Chapter 9- Stechende Erinnerungen

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Niemand hatte die Ruinen seit Jahren gepflegt, denn sie waren übersät von Pflanzen und nur noch wenige standen überhaupt noch. Ryan erkannte, dass nur wenige überhaupt noch standen. Er musste sich durch die bröckeligen Überreste eines Gebäudes kämpfen, bis er an einem noch stehendem steineren Bongalow ankam, der noch einen annehmbaren Zustand hatte. Er trat die alte, hölzerne Tür auf, wobei ihm eine Staubwolke entgegenkam. Der Boden unter seinen Füßen hatte tiefe Furchen, als hätte ein Tier seine Krallen am Boden geschärft. Er fasste über die Furchen und spürte deutlich, wie tief sie waren und merkte erst jetzt, dass wiederhakenähnliche Einkerbungen in den Furchen saßen. Die Möbel wurde komplett zerstört und bis auf eine Matratze lagen nur noch lose Bretter auf dem Boden.

Er fing an die Bretter vom Bodem aufzuheben, damit er die Türe mit den Besten verstärken konnte. Erst, als er sich sicher war, dass die Türe ausreichend Verstärkung abbekommen hatte, setzte er sich auf die Matratze und lehnte sich gegen die Wand. Die Eindrücke des Tages schossen nur so auf ihn ein, doch der Kuss mit Karlia drückte sich vor sein inneres Auge. Ein Grinsen schlich sich langsam auf sein Gesicht, bei dem Gedanken, wieder mit ihren weichen Haaren zu spielen, diese schönen Augen anzuschauen und diese sanften Lippen zu spüren. Sein Kopf sackte langsam gegen die kalte Wand und er spürte die Erschöpfung, die sich vorsichtig jeden Teil seines Körpers annahm. Die Welt verstummte zunehmend um ihn und er spürte, dass die Welt des Schlafes ihn aus der grausamen Realität riss.
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Als Ryan seine Augen öffnete stand der blonde Knabe vor ihm und studierte ihn genauestens. Erst jetzt erkannte er, dass die Augen des Kindes blutunterlaufen waren, aber immernoch eine gewisse Kindlichkeit besaßen, die er schon vor so vielen Jahren verloren hatte.
"Du bist eindeutig stärker als gedacht, doch bist du auch stark genug, um den Rest dieser Insel zu besiegen?"
Er drückte sich langsam an der Wand hoch und sah sich im Raum um, woraufhin er erkannte, dass nicht viel Zeit vergangen sein musste, da das meiste von dem Blut noch nicht vertrocknet war. Das Kind starrte ihn an, als würde es auf eine Antwort von Ryan warten.
"Ich weiß nicht einmal, was mich moch erwartet. Also, wie soll ich dir sagen, dass ich genügend Kraft besitze, diese Insel zu bezwingen? Sag mir die erste Bestie, welche ich bekämpfen sollte, damit ich einen guten Eindruck bekomme, von dem, was mir hier entgegenkommt."

Die langen Haare des Jungen verdeckten das Gesicht des Jungen und seine Stimme klang plötzlich sehr rau und alt, als würde sie nicht diesem Jugendlichen, sondern einem sehr alten Mann gehören:" Du musst dich Azrael entgegenstellen, doch sei gefasst auf seine Erscheinung, denn sie wird dir sehr bekannt vorkommen. Azrael zu besiegen wird dir helfen Memoria zu bezwingen, das heißt: Diese Insel zu überwinden. Um ihn zu finden, musst du zur alten Fabrik nördlich von ihr gehen. Nimm meine doppelläufige Flinte, die Munition und das hier" er drückte Ryan eine umschnallbare Schwertscheide in die Hand". Ach ja, bitte vergiss uns nicht wieder. Wir sind die Verlorenen; die Toten, die dir etwas schulden ." Langsam sackte der Körper des Kindes gegen Ryan und er musste schnell reagieren, damit das er nicht zu Boden fiel. Er war vor Erschöpfung eingeschlafen, doch man sah eine gewisse Ruhe auf seinem vernarbtem Gesicht, so als hätte er jede Sorge verloren.
Ryan legte ihn sanft zu Boden,packte sein Schwert und die Flinte. Sein Blick fiel zu dem zerstörten Fenster, nur um von einer klaren, wolkenlosen Nacht begrüßt zu werden. Keine einzige Wolke bedeckte den blutroten Mond, der ein gedämpftes Licht auf die Erde warf und somit eine ruhige Atmosphäre erschaffte. Er genoß diese Ruhe, aber seine Gedanken schweiften immer wieder zu Azrael. Wer war er? War er eine Bestie? Ein Monster? Oder vielleicht ein Mensch?

Er stieg auf die bröcklige Fensterbank, ließ sich nach vorne fliegen und breitete sein Flügel aus, nur um den Luftwiderstand unter seinen breiten Schwingen zu spüren. Ein dumpfer Aufprall war das Einzige, was man hörte, als er mit seinen Füßen am Boden landete. Die Straße war komplett leer gefegt und man konnte vereinzelte Schatten durch die Gegend huschen sehen, die sich aber nicht weiter für ihn interessierten.

Memoria war eine kleine Stadt, aber trotzdem groß genug, um sich zu verlaufen. Sie hatte den Anschein vergessen worden zu sein, doch man hätte sie mit wenig Mühe wieder zum florieren gebracht.
Die Fabrik war nur wenige Meter von dem Haus entfernt und Ryan spürte förmlich die Bedrohung, die von ihr ausging, doch nichts konnte ihn jetzt noch aufhalten, denn er hatte nichts mehr zu verlieren, da er nie etwas hatte. Sie war kaum zerfallen und man konnte meinen, dass sie immer noch in Betrieb war, da kleine Rauchschwaden aus den finsteren Schornsteinen emporstieg.
Warum zeigte Memoria sich ihm gerade jetzt wieder, in einer Zeit der Dunkelheit? Gerade jetzt, als er kurz davor war zu sterben? Sollte er eine Lehre aus dem Kampf mit ihr ziehen? Aus ihr stärker werden? Er wusste es nicht und daher besonn er sich lieber zu seiner Aufgabe.

Ryan machte sich langsam auf den Weg und kam dem Gebäude schleppend langsam näher. Die Schrotflinte lag schwer in seinen Händen und er packte sie immer stärker, je kürzer die Distanz wurde. Die alten Mauern der Fabrik gaben einen seltsame Aura ab, als wäre sie Ryan bekannt, doch wiedermals wusste er nicht, woher sie ihm bekannt war.  Was hatte dies mit Azrael zu tun?

Er suchte die Seiten ab, bis er eine alte, rostige Tür vorfand, die er mit ein wenig Gewalt aufbrechen konnte und eine gigantische Lagerhalle zum Vorschein. Er setzte einige Schritte hinein und wurde überrascht als die Türe laut krachend hinter ihm ins Schloss fiel. Die Türe ließ trotz größter Gewalteinwirkung nicht öffnen und Ryan gab schließlich auf. Die Lagerhalle war komplett leer gefegt und bis auf ein paar einzelne Regale konnte er nichts besonderes erkennen.
Leises Quietschen richtete seine Aufmerksamkeit auf eine dunkle Ecke der Halle, aus der schwerfällige Schritte zu hören waren. Ein gewaltiger Mann trat aus der Dunkelheit und starrte Ryan kampflustig an. Zerfetzte Armeekleidung hing ihm von den Schultern, sodass Ryan tiefe Narben an der linken Schulter erkennen konnte. Er hatte eine leicht gebräunte Gesichtshaut, die jedoch von Brandnarben verschandelt war, die alt und verblichen aussahen.
Seine Stimme hatte einen rauen Unterton, als hätte er jahrelang geraucht: "Ryan, wie schön ist es dich hier wieder zu sehen! Dein Besuch war komplett unerwartet, doch ich freue mich natürlich, dich hier zu sehen."Ryan konnte seinen Sarkasmus schon fast schmecken und sah ihn genervt an.

"Willkommen in Memoria, die Welt der vergessenen Dinge, Taten und Menschen. Ich bin Azrael, der Wächter dieser Insel, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese Erinnerungen zu schützen. Die Verlorenen hast du wahrscheinlich schon kennengelernt, doch ich geb dir den ehrlichen Rat: Hör nicht auf sie! Sie wollen mich davon abhalten alles zu schützen, was es zum beschützen gibt, doch wenn ich mir dein Mimik so ansehe, dann traust du mir nicht. Schade eigentlich, denn es ist nicht mein Bedürfnis mit dir zu kämpfen. Genieß doch diese schöne Stille in dieser Halle, dann brauchst du dich nicht mit diesen Monstern nicht rumschlagen. "
Azraels gesamte Ausstrahlung erschien Ryan von vorne bis hinten falsch, da er sich bewegte, als wäre er diesen Körper nicht gewöhnt; als wäre es lediglich eine Hülle.
Ryan zückte seine Waffe und richtete den Lauf auf Azrael, der ruckartig stehen blieb.
"Das ist nicht dein Körper. Wer und was bist du wirklich?! Die Toten sind Kinder, deren Augen noch voller Hoffnung strahlen, also warum sollten sie lügen? Sie haben keinen Grund, im Gegensatz zu dir, denn du sagst, dass du der Hüter dieser Welt seiest und ich bin sogesehen ein Eindringling in deine heile Macht, die du dir anscheinend erbaut hast."
Azraels Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Fratze und er blickte Ryan wütend an, bevor er Schwung holte und Ryan durch den halben Raum katapultierte, sodass dieser mehrer Meter durch die Luft flog, bevor er am Boden entlangeschlief und letztendlich flach liegen blieb. Als er sich ächzend wieder aufrichtete, erblickte er, dass Azrael in der Mitte des Raums stand und sein gesamter rechter Arm von einer mantelartigen Schicht aus Blitzen umgeben war.  Ryan wusste nun, dass er diesen Kampf bestehen müsste, alleine um zu überleben.

Dunkelheit: Im Schatten der Freiheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt