3. Kapitel- Dann eben zu zweit

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Ich wachte erschreckend früh auf und war sofort putzmunter. Oft passierte mir das wahrlich nicht, und wenn dann nur kurz vor einem Fall. Schnell zog ich mir meinen Morgenmantel über den Schlafanzug und lief die Treppen hinunter. Es war zwar noch früh, aber wir durften nicht wieder zu spät loskommen, da es ratsam war sich vor dem Erscheinen der Geister wenigstens einen groben Überblick von der fremden Umgebung zu machen. In der Küche angekommen musste ich feststellen, dass meine beiden Kollegen anscheinend noch schliefen. Ich beschloss schon einmal Brötchen zu holen und sie danach zu wecken. Eigentlich war George für so etwas zuständig, aber er hatte gestern einen schweren Tag gehabt und war vermutlich nicht böse, wenn ich das heute übernahm. Schnell schrieb ich den beiden eine kurze Nachricht auf unserer weises Tuch und ging dann aus dem Haus. Zwanzig Minuten später schloss ich die Haustür wieder auf und stellte die Brötchen auf den Küchentisch. Mittlerweile war sogar Lockwood aufgestanden und hatte begonnen den Tisch zu decken.
"Morgen, Luce."
Er lächlte mich freundlich an und ich erwiederte es glücklich. "Ist George noch nicht wach?", fragte ich nachdenklich auf die Uhr sehend.
"Es scheint so. Ich wollte ihn gleich wecken gehen."
"Ist gut, dann decke ich weiter den Tisch.", sagte ich und machte mich gleich an die Arbeit.
Ein paar Augenblicke später hörte ich Lockwood meinen Namen rufen. Es klang nicht sehr begeistert. Schlimmes ahnend rannte ich die Treppe hoch und sah sofort Lockwood, der im Flur vor Georges' Zimmer stand.
"Was ist denn?", fragte ich vorsichtig. Man weiß ja nie, was ich wieder ausgefressen haben könnte.
"Ich fürchte wir können George heute nicht mit einplanen.", sagte Lockwood und betrat mit mir das Zimmer unseres Kollegen. Kurz gesagt: Es war kein schöner Anblick. Unser armer Freund lag in seinem Bett und schaute uns mitleiderregend entgegen. Sein Gesicht war leicht grünlich und seine Stirn leicht feucht. Eigentlich wäre ich jetzt wieder rückwerts aus dem Zimmer marschiert, um nicht auch krank zu werden, aber ich sollte lieber mit gutem Beispiel vorangehen, für den Fall, dass ich einmal ihre Unterstützung bräuchte.
"Oh Mann.", stöhnte ich.
"Sag sowas nicht, ich bin gesund.", kam es von dem, vor sich hin vegetierenden etwas namens George Cubbins.
"Das sehen wir. Kannst du überhaupt aufstehen?", fragte Lockwood und musterte ihn skeptisch.
Um das Ganze ein wenig zu kürzen (die Diskussion ging bestimmt eine halbe Stunde) George war nicht in der Lage an der Geisteraustreibung heute Abend teilzunehmen. Lockwood und ich machten keinen großen Hehl daraus, aber für George schien es ein unglaubliches Problem zu sein. Wir erklärten ihm zwar, dass es ja vermutlich nicht einmal einen Geist gab, aber er ließ sich nur sehr langsam und unter Bestechungen mit frischem Toast überreden zuhause zu bleiben. Das war vermutlich das beste so, da seine Nieser sogar den ältesten und taubsten Geist aus dem Jenseits geholt hätten. Am Ende hatte Lockwood mehr als eindeutig gesagt, dass wir das schon schaffen würden und einfach beschlossen mit der Arbeit zu beginnen.
Für die Fahrt genehmigten wir uns ein Taxi, das uns und unsere Taschen bis vor das alte Weisenhaus brachte. George hatte recht gehabt, es sah wirklich grauenhaft aus. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, ware ich lieber in Annie Wards Haus gezogen, als in dieses Kinderheim.
Lockwood war natürlich wieder einmal der Opptimismus in Person.
"Alles klar, Luce?", fragte er grinselnd und nahm die schwerere der beiden Taschen und stiefelte die kleine Anhöhe bis zu dem Anwesen hinauf. Seufzend folgte ich ihm und schleppte meine Taschen bis zur Eingangstür, vor der wir wie angewurzelt stehen blieben.

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