Regen

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Ich hatte inzwischen den Bus zurück nach Hause genommen. Noch ca. 2 Haltestellen und ich musste aussteigen. Eigentlich wäre ich lieber noch sitzen geblieben. Busfahren beruhigte mich. Das monotone, tiefe Brummen, die Landschaft, die einfach vorbeiflog, als wäre man mit einem Radiergummi sanft über eine Zeichnung gegangen und hätte alles verwischt. Ich hätte stundenlang so aus dem Fenster sehen können.

Die große Wolke war nähergekommen und hing nun genau über meiner kleinen Welt. Sie färbte den Himmel dunkelgrau, wie meine Laune mein Innerstes.

Meine Haltestelle wurde ausgerufen, ich stand auf, der Bus hielt an und ich sprang nach draußen.

Die Luft war angenehm frisch, doch etwas zu feucht. Kaum war ich ein paar Schritte gegangen, platschte mir aufeinmal ein Tropfen auf die Nase. Verärgert blieb ich stehen und sah nach oben in Richtung Wolke. Vereinzelte Tröpfchen fielen vom Himmel. Ganz langsam, hier einer, dann da einer und noch einer und noch einer und noch ein paar und ein paar ganz große und auf einmal ganz viele. Ehe ich mich versah, prasselten die Wassermassen auf mich herab.

"Na toll",dachte ich,"ausgerechnet jetzt!" Natürlich hatte ich keinen Regenschirm dabei und so musste ich wohl oder übel alles auf mich niederprasseln lassen. Fluchend rannte ich los.

Meine Füße platschten hart durch die braun-grauen Pfützen, das Wasser bäumte sich auf, schwappte gegen meine Beine und tauchte sie in unangenehme Kälte. Der Regen trommelte mir hart in den Nacken und klatschte mir brutal ins Gesicht, als wollte er mich wachrütteln.

Nun wach endlich auf!!! schrie er.

Der Wind peitschte mir ins Gesicht und riss an meinen Haaren, die wirr und klatschnass an meinem Kopf klebten.

Ich hatte Mühe, die Augen offen zu halten und musste ständig blinzeln.

Keuchend und total durchnässt öffnete ich schließlich die Haustür zum Haus meiner Eltern.

"Zu Babaras und Wolfgangs Haus",korrigierte mich eine innere Stimme, als ich im Flur meine Schuhe auszog.

"Nein, das Haus meiner Eltern",murmelte ich, als ich die Treppe hochknarzte. "Denn das sind sie offensichtlich."

"Und die Bilder? In deiner alten Wohnung??"

"Und wenn ich das nicht glaube?! Wenn das nur jemand ganz anderes gezeichnet hat, der mir so ähnlich sieht, dass Flo mich mit ihr verwechselt hat?!"

"Komm, bitte",spottete die Stimme,"so viel Zufall wär ja beinahe illegal"

"Aber es gibt keine Erklärung warum ich dann offensichtlich eine ganze Wohnung und Eltern habe! Ich bin doch nicht schizophren!" Diesen Satz schrie ich fast, aus lauter Verzweiflung. Es schien sowieso niemand im Haus zu sein.

"Ich weiß gar nicht, was ich noch glauben soll",hauchte ich und ließ mich rückwärts aufs Bett fallen. Es federte mich leicht zurück und mein Oberkörper wippte kurz auf und wieder ab.

Der Regen klatschte unerbittlich gegen die Fensterscheibe und ich hatte fast Angst, sie könnte zerbrechen.

Ich lag eine Weile so da und versuchte das Chaos in meinem Kopf auszublenden, das jedesmal meine Gedanken kontrollierte, sobald Ruhe an meine Ohren stieß. Es war eine Flut an Reizen, Bildern, Stimmen, Geräuschen und Gefühlen, die ich einfach nicht packen oder einordnen konnte. Eine tiefe, stechende Wut machte sich in meinem Bauch breit.

Ich wollte mich erinnern! Aber es ging einfach nicht.

Seufzend griff ich nach meinem Handy und scrollte ein wenig darauf herum, bis ich schließlich irgendwie dazu kam, das Radio anzustellen. Die ersten Töne eines Liedes erklangen und ein technisch erhöhter Gesang erklang im Zimmer.

Remember me - (LeFloidFF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt