2 | Kaecilius

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Zwei Jahre verstrichen, ohne dass es Faye wirklich mit bekam. Jeden Tag lernte sie, trainierte und meditierte. Die Narbe in ihrem Gesicht war mittlerweile so gut verheilt, dass man diese nur noch in ihrer menschlichen Gestalt sah. Trotz ihres neugewonnenem Selbstbewusstsein und ihrer mental aufgebauten Stärke trug sie immer noch ein Tuch, welches ihr halbes Gesicht verdeckte. Es war zu einer Gewohnheit geworden, mit der sie sich mehr als wohlfühlte. Ihre Mitschüler störten sich wenig daran und akzeptierten sie so wie sie war. Ihnen ging sie trotzdem größtenteils aus dem Weg, wechselte nur hier und da mal einige Worte mit ihnen. Faye hatte sich unter den Schülern des Kamar-Taj in zwei Jahren einen Namen gemacht und galt als beste Schülerin und wurde von einigen bereits als angehende Meisterin gesehen. Mit der Zeit ergab sich auch Fayes Rufname weißer Fuchs, wie sie von den meisten genannt wurde. Nur wenige sprachen sie auf ihren richtigen Namen an. Es war eine Art von Respekt, angemessen für eine angesehene Schülerin aber immer noch weit unter dem Respekt mit welchem man den Meistern oder der Ältesten entgegentrat.

Der Morgen versprach einen angenehmen, südasiatischen Frühlingstag in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Wie jeden Morgen stand Faye vor dem Sonnenaufgang auf, setzte sich auf eine der kleinen Terrassen des Kamar-Taj und meditierte. Es war ihr morgendliches Ritual geworden, welches sie nur an regnerischen Tagen in ihr Zimmer verlegte. Geräuschlos zog sie die frische Morgenluft ein, schmeckte den Regen des vergangenen Abends und lauschte dem leisen Klang der Windspiele und dem sanften Musizieren der Vögel. Irgendwo in der Stadt regte sich etwas, die Leute begannen munter zu werden. Was bis eben noch das Nachtleben gewesen war, ging nun über zur alltäglichen Arbeit. Kinder gingen zur Schule, Erwachsene zur Arbeit. Ein sich täglich wiederholender Kreis.
Faye zuckte nur leicht mit einer Braue, als sie hinter sich Schritte hörte. Sie wusste genau wer es war, auch ohne dass sie den Mann sah. Schweigsam setzte sich Kaecilius neben sie, atmete einmal tief ein und aus und tat es ihr gleich, begann ebenfalls zu meditieren. Manchmal gesellte er sich morgens zu ihr und leistete ihr Gesellschaft, ohne ein Wort zu sagen und Faye aus ihrer Ruhe zu reißen. Dafür war sie ihm sehr dankbar und genoss seine Anwesenheit sogar. Kaecilius war ihr ein guter Freund geworden, eigentlich der einzige welchen sie hier hatte. Im Gegensatz zu ihr war er bereits ein Meister, auch wenn er diesen Titel erst seit einigen Wochen trug. Als Faye ins Kamar-Taj kam, nahm er sich ihrer an, zeigte ihr alles und half ihr sehr oft weiter. Es war auch eigentlich Kaecilius, der den Titel als bester Schüler trug, beziehungsweise getragen hat. Sie hatte ihm ziemlich schnell Konkurrenz gemacht, was die Freundschaft zwischen den beiden aber nur weiter gestärkt und sie immer wieder angespornt hatte. Auch wenn er jetzt ein Meister war und selber Unterricht gab, Freunde blieben die zwei Zauberer trotzdem.
Nach einer Weile - Faye konnte bereits spüren, wie das Kamar-Taj erwachte - streckte sich die junge Frau ausgiebig, ließ ihre Schultern kreisen und sah in den sich von rosa-orange in blau verfärbenden Himmel hinauf. Nur wenige, nebelartige Wolken zogen über ihnen hinweg, schwarze Silhouetten von Vögel stachen vor den gelb-weißen Schwaden hervor.
»Heute ist dein freier Tag, was hast du vor? Willst du wieder den ganzen Tag mit lernen verbringen oder ergibt sich die seltene Möglichkeit, dass du das Kamar-Taj mal verlässt?«, fragte Kaecilius ruhig und öffnete langsam seine Augen, hob fragend eine Braue und sah sie an. Faye grinste schief.
»Nein, ich will heute nach London, zu einer alten Familienfreundin. Wir haben uns lange, sehr lange nicht mehr gesehen. Wird langsam wirklich Zeit«, antwortete sie, dehnte sich noch einmal und stand dann, auf ihren Knien gestützt, auf. Kaecilius hielt sie ihre Hand hin, half ihm auf.
»Das ist ja mal was neues«, lachte er, »Dann wünsche ich dir viel Spaß.«
»Den werde ich habe«, Faye lächelte ihn kurz an, bevor sie ihr schwarzes Tuch über ihre Nase zog.
»Weißt du, du siehst jetzt irgendwie aus wie ein Ninja. Hab ich dir das schon mal gesagt? Jetzt, mit dem schwarzen Tuch? War vorher nicht so, als du noch deine alte Robe anhattest«, meinte der Mann mit dem langsam ergrauenden Haar. Es war schon irgendwie ironisch, dass Faye einige Jahre älter war als er, aber immer noch aussah wie 20. Kaecilius war fast 50, Faye bereits 6 Jahre älter. Es hatte eben auch seine Vorteile, die Gene eines Gottes in sich zu tragen. Aber es waren nicht die Gene ihres Vaters, die Faye so langlebig und jung machten, sondern die ihrer Mutter. Die Gene eines Engels und Fuchsgeistes.
»Ach wirklich?«, Faye grinste schief unter ihrem Tuch, aber Kaecilius brauchte ihren Mund nicht sehen, sah er ihr Grinsen doch in ihren Augen.
Beide drehten sich um und liefen auf die Treppen zu, die hinein in den Tempel führten.
»Oh ja, und wie. Fehlen nur noch Katana und Wurfstern«, witzelte er. Faye verdrehte die Augen, konnte aber nicht aufhören mit ihrem Grinsen. Trotzdem kassierte Kaecilius einen leichten Schlag gegen die Schulter, woraufhin er zur Seite wich und grinsend außer Reichweite ging.
»Pass auf, was du machst. Ich bin jetzt sowas wie dein Lehrer.«
»Und? Bekomme ich jetzt eine Strafe von dir, Meister?«, fragte Faye und sprang die Treppen leichtfüßig hoch. Oben verschränkte sie ihre Arme hinter ihrem Rücken und sah zu Kaecilius hinab.
»Lass mich überlegen...«, murmelte er und folgte ihr, »Wie wäre es damit, dass du mal weniger lernst und stattdessen versuchst, etwas Spaß zu haben und Freunde zu finden?«
Faye stieß leicht die Luft aus.
»Ich habe doch Freunde«, verteidigte sie sich.
»Ja, mich und Mordo. Also, wenn ich die Älteste nicht dazu zähle.«
»Ganz genau! Und mehr Freunde brauche ich auch nicht. Außerdem habe ich auch noch meine Brüder und unsere Familienfreunde.«
»Aber die siehst du hier ja alle nicht«, meinte der hochgewachsene Mann. Er überragte sie über einen Kopf, aber das störte Faye nicht. Seite an Seite liefen sie in den Tempel hinein und in Richtung der Bibliothek.
»Das macht nichts. Ich habe meine Freunde, die auf die ich mich verlassen kann. Was soll ich mit Leuten, mit denen ich keine Freundschaft will. Welche, mit denen ich nicht befreundet sein will. Ich fühle mich wohl so«, antwortete sie und zuckte mit den Schultern. Sie hatte wirklich keine Lust, sich mit den anderen Schülern anzufreunden. Sich mal zu unterhalten, zu lernen und am Unterricht teilzunehmen war ausreichend für sie.
»Na, wenn du meinst.«
»Ich brauche nicht so viele Freunde wie du«, grinste sie und sah ihn an. Er hatte in den letzten Wochen viele der Schüler um sich gescharrt, oder anders gesagt sie um ihn. Als würden sie sich so eine gute Stelle erhoffen. Sie brauchte so was nicht.
Sie betraten die Bibliothek und durchquerten sie auch rasch, liefen an den Regalen vorbei, grüßten den Bibliothekar und gingen auf das Auge von Agamotto und die drei schweren Steinforten zu, welche zu den Schutztempeln dieser Welt führten. Nach London, Hongkong und New York.
Faye ging auf die rechte Tür zu. Sie legte ihre Hand auf den rauen Stein und er verschwand, als würde er sich in Nebel auflösen. Kurz sah sie zurück zu Kaecilius.
»Nun, dann wünsche ich dir viel Spaß bei deiner Freundin. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder«, verabschiedete er sich, ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen.
»Was heißt hier ›hoffentlich?‹ Willst du weg?«, fragte sie überrascht. Kaecilius zog die Schultern leicht an und ließ sie wieder sinken.
»Ja, so in etwa. Ich werde eine Weile weg sein, wann ich wieder komme weiß ich noch nicht«, antwortete er, drehte sich winkend um und ging, »Bis bald, weißer Fuchs.«
»W-warte!«, rief Faye ihm nach, aber ihr Freund verschwand bereits durch ein Portal, welches er mit seinem Sling-Ring erschuf. Irritiert sah sie auf die Stelle wo er eben noch gestanden hat. Was sollte das mit einem Mal? Das kam ziemlich plötzlich, er hatte so etwas zuvor nie erwähnt.
Faye betrat den Londoner Tempel, Kaecilius' plötzlicher Abschied schwirrte aber trotzdem die ganze Zeit in ihrem Kopf umher. Es irritierte sie, vor allem die Frage, warum er es so plötzlich gemacht und es ihr nicht schon früher gesagt hatte. Aber sie konnte sich lange darüber den Kopf zerbrechen, es würde doch eh nichts bringen. Kaecilius hatte schon einen Grund, warum er ihr zwischen Tür und Angel erzählte, dass er für eine Weile fortging.
»Hallo?«, rief Faye als sie die Eingangshalle betrat. Stille. Sie ließ ihren Blick schweifen. Scheinbar schliefen noch alle. War ja auch nicht verwunderlich, die Sonne ging hier etwas später auf als in Kathmandu. Fayes Freundin war aber schon auf, dass wusste sie. Also machte sie sich auf den Weg und verließ den Tempel. Auf der Straße zog sie die Kapuze ihres blaugrünen Mantels über ihren Kopf. Sie begegnete kaum jemanden auf ihrem Weg, am Himmel zeigte sich schon das erste Grau zwischen dem goldbraunem Smog in der Luft. Faye fand es abartig. Sie mochte keine Städte, fand sie zu einengend, zu stickig, zu laut, zu dreckig. Kathmandu mochte sie nur wegen der schönen Tempeln, dass war aber auch schon alles. Denn dort sah man nachts ebenfalls die Sterne nicht.
Ihr Weg führte Faye in ein dörflich wirkendes Viertel von London. Aber der Schein trügte. Hier wohnten die letzten Magier und Zauberer, die noch eines der alten Handwerke verrichteten. Genau wie Fayes Freundin.
Die lange Häuserwand ließ nirgends auch nur erahnen, dass hier Leute mystischer Begabung lebten geschweige denn, dass hier irgendwo Läden waren. Faye hielt auf eines der wie Zwillinge gleichenden Häuser zu und trat ein. Das Tolle an diesen magischen Vierteln, die in jeder Großstadt zu finden waren, war das Innenleben. Von außen konnten die Häuser zu klein sein wie möglich, aber von innen waren manche wahre Paläste. Dieser Laden war wie ein Zwischending. Bücherregale ragten hier an die zehn Meter bis zur Decke, Boden und Wand waren wie die Decke aus dunklem Holz, der Geruch von Staub, altem Papier und Holz umhüllte sie. Faye zog ihn genüsslich ein, schlenderte an den Reihen entlang, ließ ihre Finger über die vielen alten Buchrücken aus Leder gleiten. Wenn sie hier war und ein Buch suchte, war sie gewiss es hier zu finden. Ihre Freundin besaß einfach jedes Buch der Welt, Bücher in jeglicher Sprache, jeglicher Schrift, aus jeglichem Land, mit jeglichem Zauber.

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Moin ^-^
Ja, ich habe es endlich geschafft. Hier ist das zweite Kapitel. Die wahrscheinlich hundertste Form davon, nachdem mein Computer meinte, alles löschen zu müssen damit ich noch mal neu anfangen kann. Schönen Dank auch. Naja, dadurch hat sich die Geschichte nach dem ersten Kapitel etwas verändern können und ich finde diese neue Entwicklung sogar schöner als die erste. Hatte also auch etwas gutes, dass ich noch mal alles neu schreiben musste :). Die Geschichte zieht sich jetzt nicht mehr so sehr bis zum ersten Treffen von Faye und Stephen so wie in meiner vorherigen Version. Ich hoffe, sie gefällt euch genauso wie mir - und verzeiht mir, dass ich nicht eher was hochgeladen habe. Bin jetzt gerade bei Kapitel 3 und 4 bei, welche ich euch hoffentlich nächstes Wochenende zeigen kann.
Das ist übrigens Fayes neue Robe, statt zu schreiben habe ich die vergangene Nacht damit verbracht ^^'. Wie findet ihr sie? Sie hat so etwas wie ein Ninja, durch ihren schwarzen Mundschutz. Hätte ich vielleicht doch weiß lassen sollen, aber daran kann ich jetzt auch nichts mehr ändert. Ich stelle ihn mir einfach als weiß vor. Würde gerne eure Meinung dazu wissen. Wollte bei den Farben nicht dieses typische grün, rot oder blau nehmen, so wie es bei vielen FanFictions von den Hauptcharakteren getragen wird. Meine eigentliche Vorstellung war ein violetter-/fliedernfarbener Mantel/Umhang mit weißer und beiger Kleidung. Daraus ist jetzt, wie ihr seht, ein blaugrüner (sieht man auf dem Bild nicht richtig) Mantel mit violett/weißer Kleidung geworden. Hatte anfangs Angst, dass sie so aussieht wie ein Papagei, aber ich bin ganz zufrieden mit ihr. Vielleicht probiere ich es nochmal mit beige/violett/weißen Farben.
Lg
~ Pike

Glasengel {Doctor Strange FF}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt