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Am nächsten Morgen ging Kjartan früher zur Schule als notwendig gewesen wäre, er wollte den anderen aus dem Weg gehen. Alister, der auch immer sehr früh da war, kam kurz nach ihm.
„Was machst du denn schon hier?", fragte er.
Kjartan zuckte nur mit den Schultern und murrte ein Hallo.
„Hey, dir geht es nicht gut. Was ist passiert?"
Kjartan hätte ihm so, so gern alles erzählt. Er hasste es ihn anlügen zu müssen. Alister merkte immer, wenn Kjartan nicht die Wahrheit sagte und trotzdem widersprach er nicht. Kjartan wusste das und er fühlte sich immer schlecht, wann immer er darüber nachdachte. Seine Familie vertraute ihm nicht mehr, was hatte Kjartan falsch gemacht, dass sie ihm nicht mehr vertrauten? Alister hielt zu ihm, aber was wenn Kjartan den gleichen Fehler machte, der seine Familie anscheinend verletzt hatte? Vielleicht sollte er es ihm jetzt lieber erzählen. Bestimmt hatte Mikael das fehlende vertrauen auf Kjartans Seite bemerkt und reagierte daher nur angemessen. Wenn er Alister sein größtes Geheimnis verriet, würde der wissen, dass Kjartan ihm voll und ganz vertraute.
„Alister?", fragte der Jüngere vorsichtig.
„Ja?"
„Ich-", Kjartan stockte. Egal wie sehr er Alister alles erzählen wollte, er konnte seine Familie nicht der Öffentlichkeit ausliefern. Selbst wenn Alister nichts weiter erzählte, könnte er als möglicher Zeuge dienen, sollten sie wirklich einmal erwischt wurden. Oder andere könnten sie belauschen. Kjartan würde alle in Gefahr bringen, also verließ kein weiteres Wort seinen Mund.
„Was ist, Kjartan?"
Angesprochener schüttelte den Kopf, vielleicht konnte er Alister nicht alles erzählen, aber ein bisschen, „Ich habe-", er stockte wieder, „Kann ich heute zu dir kommen? Ich will nicht hier darüber sprechen."
Alister sah ihn ernst an, nickte dann aber, „Solange du endlich mit mir redest."
„Versprochen.", schwor Kjartan.
Alister achtete diesen Tag besonders darauf, was Kjartan tat. Auch an anderen Tagen war Alister der eigentliche Grund weshalb Kjartan etwas aß, zum Unterricht ging und sich in den Pausen nicht auf der Toilette versteckte. Warum Kjartan das nicht alleine schaffte, war eine Mischung aus allgemeiner Ablehnung von anderen und seiner Schüchternheit. Bevor Alister an die Schule kam, war Kjartan sehr einsam. Er machte sich nicht die Mühe und hat sogar oft Angst davor mit anderen zu sprechen, die ihn deshalb als asozial abstempelten. Alister hatte irgendwie einen Gefallen an ihm gefunden und interessierte sich nicht für die meisten anderen Menschen. Inzwischen war er zwar der beliebteste Schüler überhaupt, doch das hielt ihn nicht davon ab seinen ganzen Tag mit Kjartan zu verbringen. Er kümmerte sich manchmal ein bisschen zu fürsorglich um seinen besten Freund, aber Alister wollte nur verhindern, dass Kjartan Opfer von Mobbing wurde. Solange er mit dem beliebtesten Schüler befreundet war, würde sich niemand an ihn wagen. Und weil Alister wusste, dass Kjartan wegen irgendetwas bedrückt war, konnte er nicht anders als ihn die ganze Zeit zu beobachten. Auch auf dem Weg zu Alisters Haus beobachtete er den Blonden.
„Hör auf zu starren.", sagte Kjartan, er war ein wenig rot um die Nase.
„Tut mir leid, aber deine Schönheit muss bewundert werden."
„Idiot", murmelte Kjartan, aber er wirkte deutlich entspannter. Alister machte ihm häufig Komplimente, meistens auch Übertriebene, aber es fühlte sich ja doch gut an. Den Rest des Weges waren sie still, bis sie vor Alisters kleiner Wohnung ankamen.
„Weiß dein Vater, dass ich komme?", fragte Kjartan misstrauisch.
„Nein, aber du weißt doch wie er ist. Es stört ihn nicht.", nachdem Alister aufgeschlossen hatte, rief er in die Wohnung: „I'm back home, dad! Kjartan's with me. It ain't a problem, right?"
„Alright! But don't be too loud. Do his parents know?"
„Yes, of course. We ain't stupid, man!"
„Kann dein Vater immer noch kein Deutsch?", fragte Kjartan.
„Nop. Er will sich die Mühe nicht machen und auf seiner Arbeit braucht er es ja auch nicht. Also was ist jetzt?"
Kjartan blieb stumm, bis er auf Alisters Bett saß und eines seiner Kissen als seelische Unterstützung nutzen konnte. Alister saß auf seinem Schreibtischstuhl und sah ihn abwartend an.
„Ich habe dich angelogen, na ja irgendwie, aber zumindest habe ich etwas vor dir verheimlicht.", platzte Kjartan an.
Alister blinzelte verwirrt, „Was?"
Er seufzte, bevor er fortfuhr, „Eigentlich die ganze Zeit. Es geht um meine...Eltern."
Pause. Alister hob eine Augenbraue.
„Ich wohne nicht bei meinen Eltern. Mein Bruder ist meine Sorgeberechtigter. Ich wohne bei ihm und seiner Freundin und deren Cousin und Freundin."
„Warum? Was ist mit deinen Eltern?", fragte Alister ganz ruhig.
„Es ist schwierig. Ich bin zehn Jahre jünger als mein Bruder. Meine Eltern haben eine Zeit lang glücklich mit ihm zusammen gelebt, aber...", Kjartan pausierte. Wie konnte er das jetzt erklären, ohne gleich alles zu erzählen?
„Mein Bruder hat eine...Behinderung von seinem Vater geerbt.", es war komisch so über die Superkräfte seines Bruders zu reden, jedoch war das die Sicht, die seine Mutter auf die Dinge hatte.
„Dad hatte unserer Mutter versprochen alles zu tun um sie zu verstecken, weil sie es so sehr störte. Aber das konnten sie schlecht meinem Bruder erklären und meine Mutter war so sauer, das er es überhaupt hatte. Als sie abgehauen ist, war Mikael neun, und sie zog von Deutschland nach Australien gezogen. Sie wollte so weit weg wie möglich von ihnen. Hat es als eine Schande angesehen, mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden. Allerdings...sie war schwanger. Damals wusste sie es nicht und als sie es herausgefunden hatte, war sie geschockt, trotzdem hat sie beschlossen mich zu gebären. Zuerst war alles in Ordnung, ich hatte keine Ahnung, dass ich einen Bruder hatte und habe keine Anzeichen von dieser Behinderung gezeigt." , ohne es zu wissen, hatte Kjartan angefangen zu weinen. Alister setzte sich neben ihn aufs Bett und nahm ihn in den Arm. Das machte es umso schlimmer, dass Kjartan den letzten Teil halb log, „Aber dann, ich weiß gar nicht warum. Plötzlich fand sie alles schrecklich, was mit ihrem Ex-Mann zu tun hatte.", Kjartan brach ab und weinte und weinte.
„Wie alt warst du?", fragte er sanft.
„Se-sechs."
„Was hat sie gemacht?"
„Sie ist wieder abgehauen. Ich habe keine Ahnung, wo sie heute ist. Man hat mich in unserem Haus gefunden. Irgendwie haben sie meinen Bruder kontaktiert. Unser Vater war inzwischen gestorben, aber Mikael hat sich um mich gekümmert. E-er hat sei-seine Schule abgebrochen, um uns ernähren zu können. U-und sei-seine Freunde...", mehr brachte Kjartan nicht mehr heraus. Er schluchzte nur noch unkontrolliert und weinte Alisters T-Shirt voll. Er hatte nicht mal mehr die Kraft darüber nachzudenken, wie peinlich er das fand.
„Ge-gestern wa-war der Tag an dem...an dem sie we-weg gegangen i-ist."
Alister blieb erst stumm und streichelte seinen Rücken, aber dann sprach er trotzdem.
„Ich mache dir keine Vorwürfe, weißt du? Ich hätte es vielleicht auch nicht gleich erzählt.", mehr nicht. Er fragte nicht, was das für eine „Behinderung" war. Er wollte nicht wissen ob Kjartan das auch hatte. Er war einfach nur für ihn da.
Eine Zeit lang herrschte Sille, nur durch Kjartans Schluchzer durchbrochen. Dann hob Alister noch einmal die Stimme, „Wirst du mir ab jetzt alles erzählen, was dich beschäftigt?"
Kjartan stockte und sah seinen besten Freund geschockt an. Er biss sich auf die Lippe und schüttelte langsam den Kopf.
Alister seufzte, offensichtlich nicht zufrieden mit der Antwort, versicherte Kjartan aber trotzdem: „Ist okay. Aber kannst du mir zumindest einfach sagen, wenn du mir etwas nicht erzählst?"
Kjartan nickte. „Danke", hauchte er leise.
Alister kicherte, „Zumindest weiß ich jetzt, warum du so komisch Englisch sprichst."
„Sehr witzig.", meinte Kjartan und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab.
„Willst du...was essen?", fragte Alister, „Oder vielleicht zocken?"
„Können wir nicht beides machen?"
„Du hast das Kommando.", grinste Alister, „Ich frage Dad nur kurz, ob wir Pizza bestellen können."
Alister verstand es wirklich Kjartan wieder aufzumuntern. Sie sprachen nicht weiter darüber und beide benahmen sich so wie immer. Selbstam Abend lag Kjartan noch wach im Bett und konnte nur daran denken, wie dankbarer Alister war. Und das war der Tag, an dem Kjartan bewusst wurde, dass er sich in Alister verliebt hatte.

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Da habt ihr euer versprochenes Yaoi. Na ja...sort of.

Ich weiß nicht, ob ich hier die Übersetzung für das Englische hinschreiben soll. Wenn es jemand braucht, sagt mir einfach bescheid! Und wer schon mal Australier Englisch sprechen gehört hat, wird verstehen, was ich mit komisch meine. Es ist unmöglich zu verstehen! Ich weiß nicht mal, ob sie einfach zu schnell oder undeutlich reden, aber argh! Ist ja auch egal. Kritik und Lob wie immer willkommen.

Tilia out!

Das Feuer und Eis in Mir #WordsAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt