Kapitel 1 - Im Auftrag der Liebe

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Es war tiefste Nacht, so dunkel, dass man keinen Meter weit sehen konnte, nur Schwärze, die die Dunkelheit andeutete. Mich überkam ein ungutes Gefühl, als ich so hilflos dastand, keine Ahnung hatte, wo ich mich derzeit befand. Das einzige Vertraute war der mir um die Ohren pfeifende Wind, doch nicht einmal das tröstete mich, ganz im Gegenteil, sie schmerzten mir wegen der Kälte und ich hatte das Gefühl, sie würden jeden Moment anfangen zu bluten. Der metallische Geruch würde höchstwahrscheinlich eine gefährliche Spezies anlocken, von der ich auf brutalste Weise getötet werden würde und schließlich mit einem bloßen Happen vollkommen verspeist.

Der Gedanke jagte mir einen Schauder über den Rücken. Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn. So etwas nannte man also Angst. Dieses Gefühl hatte ich nie zuvor in meinem Leben verspürt. Es war ein merkwürdiges, ja, absurdes Gefühl, das ich, so beschloss ich augenblicklich, verabscheute.

Wo bist du, meine große Liebe?, dachte ich – oder sagte ich es sogar in die Dunkelheit hinein?

Jedenfalls antwortete mir der wehende Wind mit einem lauten, ohrenbetäubenden Pfiff, wodurch sich mein Gehör schlagartig abstellte und ich nichts mehr vernahm. Nicht einmal dieses verabscheuende Gefühl von Angst

"Generalin Esdeath, Sie sind spät dran!", meldete sich eine Stimme hinter meiner Zimmertür. Ich schlug meine eisblauen Augen auf und starrte gegen eine braune Deckenwand. Im Moment fühlte ich mich so leer, als fehle etwas in meinem Leben – und ich wusste auch, was es war: Die große Liebe, die mich verlassen hatte, kurz nachdem ich sie fand. Welch ein Schmerz sich da in meiner Brust ausbreitete, doch ich wollte es gegenüber meiner Kameraden nicht anzeigen lassen, weshalb ich eine ausdruckslose Miene aufsetzte, mich aus dem Bett schwang und die Zehen in zwei weiche, hellrosafarbene Puschen vergrub.

"Bin gleich soweit!", rief ich gegen die massive Eichenholztür, "bereitet das Frühstück vor, derweil ich mich anziehe!"

Das Poltern von Schritten, die sich rasch entfernten, vernahm ich. Seufzend und noch den Traum in der Erinnerung haftend zog ich das geblümte Morgenkleid über den Kopf, warf ihn auf den Boden und wühlte stattdessen aus einer braunen Kommode meine Uniform hervor, die ich mir rasch anzog, um die anderen Yaegers nicht allzu lange warten lassen zu müssen.

Als ich die Tür zum Korridor öffnete, überkam mich abermals dieses Gefühl von Verlassenheit, das etwas in meinem Leben fehlte, etwas, das ich zum Überleben dringend benötigte.

Heute werden wir Tatsumi suchen, beschloss ich in Gedanken. Ich werde dich finden, Liebster.

Kuro rang gerade mit einem dicken Brocken rohes Fleisch, Run und Wave gossen jeden der Teamkameraden ein Getränk ihrer Wahl in die Gläser, die auf den rechteckigen Tisch standen. Bolt war vollkommen in einen – ohne Scherz, wie unglaubwürdig es auch klingen mag – Historischen Liebesroman versunken und nahm von niemandem Notiz, nicht einmal dann, als ich die Treppen in den Speisesaal herunter gestiegen kam und jeder sofort mich mit einem Lächeln begrüßte.

Auf der Stelle bemerkte ich Dr. Stylishs Fehlen. "Wo steckt denn der Doktor?", fragte ich mit verschränkten Armen vor der Brust durch die Runde.

Seryu, bereits auf ihrem Stammplatz sitzend, zuckte die Schultern. Ihr braunoranges Haar fiel ihr offen über ihnen. "Er meinte, noch etwas erledigen zu müssen, ehe er sich zu uns gesellt. So waren jedenfalls seine genauen Worte. Was er zu tun hatte, verschwieg der Doktor."

Verständnisvoll nickte ich dem jungen Mädchen zu, ließ mich letztlich ebenfalls auf meinem Stuhl nieder. Auf dem Tisch befanden sich Brote, Butter, Käse und Schinken, auch Erdbeermarmelade war aufzufinden, was mich sehr überrascht, da ich seit vielen Monaten keine mehr zu Gesicht bekommen hatte, der Grund war der, dass zurzeit weniger Einwanderer in die Kaiserstadt gelassen wurden, da man ständig mit Überfällen der Revolutionsarmee rechnete.

Ich musste mich zusammenreißen, um nicht überstürzt danach zu greifen. In meinem Mund lief mir das Wasser im Mund zusammen, was Wave scheinbar bemerkte; er schmunzelte mich leicht an. Verlegen wich ich seinem Blick aus, hoffte, dass die Röte mir nicht anzumerken war.

"Und, was steht heute an?", riss mich Run aus dieser peinlichen Situation. Eine Augenbraue schob sich in die Höhe, als er meine Antwort abwartete.

Ich nahm einen kurzen Schluck meiner warmen Ziegenmilch. Die anderen schmierten sich derzeit Brot oder Toast mit Butter, Schinken und Käse, zu meiner Überraschung rührte keiner die Marmelade an. Glück für mich. Laut des Ministers halten sich nahe der Kaiserstadt eine Herde aus einer unbekannten Speziesart auf. Sie soll hochgefährlich sein und muss deshalb alsbald eliminiert werden. Die Informationen hatte der fette Mann mir noch gestern Abend übermittelt, damit wir uns so schnell wie möglich darum kümmerten. Obwohl ich darauf aus war, Tatsumi zu finden, musste ich mich zuerst meinen eigentlichen Aufgaben hingeben. Es sei denn

"Run, Wave, Bolt und Seryu, ihr werdet mit Dr. Stylish und Kurome euch darum kümmern. Währenddessen werde ich", ich brach ab, mir fiel kein guter Grund ein, mich unbemerkt von ihnen wegzustehlen.

Wave fuhr sich mit einer Hand durchs blauschwarze Haar. "Du machst irgendwelches Generals-Zeugs, richtig?"

Etwas zu hektisch nickte ich. "Ganz recht, heute habe ich keine Zeit für die gefährlichen Spezies, also, ich verlasse mich auf euch!"

"Zu Befehl, Generalin Esdeath!", sagten die vier Yaegers gleichzeitig und voller Entschlossenheit.

Damit hatte es sich erledigt. Ganz in Ruhe konnte ich mich nun auf die Suche nach Tatsumi begeben!

Akame ga KILL - Esdeath x TatsumiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt