4. Broken

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Berührt er grade wirklich meine Hand? Ich schau ihn an und muss über beide Ohren grinsen. Wie ein kleines Kind. Ich muss mich echt mal zusammen reißen. Aber er ist einfach so atemberaubend. Der Herr hat sich also Sorgen um mich gemacht. Und ich dachte bis gestern noch, dass er keine Gefühle hat.

Wieso ist er denn so ganz anderes, als ich es erwartet habe. Ich muss mal mit Eva, meiner besten Freundin, reden. Vermutlich wird sie mir aber auch nur sagen, dass er nicht gut für mich ist. Naja Unrecht hätte sie vielleicht nicht. Ich mein, er raucht, trinkt und wer weiß, was noch alles.

Das ist nicht unbedingt der beste Umgang, aber er ist einfach einzigartig. Ich muss ihn einfach näher kennenlernen. Ich werde trotzdem mit Eva reden. Mich interessiert, was sie so über ihn denkt. Und schon klingelt es zur nächsten großen Pause. Niemand hat gesehen, dass wir Händchen gehalten haben. Vielleicht ist es besser so.

Wir lächeln uns an und gehen dann verschiedene Wege im Schulhaus. Eva kommt auf mich zu. "Mia, was war das denn?" Und schon geht es los. "Hallo Eva, es ist auch schön dich zu sehen. Was meinst du denn?", frage ich so unschuldig wie möglich. Da sie aber weiß, dass ich eine schlechte Lügnerin bin, hakt sie noch einmal nach.

"Ach man Eva, was soll denn sein." Sie lässt einfach nie locker. Ich war vorhin noch der Auffassung, dass ich mit ihr darüber reden kann, aber wenn ich es mir erneut überlege, kommen mir Zweifel. "Mensch Mia, du hast dich zu Elijah gesetzt und nicht neben mich. Ihr habt auch gestern die ganze Zeit geredet. Ich bin deine beste Freundin. Sowas bemerke ich eben. Also sag schon, was läuft da?", erwidert sie aufbrausend und sehr laut durch das komplette Schulhaus.

Ich hielt ihr den Mund zu.

Zu spät.

Eine handvoll Schüler um uns herum, schauen uns verwirrt an. "Sag mal geht's noch. Man Eva nicht so laut, bitte." Jedes Mal dasselbe. "Ja, na und? Elijah und ich verstehen uns halt ganz gut. Er ist ganz anders, als alle immer gesagt haben." Sie verdreht ihre Augen.

"Mia, du bist viel zu naiv. Der Kerl ist nicht gut für dich. Du wirst schon sehen. Aber ich werde dann sagen 'Ich hab's dir doch gesagt'.", sagt Eva schnippisch und zieht mich auf den Hof.

Wie immer gehe ich in der Pause raus, eine rauchen. Doch es macht heute nicht viel Sinn, da ich ziemlich beruhigt bin. Mia ist eine wirklich besondere Person. Sie macht mich glücklich, aber durch sie werde ich auch verletzlich. Vielleicht wieder zu verletzlich? Ich will nicht noch einmal da durch.

Bei einer Sache bin ich meinen damaligen Freunden dankbar. Sie haben dahingehend die Klappe gehalten. Ich mein, das war nicht unbedingt selbstverständlich. Die haben auch alles Andere weitererzählt. Trotzdessen bin ich ihnen sehr dankbar dafür, dass sie nicht über dieses Ereignis gesprochen haben.

Aber ist es wirklich gut, wenn ich, Elijah Matthews, wieder Gefühle zeige?

Ich muss es heraus finden, eher kann ich mich nicht auf Mia konzentrieren. Obwohl doch offensichtlich kann ich das. Ich mach es doch sowieso schon. Vielleicht sollte sie doch nicht in mein Leben treten. Mein Leben ist voll von Geheimnissen. Wahrscheinlich müsste ich ihr davon erzählen, aber ich weiß nicht, ob ich dazu bereit bin. Wird sie es verlangen?

Ich mein, sie weiß es theoretisch gar nicht und so soll es auch erstmal bleiben. Falls ich irgendwann so weit bin, dann erzähle ich ihr davon. Ich hoffe, sie wird mich verstehen. Verstehen, warum ich so bin, wie ich bin.

Es ist jetzt über 1 Jahr her.

Sie war kein gewöhnliches Mädchen. Sie ging auch nicht auf meine Schule. Niemand wusste von ihr, außer meinen Freunden. Ich lernte sie auf einer Party von einem Kumpel von mir kennen. Sie war auf einer Musikschule und spielte Geige. Passt eigentlich gar nicht zu mir, würde man jetzt denken. Aber wie gesagt, ich war früher einfach ganz anders.

Ich war sehr anständig.

Anständig genug für sie und das muss schon was heißen. Auf der Party ist sie damals recht ruhig gewesen. Schüchtern war sie immer. Aber sie hatte etwas an sich, was man nicht beschreiben konnte. Schon am ersten Tag verliebte ich mich in sie. Obwohl ich es damals noch nicht gleich wusste, weiß ich es dafür heute umso besser.

Man könnte meinen, es war Liebe auf den ersten Blick. Es dauerte satte zwei Monate bis wir schließlich zusammen kamen. Wir wollte es langsam angehen lassen und uns vorher besser kennenlernen. Wir hatten sehr viele 'Dates'. Beispielsweise führte ich sie zum Essen aus. Wir gingen Schlittschuh laufen, klettern und ach, einfach alles Mögliche. Claire war ihr Name.

Unsere Beziehung hielt länger als ein Jahr. Und es war eine so schöne Beziehung. Wir stritten uns nicht oft und waren überaus glücklich. Ich hatte die schönste Zeit meines bisherigen Lebens mit ihr verbracht. Ich liebte sie wirklich über alles. Und in meinem tiefsten Inneren weiß ich, dass ich sie immernoch liebe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich je damit aufhören werde, sie zu lieben. Das Problem ist einfach, dass wir nie wirklich Schluss gemacht haben. Sie war mein Ein und Alles.

Bis zum 27.3. Es war ein ruhiger Tag. Ich war entspannt in der Schule. Noch während des Tages bekam ich einen Anruf in der Schule.

Ein Unfall, sagten sie.

Alles was ich noch wahrnahm, waren die Worte, Lkw, Fahrrad, sofort tot. In einer Millisekunde kann eine Welt zusammen brechen und dies hätte ich niemals für möglich gehalten. Ich ließ mich wochenlang in der Schule nicht blicken. Gelegentlich kam zu wichtigen Arbeiten, die ich aber haushoch vermasselte, wie zu erwarten war.

Deswegen ging ich dann gar nicht mehr zur Schule. Ich musste das Jahr wiederholen und so kam ich in meine jetzige Klasse. Aber ich werde mich wohl nie richtig von dem, was Claire passiert ist, erholen können.

Claire, meine große Liebe.

                                                                                                                                                                     Broken – Lund

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