Krankenhauskampf

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Flos Sicht:

Stille hatte sich über das Zimmer gesenkt. Es war 4:34 Uhr, doch ich war kein bisschen müde.

Trotz der Stille hallte immernoch ihr Schrei in meinen Ohren und ich wusste genau, welchen Grund er gehabt hatte. Ich hatte es gesehen. Ihren Arm.

Mir war, ganz ehrlich, die Luft weggeblieben.

Das Feuer hatte ihren kompletten linken Unterarm erwischt und sich von dort an, wie eine halbe Spirale nach oben geringelt. Die Haut hatte Blasen geworfen oder war komplett ab und hatte ekelerregende neue Färbungen angenommen.

Und jetzt lag sie hier volkommen in weiß.

Die dunklen Haare auf dem weißen Kissen, ihre leicht glühende Haut, zugedeckt von einer weißen Decke, um ihren Arm der weiße Verband und der Mond schien hell auf ihr Gesicht.

Viele hätten jetzt an einen unschuldigen Schlaf gedacht, doch ich wusste es besser. Ich wusste, was passiert war und für mich sah sie momentan einfach verloren aus. Verloren in der Wüste, der Gewalt des Todes ausgesetzt.

Ich seufzte und versuchte mich abzulenken.

Es war ein reiner Zufall gewesen, dass ich sie getroffen hatte.

Wenn ich nicht in der Gegend gewesen wäre, hätte ich sie niemals aus der Straße kommen sehen. Dann hätte ich sie niemals reden gehört. Dann hätte ich niemals gehört, dass sie Ellies angebliche Eltern waren. Dann hätte ich niemals den Typen als einen aus dem Labor erkennen können.

Aber vor allem hätte ich dann niemals gemerkt, dass sie in Gefahr war und wäre niemals zu ihr gefahren, um sie vor ihrer Haustüre bewusstlos vom Boden aufzuheben und zum Rettungswagen zu tragen.

Das Gefühl, sie dort in meinen Armen zu halten, erinnerte mich an das Gefühl, als ich als kleines Kind den Vogel, der vor unser Fenster geflogen war, zum Tierarzt getragen hatte.

Es kam mir trotzdem komisch vor, sie mit einem Vogel zu vergleichen.

Der harte Krankenhausstuhl kantete ungemütlich an meinem Rücken, daher stand ich nun leise auf und lehnte mich ans Fenster.

Wenigstens hatte ich endlich aufgehört, mich mit der Frage zu konfrontieren, die überhaupt unsere letzten Stunden der vergangenen Woche so erschwert hatte.

Und obwohl sie sich jetzt an diese Frage gar nicht mehr erinnerte und ich in den letzten Tagen viel an unsere Vergangenheit gedacht hatte, wusste ich immernoch nicht, was ich wollte.

Ich konnte hier stehen, am Krankenhausbett mitten in der Nacht und stundenlang ins Dunkle starren und kam keinen Schritt weiter.

Ich hatte viel mehr das Gefühl, mich rückwärts zu bewegen. Als würde ich für jeden Schritt nach vorne zwei zurückfallen.

Leise schnaubend drehte ich mich vom Fenster weg und blickte wieder in das Zimmer hinein. Jetzt spielte es keine Rolle mehr, was ich wollte. Ich hatte das leichte Gefühl, damals meine Chance verspielt zu haben. Ich hatte wie ein Arsch reagiert und hatte damit das Letzte zerstört, was uns noch geblieben wäre.

Und jetzt?

Jetzt starrte ich einfach ins Dunkel, in jeder Hinsicht.

Ein leises Stöhnen aus ihrem Bett ließ mich aufschrecken. Das war schon mehrmals passiert und jedesmal dachte ich, sie würde aufwachen, doch das Beruhigungsmittel hatte sie vollkommen ausgeknockt.

Trotzdem ging ich leise bis zu ihrem Bett und beugte mich vorsichtig über sie.

Was funkelte denn da in der Dunkelheit? Ich sah genauer hin. Tatsächlich, ihre Augen waren einen spaltbreit geöffnet, aber wach sah sie nicht aus.

"Ellie?",hauchte ich in die Stille. Es waren die ersten Worte, die ich seit Stunden gesagt hatte und meine Stimme kratzte ein bisschen.

Keine Reaktion.

Ich strich ihr ein paar Haare aus der Stirn, um besser sehen zu können und sie blinzelte.

"Bist du wach?"

Noch immer starrte sie bewegungslos an die Decke, doch sie musste einfach wach sein.

"Willst du was trinken?",fragte ich vorsichtig. Der ganze Rauch hatte ihren Hals bestimmt ganz ausgetrocknet, doch sie schien mich gar nicht zu hören.

Entweder stand sie immernoch stark unter dem Einfluss des Betäubungsmittels oder unter Schock. Also stand ich einfach eine ganze Weile nur da und sah ihr zu, wie sie die Decke anstarrte. Minuten- oder stundenlang passierte einfach gar nichts, bis sie mir aufeinmal direkt in die Augen sah. Sonst hatte man immer das Gefühl, aus dem tiefen grün ihrer Augen Geschichten zu lesen, doch jetzt waren sie glasig und schienen zu zittern.

Ganz leise und ganz still, ohne irgendeine sichtbare Bewegung rann ihr eine glitzernde Träne aus dem Augenwinkel und ihre Wange entlang.

Äußerlich schien sie noch immer nichts mitzukriegen, doch die Träne sagte mir, dass ein innerer Teil von ihr wach und bei mir war.

Remember me - (LeFloidFF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt