzen." Lynhart liess sich gegenüber seines Rudelführers nieder. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen kritzelte dieser irgendwas auf unzählige Unterlagen. Der Beta tippte auf irgendwelche Umbaugenehmigungen und Krankenkassenschriften. "Nur weil du mich ignorierst, löst das unsere Probleme nicht."
"Ich weiss…", kam es ernst zurück und zum ersten Mal hob Leith seinen Kopf. Bei nebeligem Wetter erreichten seine Haare den weissesten Ton, der überhaupt möglich war.
"Du hast ihn reingelassen." Lyn erhob sich, aggressiv stemmte er die Arme gegen den Tisch. "Und jetzt sitzt du hier und schreibst Briefe!" Ungefragt riss er dem Alpha das Papier aus der Hand. Hastig überflogen seine Augen die dunklen Buchstaben, ehe sie sich aufs Maximum weiteten. "Du berufst den Rat ein?"
"Der Kodex wurde verletzt. Kais Zustand ist das Resultat einer verbotenen Genmanipulation."
"Schieb jetzt bloss nicht die Schuld in andermanns Schuhe!"
"Lynhart!", fuhr Leith mit knurrender Stimme auf, er erhob sich und übertrumpfte seinen Beta um ein paar Zentimeter. In seinen Augen glühte etwas Rotes auf, dem sich der Schwede demütig unterwarf. Wütend über die Zurechtweisung liess er sich auf den Stuhl zurückplumpsen.
"Ich schreibe dem Fuchsrudel."
"Du rufst die Rotschöpfe? Das sind seelenlose Kreaturen", wandte Lynhart ein, "Du hattest bisher nicht viel für sie und ihre Reinrassigkeit übrig."
"Lyn…"
"Stell dir vor, wie sie mit Leuten wie Aurora umgehen", lenkte der Beta das Gespräch bewusst auf einen wunden Punkt. Er sah wie sich die Falten an Leiths Stirn bildeten. "Sie werden sich entschliessen, Kai eigenhändig die Kehle aufzureissen."
"Sie hatten vor kurzem einen Alphawechsel…", setzte Leith zur Erklärung an.
"Pass bloss auf, dass wir nicht auch bald einen haben." Die Beiden richteten sich auf, die Freundschaft drohte in Feindschaft überzuschwappen… 
"Forderst du mich heraus?", keifte Leith und offenbarte seine Reisszähne und das rote Glühen in seinen Augen.
"Wenn du weiterhin so überzeugt von dir bist, wer weiss…" Die hellen Härchen an Lynharts Armen stellten sich angespannt auf, während auch seine Augen von innen aufleuchteten. Doch im Vergleich zu Leiths kaltem Rot war sein Blick dominiert von einem warmen Blau, dass an das karibische Meer erinnerte oder an einen heissen Sommertag. Er fletschte die Zähne.
"Sei deinen Freunden nahe… ", knurrte er.
"Sei deinen Feinden näher… ", ergänzte Leith und die Herren zogen langsam die gefährlichen Reisszähne wieder ein.
"Wer ist der neue Rudelführer?" Lynharts Haltung begann sich zu entspannen, während er es sich wieder im Sessel bequem machte.

Er hatte viel vom Fuchsrudel gehört, bekannt waren sie dadurch, dass sie alle rote Haare hatten und ihr Fell in der Wolfsform dem eines Fuchses glich. Als er damals aus Schweden ausgewandert war, hatte er sich ratingmässig dafür interessiert, dem Rudel beizutreten, aber erfuhr dann schnell von ihrem Ruf. Sie tolerierten weder andersartige Wölfe unter ihnen, noch Gebissene. Und obwohl Lyns Vater eindeutig rothaarig war, reichte das farbige Ohr des Schweden nicht aus, um ihrem Rudel beizutreten.
"Raymond wurde von seinem Sohn verdrängt."
"Von Arthur, vom ältesten?", hackte Lyn nach.
"Noch nicht einmal, es war Kilian", klärte Leith auf.
"Kilian… Er war schon immer ein wackeres Kärlchen. Aber schwer ernst zu nehmen mit seinen 1.63m…  Oder ist er inzwischen doch noch einen Zentimeter gewachsen?"
"Er ist nicht höher geworden, sondern breiter. Damit meine ich nicht so breiter wie Gerald, der aussieht, als wäre er trächtig." Die zwei Männer lachten kurz auf beim Gedanken an den pummeligen Gerald. "Sein Ego ist bestimmt auch gewachsen, aber ich denke, er wird die Regeln etwas lockern. Immerhin wurde er aufgrund seiner Körpergrösse beinahe aus den Rudel verjagt. Traurige Geschichte."
"Wie es aussieht, hätte es sein Vater eben doch machen müssen", meinte der Beta schmunzelnd.
"Naja, es reicht mit Gott und der Welt. Ich will, dass sie uns bei der Suche unterstützen. Es machen einige Gerüchte die Runde, dass sie mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben."
"Überschuss an Omegas und seltsame Morde?"
"Letzteres noch nicht, aber ihr Gebiet grenzt an unseres. Es kann ihnen nicht egal sein." Leith musterte sein Gegenüber und stellte eine seltsame Gedankenverlorenheit fest. "Woran denkst du?"
"Wie alt müsste Kyra inzwischen sein?"
"Lyn! Ernsthaft?"
"Aufregendes Mädchen, die feinen Sommersprossen, die roten Haare und das kecke Grinsen… "

Beinahe stieg ihm der Geruch des Waldes wieder in die Nase. Bei der Erinnerung an die junge Alphatochter schweiften seine Gedanken ab in die Ferne, irgendwohin auf die kleine Lichtung, nicht weit vom Trainingsplatz seines Rudels entfernt. Manchmal kam er noch immer dort vorbei und bei jedem Schritt, den er in die Richtung tat, erfasste ihn schwermütige Nostalgie. Wie einfach das Leben damals erschien, wie sorglos die Welt und unendlich die Jugend. Er seufzte innerlich, während er noch immer gedankenverloren die hohe Decke von Leiths Büro anstarrte. Ja, er, Lynhart schwelgte in den Erinnerungen an seine erste Wölfin. Wie aufregend es damals war, wie verboten und wie genussvoll.

"Stell bitte keinen Blödsinn an", sagte Leith eindringlich, erhob sich von seinem Sessel und verliess kurz darauf das Zimmer.

Es war nie eine emotionale Bindung, die Lynhart zur Rothaarigen hatte. In ihrer besonderen Freundschaft war damals schon alles verständlich, es brauchte keine erklärenden Worte, keine kitschigen Gefühlsduseleien, um das zu erhalten, was beide wollten. Und das war das Einzige, was er misste.

Ihm war seit dem ersten Tag hier klar, dass er in dieses Rudel gehörte, doch alles war hier so transparent. Alle wussten von allen und jeder seiner 'Ausrutscher' wurde mit tadelnden Blicken von Leiths Eltern beäugt.
Es war seltsam zu wissen, dass alle ihn akzeptierten und bewunderten, abgesehen von seinen Liebesabenteuern. Aber tief in seinem Inneren schrie diese mickrige Stimme in ihrem ätzend quietschenden Tonfall, dass er eben doch anders war.
Fühlte sich so manchmal Aurora?

"Du sitzt immernoch hier?" Leith trat wieder in den Büroraum und musterte seinen Beta leicht besorgt. "Ich habe noch nie gesehen, dass du so viel nachdenkst.
"Idiot… ", keifte der Skandinavier zurück und stützte nochmals sein Kinn auf dem Arm ab. "Wir beide sind gar nicht mehr so jung, wie wir denken."
"Du kommst doch nicht bereits in deine Midlifecrisis?" Leith setzte sich an seinen Platz. Er spürte, dass sein Gegenüber gerade keinen Alpha brauchte, sondern einen guten Freund.
"Leith, ein Werwolf paart sich durchschnittlich im Alter von 25 Jahren. Sehen wir mal von mir ab, aber du bist ein Alpha, du brauchst starke Nachkommen."
"Ich denk drüber nach…"
"Das heisst du wirst noch mit 40 keine Welpen haben."
"Das ausgerechnet du dieses Thema ansprichst..." Leith schüttelte ungläubig den Kopf. Lynhart war noch nie ein besonderer Familienmensch gewesen. Trotzdem hatte er bis zu einem gewissen Grad recht. "Ich schick den Brief jetzt ab."
"Mach du das", meinte Lyn nebensächlich, während er aufstand. Dieses Mal verliess er den Raum zuerst und trug dabei ein vielversprechendes Grinsen auf den Lippen.

Er heulte den Mond anWo Geschichten leben. Entdecke jetzt