Kapitel 13

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Gespannt sah ich Manu an und dieser begann zu erzählen: „Du wirst mich jetzt für völlig übergeschnappt halten, aber ich kann alles was ich sage beweisen. Ich weiß nicht, warum es so ist, nur dass es passiert.

Angefangen hat es, als ich noch jünger war. Mein Vater schrie mich an und plötzlich hörte ich seine Stimme nicht mehr so laut. Kurz dachte ich, mein Trommelfell wäre von dem Geschrei kaputt gegangen, doch es war anders. Ich wusste plötzlich mehr über ihn.

Ich wusste, was er später noch vor hatte, ich wusste, was bei ihm auf der Arbeit passiert war, ich wusste, wie die Disco hieß, in die er am Abend noch gehen würde – ohne dass er es mir erzählt hätte.

Am Anfang dachte ich, ich hätte einfach verwirrende Gedanken. Immer wenn so etwas passierte, redete ich mir ein, mein Gehirn wollte mir einen Streich spielen und das wäre ein Schutzmechanismus, um die eigentliche Realität auszublenden.

Aber immer öfter passierte es auch bei Menschen, die nett zu mir waren, nicht so wie mein Vater. Menschen, vor denen mich mein Gehirn nicht zu schützen brauchte. Und irgendwann verstand ich, dass ich die Gedanken der Personen kannte.

Ich kann alles sehen, was in den Köpfen der Leute vorgeht. Das was sie denken und dass sie das Gegenteil sagen. Deswegen kann ich es mit jedem Lehrer aufnehmen. Ich weiß schon von vornherein, was sie fragen und kenne auch ihre Antworten.

Und wenn ich will, kann ich auch tiefer in ihre Köpfe sehen, kann in ihren Kindheitserinnerungen wühlen oder ihre Sorgen anschauen. Aber das mache ich nicht, es ist mir zu privat. Und wenn ich mich stark konzentriere kann ich auch in die Gedanken weit entfernter Menschen eindringen, theoretisch könnte ich dir genau jetzt sagen, was gerade im Kopf von Barack Obama vorgeht.

So, jetzt weißt du alles. Ich weiß, dass du es niemandem verrätst, dazu bist du viel zu verständnisvoll. Ich wollte es nur gesagt haben, damit du gehen kannst, wenn du jetzt Angst vor mir hast oder nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Ich wollte nicht lügen."

Mit leicht geöffnetem Mund starrte ich meinen Gegenüber an. Sowas konnte doch nicht sein! „Doch kann es...", antwortete Manu und das Unbehagen in mir wuchs noch weiter. Das war gruselig! „Ja, es ist wirklich gruselig, aber ich kann nichts dafür, es passiert einfach. Und ich schwöre dir, ich würde mir nie mehr als deine aktuellen Gedanken ansehen, über deine Erinnerungen erzählst du mir entweder von dir aus etwas oder ich werde nie etwas darüber erfahren."

Ich sah, dass Manu schon wieder Tränen in den Augen hatte und mehrmals blinzelte, um sie zurück zu drängen. Und auch wenn das hier völlig absurd war und ich mir vorkam, wie in einem verrückten Sience – Fiction Film, wollte ich nicht, dass Manu sich schlecht fühlte. Er hatte wohl Angst, ich könnte ihn Hassen, obwohl wir uns erst einen Tag lang kannten.

„Manu", sagte ich deswegen, „wenn du meine Gedanken kennst, müsstest du doch wissen, dass ich deswegen nicht gehen werde. Das ist zwar ein Bisschen gewöhnungsbedürftig, aber nichts Schlimmes. Ich werde dich nicht im Stich lassen, dafür bist du mir zu wichtig."

Überrascht sah Manu auf und blickte mich mit einem kleinen Lächeln an. Seine Augen glänzten, aber nicht mehr wegen den Tränen und Erleichterung zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Unsere Augen waren schon wieder ineinander gefangen und unsere Gesichter kamen sich langsam näher.

Ich fragte mich, was jetzt passieren würde. Würden wir uns küssen? Und wenn ja, wie schmeckten Manus Lippen?

Mit den Worten „Das wüsste ich auch gerne", beugte Manu sich vor und küsste mich.

Mein Bauch kribbelte, mein Herz pochte immer schneller und das Einzige, was ich wahrnahm, waren Manus Lippen. Ob nur ein paar Sekunden oder mehrere Stunden – ich hatte keine Ahnung, wie lange wir auf dieser Bank gesessen hatten.

Als wir uns voneinander lösten, sah ich Manu in die Augen und konzentrierte mich auf einen Satz.

Und als der Größere leise „Ich dich auch", flüsterte, war ich mir sicher, dass er der richtige war. Denn egal was er konnte und was er nicht konnte, was er wusste und nicht wusste, er war perfekt, wie er war und ab jetzt gehörte er zu mir.

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Crazy Idee, bin mit der Umsetzung nicht 100 Prozent zufrieden aber iwie mag ich das Ergebnis trotzdem ^^

Kürbistumor - Perfect StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt