Dritter und vierter Lieblingsmensch

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Die gelbe Wolke schien sich schneller in Luft aufzulösen als die des älteren Herrn. Vielleicht lag es daran, dass der Wind eingesetzt hatte und um die Häuser wehte. Das Wetter hätte ungemütlicher kaum sein können, vermutlich war das der Grund dafür, dass sich so wenig Menschen draußen aufhielten.

Jimmy steuerte deshalb auf den Park zu, in der Hoffnung, dort jemandem zu begegnen. Ein paar Meter weiter traf er dann auch auf eine Menschenseele - nein, sogar auf zwei. Es handelte sich um eine junge Erwachsene und ein kleines Mädchen, die auf einer Bank saßen. Beim näheren Betrachten sah es aus als würde das Kind weinen.

»Entschuldigung?« Jimmy versuchte durch dieses Wort die Aufmerksamkeit der Frau zu erwecken. Diese richtete sofort den Blick auf ihn.

»Wer ist dein Lieblingsmensch?«, sprach er daraufhin deutlich seine Frage aus.

Der fragende Ausdruck der Frau hatte sich in einen verärgerten verwandelt. »Siehst du nicht, dass es meiner Tochter gerade nicht gut geht? Ich muss mich mit anderen Dingen be-«

»Mein Lieblingsmensch ist meine Mama.« Das Mädchen hatte aufgehört zu weinen und sah Jimmy neugierig an.

Auf dem Gesicht des Jungen machte sich ein Lächeln breit. Sie hatte als erste seine Frage nicht hinterfragt, sondern einfach eine Antwort gegeben. »Sag mir, warum ist sie dein Lieblingsmensch?«

»Weil sie meine Mama ist. Sie ist heute mit mir spielen gegangen, obwohl es so kalt ist! Und dabei habe ich mich am Arm verletzt. Aber Mama hat nicht gemeckert. Mama meckert nie.« Jetzt hatte auch ihr Schluchzen aufgehört und sie sah ihre Mutter mit großen Augen an. Diese konnte nicht anders als zu schmunzeln.

»Dann sag das doch deiner Mutter. Sie freut sich sicher, wenn du es ihr noch einmal sagst«, bat Jimmy das Mädchen, welches eifrig nickte.

»Mami, du bist mein Lieblingsmensch. Es gibt niemanden, den ich so doll lieb habe wie dich.« Ihre kurzen Arme legten sich um den Oberkörper der Mutter. »Nicht einmal Teddy.«

Ein paar Sekunden verharrten die zwei in der Umarmung, bis die Frau ihrer Tochter einen Kuss auf den Kopf gab und sagte: »Du bist auch mein Lieblingsmensch, Schatz. Auch wenn es manchmal anstrengend ist, sich ganz alleine um dich kümmern zu müssen, bin ich doch froh, dich zu haben. Es war die beste Entscheidung meines Lebens.«

Jimmy stiegen die Tränen in die Augen. Wann hatten seine Eltern ihm das letzte Mal seine Liebe gezeigt? Er konnte sich nicht erinnern.

»Wer ist denn dein Lieblingsmensch?«, fragte das Mädchen ihn nun.

Schulterzuckend antwortete er: »Ach, ich weiß nicht.«

»Bist du denn ganz alleine hier?«, schaltete sich jetzt auch ihre Mutter ein. »Wo sind denn deine Eltern? Und wo ist deine Jacke? Du bist doch sicher schon am Erfrieren!«

Das Zittern hatte Jimmy schon nahezu geschafft zu ignorieren. Erneut hob er seine Schultern und ließ sie wieder sinken.

Die Frau nahm die Antwort kaum wahr, da sie schon damit beschäftigt war, in ihrer Tasche zu kramen und einen Thermobecher herauszuholen. »Hier, da ist heißer Kakao drin. Nimm ein paar Schlucke, trink es auch ruhig aus.« Großzügig hielt sie ihm das Getränk hin.

Dankend nahm er es entgegen und setzte den Becher an seine fast blauen Lippen. Die heiße Flüssigkeit tat ihm gut. »Vielen Dank. Habt noch einen schönen Tag«, verabschiedete sich Jimmy von der Familie nach ein paar Schlucken und gab den Becher zurück.

»Du auch!«, rief das Mädchen freudig, dem man nicht im Geringsten ansehen konnte, dass es vor fünf Minuten noch geweint hatte. Das Grau war verblasst und von einer roten Wolke vertrieben worden. Zufrieden setzte sich Jimmy in Bewegung, um weitere Farben zu verteilen.

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