4 | In der Kirche

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Obwohl sie zurück nach Kamar-Taj wollte, blieb Faye doch noch eine Weile in London und beobachtete, wie die Stadt immer mehr erwachte. Ihre Gedanken schwebten öfter zurück zu Angelica und dem, was sie über Elias und seinem Rotkehlchen gesagt hatte. Faye wusste, Chise war schwach als Slay Vega, aber dank Elias und Angelica gab es genügend Möglichkeiten sie zu stärken. Die Magie arbeitete ständig in ihrem Körper und schwächte sie, entzog ihr ihre Kraft wodurch eine Slay Vega nie lange lebte. Damals kam Elias zu Fayes Mutter, da die Kirche und die Akademie für Zauberei und Magie ihm ständig in den Ohren lag, er solle sich endlich einen Schüler nehmen. Ihre Mutter kam dann auf Chise, die sich selbst zum Verkauf auf dem Schwarzmarkt angeboten hatte, nachdem sie von ihrer Tante verstoßen wurde. Für eine enorm hohe Summe hatte Elias sie freigekauft, zu seiner Schülerin gemacht und schließlich zu seiner Frau. Anfangs war das Verhältnis zwischen ihnen eher wie eine Vater-Tochter-Beziehung, aber es drehte sich immer mehr zu Mutter-Sohn. Elias' Unbeholfenheit in Sachen Gefühlen und Menschen machte Chise zu seiner Lehrerin. Die kleine Trauung zwischen den beiden, die nur Fayes Eltern beigewohnt hatten, war nur eine Woche vor Thors Krönung und das letzte Ereignis, dass Faye noch gut in Erinnerung hatte. Seitdem waren vier Jahre vergangen. Chise eigentliche Lebenserwartung betrug damals nur drei Jahre, es war ein Wunder dass sie noch lebte. Aber bei dem was Angelica gesagt hatte, begann die junge Frau sich doch um das Mädchen und den Knochenkopf zu sorgen. Es könnte irgendetwas passiert sein, mit Chise oder sogar Elias. Aber wäre ihm etwas zugestoßen, würde Chise sich bei Angelica melden. Bei Elias sah die ganze Sache anders aus, er gab selten Preis wie es ihm ging oder seinem Rotkelchen. Da musste man schon nachfragen. Wobei die Feengeister es immer wussten, aber auf seinen Wunsch hin ließen sie keine Nachricht nach draußen klingen.
Vor dem Londoner Tempel blieb die junge Frau stehen und ließ ihren Blick auf der Tür ruhen. Nein, sie konnte noch nicht zurück nach Kamar-Taj. Schnell drehte Faye um und eilte in Richtung der Bahn. Nein, sie wollte wissen ob bei Elias und Chise alles im Lot war. Ihr Gefühlt meinte nämlich, dass da etwas ganz und gar nicht stimmte. Danach konnte sie immer noch zurück ins Kamar-Taj und zu ihren Brüdern nach Island. Aber wenn sie schon mal hier war, konnte sie der Sache auch gleich auf den Zahn fühlen. Im Bahnhof musste sie erst mal in ihren Beutel unter ihrem Umhang nach dem richtigen Geld wühlen. Gar nicht so einfach, wenn man vier verschiedene Währungen in der Tasche hatte. Als sie das Portmonee mit dem englischen Geld zu greifen bekam, konnte sie sich eine Karte raus aufs Land aus einem der Automaten ziehen. Es war ein kleines, idyllisches Dorf in dem Elias schon seit beinah 500 Jahren zusammen mit der Silbernen, einem Hausgeist, lebte. Und seit vier Jahren war Chise die neue Hausherrin.
Auf dem Weg raus aufs Land blieb Faye an der Bahntür stehen und beobachtete die schnell vorbei rauschende Umgebung. Sie machte sich Sorgen um Chise, aber ihre Gedanken kreisten auch wieder um Kaecilius' plötzlichen Abschied. Oder war es gar kein Abschied gewesen? Es kam Faye jedenfalls wie ein Abschied vor. Warum so spontan, wieso jetzt? Wurde er vielleicht zu dem Meister von einem der drei Schutztempel? Oder wollte er mit seinem neuen Wissen und den neuen Fähigkeiten die Welt bereisen? Seufzend lehnte Faye ihren Kopf gegen das dicke Glas der Tür. Das konnte ihr jetzt relativ egal sein, sie würde schon noch erfahren was ihr Freund vorhatte. Viel wichtiger war jetzt, was mit Elias und Chise war. Es konnte alles passiert sein, aber Faye wollte sich das Schlimmste gar nicht ausmalen. Trotzdem bildete sich langsam ein Bild von einem totkranken Mädchen in ihrem Kopf. Angewidert schüttelte die junge Frau den Kopf und wollte dieses Bild vertreiben. Nein, sowas durfte sie weder denken noch in Erwägung ziehen! Noch einen Tod eines geliebten Menschen wollte sie nicht ertragen. Nicht jetzt und auch nicht in absehbarer Zeit
Schnell wandte Faye ihren Kopf wieder der schemenhaften Landschaft außerhalb des Zuges zu, aber das half ihr nicht wirklich weiter. Mit einem niedergeschlagenen Seufzen drehte sie ihren Kopf zu den Fahrgästen. Ein leichtes Schmunzeln zog sich über ihr Gesicht hinter ihrem Tuch. Für einen kurzen Moment nahmen die verschiedenen Feenwesen ihre Aufmerksamkeit in Gewahrsam, die sich unbemerkt von den Menschen zwischen ihnen bewegten. Einige lagen schlafend unter den Sitzen, andere beobachteten die Menschen mit neugierigem Interesse und wieder andere spielten einfach zwischen ihnen ohne bemerkt zu werden. In diesem Punkt bemitleidete Faye die Menschen, dass sie keines der Feenwesen sehen konnten. Die einzigen Menschen, die dazu in der Lage waren, waren die Slay Vegas. Aber die Magie in ihnen arbeitete so stark und teils sogar aggressiv, dass sie daran zerbrachen und langsam starben.
Und wieder waren Fayes Gedanken bei Chise. Natürlich könnte auch alles in Ordnung sein und die junge Frau machte sich nur grundlos Sorgen, aber sie musste sich einfach vergewissern.
Zwar bemerkten die Fahrgäste die Geister um sich herum nicht, aber sie bemerkten Faye und warfen ihr abwertende Blicke zu. Menschen waren so introvertiert, so selbst verliebt und egoistisch. Faye konnte schon verstehen, dass Elias die Menschen nicht wirklich leiden konnte. Aber Chise liebte er, sie war anders als andere Menschen. Nicht weil sie eine Slay Vega war oder Magie anwenden konnte. Ihr Handeln und Denken unterschied sich oft von dem der Menschen.
Trotzdem waren diese heimlichen und offensichtlichen Blick nervig. Es konnte den Menschen doch egal sein, wie sich Faye kleidete oder ob sie ihr Gesicht hinter einem Tuch versteckte.

Glasengel {Doctor Strange FF}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt