Überrascht folgte ich Manu, während er um das Gebäude herum lief und schließlich auf den Eingang zu steuerte. Die Dame am Empfangstresen nickte ihm nur zu und wir machten uns auf den Weg zu den Aufzügen.
Manu drückte auf die Vier und ruckelnd setzte sich der Metallkasten in Bewegung. Ich versuchte, meine leichte Platzangst nicht zu zeigen, allerdings konnte ich nicht verhindern, dass meine Atmung immer schneller wurde, was Manu wohl auch irgendwann auffiel, da er einen Schritt auf mich zu machte, meine Hand nahm und murmelte: „Auch wenn das Teil mega langsam fährt, stecken geblieben sind wir damit noch nie."
Ich nickte, schon etwas beruhigter, und drückte Manus Hand, die sich gut anfühlte. Seine Finger verschränkten sich wie automatisch mit meinen und auch als sich die Aufzugtüren öffneten, machte er keine Anstalten, mich wieder los zu lassen. Stattdessen zog er mich in eine Richtung, einen Gang entlang und schließlich blieben wir vor einer Türe mit der Aufschrift 'Johann Büttinger' stehen.
Bevor ich fragen konnte, wer das war, klopfte Manu schon an die breite Holztür und drückte dann die Klinke herunter. Zusammen traten wir ein und sahen einen älteren Herren auf einer Couch sitzen und Fernsehen.
Laut sagte Manu: „Opa! Opa ich bin wieder da und ich hab Besuch dabei!" Dann drehte er sich zu mir um und erklärte mit gesenkter Stimme: „Das ist mein Großvater. Er hat Demenz. Ich bin der einzige Angehörige, der sich noch um ihn kümmert, meinen Eltern und allen anderen Verwandten ist er egal. Die werden nur wieder antanzen wenn es um das Erbe geht. Aber er war für mich der wichtigste Mensch, als ich noch kleiner war, deswegen besuche ich ihn fast jeden Tag."
Dann löste er unsere Hände voneinander und ging ein paar Schritte auf den älteren Herren zu, um sich schließlich neben ihn zu setzen. Endlich sah der Mann vom Bildschirm auf und wandte seinen Kopf in Manus Richtung. Ein paar Sekunden lang schien er zu überlegen, wen er da vor sich hatte, dann begrüßte er den Braunhaarigen mit einem freudigen: „Hallo Karl!"
Ich konnte von hier aus sehen, dass Manu Tränen in den Augen hatte, aber er lächelte und sagte mit belegter aber trotzdem lauter Stimme: „Opa, ich bin's, Manuel. Dein Enkel. Derselbe Enkel wie gestern. Und ich hab jemanden mitgebracht."
Er winkte mich zu sich zu sich und ich stellte mich zu den beiden neben die Couch. „Hallo, ich bin Patrick.", stellte ich mich vor und schüttelte die Hand des Älteren. Dieser sah überrascht aus und fragte Manu dann: „Wieso seid ihr hier? Ich dachte ihr besucht mich erst morgen?"
Mit fröhlichem Gesicht und traurigen Augen sagte Manu: „Nein, wir sind heute schon da. Aber morgen auch, das ist doch noch besser oder? Dann bist du hier nicht so alleine. Willst du mit uns raus in den Garten? Du kannst Patrick ja deine Lieblingsstelle bei den Rosen zeigen!"
Der ältere stimmte zu und Manu stand auf, um den Rollator, der im Eck stand, zu holen. Dann nahm er eine Jacke aus dem Schrank und ging mit den Sachen zurück zu seinem Opa. Erst half er diesem, sich mithilfe des Rollators hinzustellen, dann zog er ihm vorsichtig und liebevoll die Jacke über. Man sah, dass er Übung im Umgang mit dem älteren Herren hatte. Er war sanft aber trotzdem zielstrebig und so gingen wir kurz darauf einen Gang entlang, wieder auf die Aufzüge zu.
Als wir an einer Stelle waren, an der sich der Gang gabelte, fragte Manu: „Opa, weißt du noch ob wir rechts oder links lang müssen?" Kurz schien der Ältere zu überlegen, bevor er antwortete: „Rechts, oder?" Lächelnd und immer noch mit schimmernden Augen sagte Manu: „Ja, richtig! Super, Opa!" und zu mir flüsterte er leise: „Man kommt in beiden Richtungen zu einem Aufzug, hier ist aber der Weg länger. Er soll sich vorkommen, als wüsste er noch, wo es lang geht."
Dann hielt Manu seinen Opa am Ärmel fest, weil dieser fast an den Aufzügen vorbei gegangen wäre und drückte den Knopf, der nach unten zeigte. Während wir zurück ins Erdgeschoss fuhren, nahm Manu meine Hand wieder in seine, ließ mich danach aber direkt wieder los, da er seinem Opa helfen musste, mit dem Rollator aus dem Aufzug zu kommen.
Als das geschafft war, gingen wir auf eine Türe zu, die augenscheinlich nach draußen führte. Zum Glück schien inzwischen die Sonne und es war nicht mehr so kalt, also machten wir uns auf den Weg. Manu erklärte mir, dass wir hier einmal im Kreis gehen würden und dann wieder nach drinnen. Mir kam das zwar ziemlich langweilig vor, allerdings konnte man Manus Großvater die Freude ansehen, als er die ganzen Blumen und Bäume sah. Besonders schien ihm ein großer Strauch Rosen zu gefallen.
Er erzählte mir, dass er seine Frau auch in einem Park voller Rosen kennen gelernt hatte und sie dort jedes Jahr an ihrem Jahrestag ein Picknick gemacht hatten. Ich konnte mit dieser Info zwar nicht wirklich viel anfangen aber es rührte mich, dass er so freundlich mit mir redete, als würden wir uns schon länger kennen, obwohl ich ihn heute zum ersten Mal sah.
Obwohl, wenn man bedachte, dass der Mann seinen eigenen Enkel nicht mehr wiedererkannt hatte, konnte es auch gut sein, dass er mich für einen Patrick hielt, den er mal getroffen hatte. Aber egal, was davon jetzt zutraf, Manus Opa freute sich über unseren Besuch und mich freute es, ihn lächeln zu sehen.
Nachdem wir den älteren Herren wieder in sein Zimmer gebracht hatten, gingen wir zusammen zurück. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir wohl zur ersten Pause ankommen würden. Das hatte länger gedauert als gedacht.
Im Aufzug nahm Manu wieder meine Hand und diesmal ließ er sie auch nicht wieder los, bis wir schon wieder fast auf dem Sportplatz standen. Dort flüsterte er: „Geh schon mal vor, ich komm gleich nach."
Überrascht, weil er so leise sprach, drehte ich mich zu ihm um und konnte sehen, dass die Tränen in seinen Augen kurz davor waren, über zu laufen. Erschrocken machte ich einen kleinen Schritt auf ihn zu, drückte seine Hand und wollte etwas sagen, doch Manu zog mich plötzlich in eine Umarmung. Drückte sich an mich und fing an, zu weinen.
Seine Schluchzer wurden immer lauter und unregelmäßiger, weswegen ich meine Hand aus seiner löste und ihn gegen mich drückte. Ich konnte spüren, wie seine Tränen meinen Pulli durchnässten und wie sein Körper bei jedem Schluchzer erbebte.
So hatte ich Manu nicht eingeschätzt. Ich der Schule war er der unantastbare und hier, weit weg vom Druck der großen Schülermassen, war er auch nur ein Junge, der es sich zu Herzen nahm, dass es seinem Opa schlecht ging.
Allmählich schien er sich zu beruhigen. Hielt sich zwar noch an mir fest aber umklammerte mich nicht mehr. Weinte noch, aber hatte aufgehört zu schluchzen. Leise fragte ich: „Manu, was ist los? Willst du reden?"
„Ja..."
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Kürbistumor - Perfect Stranger
FanficWas hat dieser Manu nur an sich, dass jeder Respekt, fast Angst vor ihm hat? Wieso weiß er alles und wo ist er, wenn er nicht in die Schule geht? Diese Fragen fesseln Patrick, deswegen sucht er nach Antworten. Ich Let's reade die Story auch auf YouT...