Eine hohe weibliche Stimme hatte geschrien, und ganz sicher in ihrer Nähe. Die beiden Jungen sahen sich geschockt an und rannten zu der Stelle, wo sie die Frau vermuteten. Etwas tiefer im Park fanden sie sie dann. Ein Mann hockte vor einer kleinen, auf dem Boden liegenden Gestalt, neben ihm stand die Frau, die geschrien haben musste. Ihr verängstigter Blick war auf eine Person vor ihnen gerichtet. In dunkle Kutten gehüllt stand dort eine Person, deren Kopf vollkommen in Flammen gehüllt war. Kjartan hätte sich fast verschluckt, als er seinen Kopf zu ihnen drehte und sie gehässig angrinste.
„Neues Publikum!", sagte er freudig, „Ich hoffe ihr habt schon von mir gehört. Ich bin der Feuerkopf!"
Kjartan und Alister sahen sich geschockt an. Warum auch immer, aber Kjartan wusste in diesem Moment, dass Alister ihn schon lange enttarnt hatte. Es war die Art wie er ihn mit purem Entsetztem ansah.
Der „Feuerkopf" bemerkte nichts davon, „Meine Lieben, wollt ihr auch eine kleine Feuershow sehen?"
„Nein!", schrie plötzlich die Frau, „Er wird euch verbrennen. Mein Sohn", sie deutete auf die kleine Gestalt, die der Mann inzwischen auf den Armen trug, „Er hat meinen Sohn angegriffen!"
„Aber, aber, Meine Dame. Er ist lediglich zu nah ans Feuer gegangen. Ihr seid doch sicher nicht so dumm und tut das auch, richtig?", fragte er wieder zu Alister und Kjartan gewandt.
Die ignorierten ihn.
„Alister, bitte hör auf mich. Lauf und hol Hilfe. Einen Krankenwagen, meine Familie. Aber bleib weg.", sagte Kjartan so eindringlich und überzeugt, dass Alister nur schwachen Widerstand leistete: „Ich kann dich doch nicht hier lassen."
„Hey, über was redet ihr da? Es ist nicht höfflich andere zu ignorieren!", rief der flammende Mann.
Kjartan kümmerte sich herzlich wenig darum, diesmal war es nicht Angst, die ihn steuerte, sondern der Wille andere zu beschützen. Er hatte das noch nie zuvor verspürt, aber er wusste, dass es nicht Hitze, aber dafür Kälte brachte.
„Alister. Ich kann ihn für eine kurze Zeit beschäftigen. Du musst dich einfach nur beeilen, dann passiert niemandem etwas."
Er nickte. Bevor er aber ging, nahm er kurz Kjartans Hand in seine und drückte sie.
„Ich vertrau dir.", sagte er leise, dann lief er zur Straße.
„Bleib hier!", rief der Übeltäter des ganzen Chaos.
Er machte eine Bewegung, die andeuten ließ, dass er einen Feuerball nach Alister werfen wollte. Doch bevor die Flammen auch nur seine Hand verließen, wurden sie von einem Schwall Wasser gelöscht.
Kjartan war überrascht von sich selbst, er hatte noch nie so viel Wasser auf einmal aus der Luft holen können, geschweige denn aus dem Stegreif.
„Oho, du bist also auch ein Übermensch, ja?", lachte der Mann, der sich ohne es zu wissen als Kjartan ausgab, „Warum kämpfst du gegen mich? Wir könnten zusammen die ganze Stadt unterwerfen."
„Spinnst du? Warum sollte ich das wollen?!", schrie ihm Kjartan ins Gesicht, „Lass sie gehen!", er deutete auf die kleine Familie mit dem verletzten Kind.
„Nein, nein. Die bleiben hier. Wir Übermenschen dürfen uns nicht länger von der Gesellschaft einsperren lassen. Wir sind zu Höherem geboren! Sie sollen uns sehen! Sie alle sollen sehen, wie wunderschön mein Feuer ist."
Kjartan interessierte sich nicht für das Gerede seines Gegners, aber als er ihm zuhörte traf ihn die Erkenntnis. Dieser Mann beherrschte Feuer, aber nur Feuer. Mit dem Ehrgeiz, den er an den Tag legte, hätte er längst kein Feuer mehr halten können, wenn er die gleichen Kräfte gehabt hätte wie Kjartan. Aber das tat er nicht, und er dachte auch nicht, dass Kjartan sie hatte. Der Feuermann wusste, dass Kjartan Wasser kontrollieren konnte, mehr nicht. Fast hätte Kjartan gelacht, er war im Vorteil. Er wusste etwas, was sein Gegner nicht wusste.
„Noch einmal", sagte Kjartan seltsam ruhig und selbstbewusst, „Lass sie gehen oder ich werde dich angreifen."
„Ach wirklich?", lachte der Andere, der offenbar kapiert hatte, das Kjartan kein Interesse an einer Unterhaltung hatte, „Dein bisschen Wasser hat keine Chance gegen ein großes Feuer wie meines, Kleiner. Das gerade war doch nur eine Aufwärmübung. Du bist mir unterlegen."
„Ach ja? Ab wie viel Grad kann ein Feuer denn brennen?", fragte Kjartan mehr als Scherz. Er wusste die Antwort.
Der Feuermann wirkte ziemlich verdattert, mit so einer Frage hatte er bestimmt nicht gerechnet, „Was willst du von mir? Feuer kann bis zu null Kelvin brennen."
„Falsch", grinste Kjartan, „Zumindest teilweise. In Extremfällen, bei besonders starken Energiequellen, geht das. Aber dein Feuer funktioniert anders. Du kannst lediglich Luft erhitzen und dann einen Funken zünden. Sobald es kälter als, sagen wir mal, minus zehn Grad wird, kannst du dein Feuer nur noch schwerlich halten."
„Wo-woher weißt du das?!"
„Gut geraten, so funktioniert es bei mir."
„Bei...dir? Du kannst auch...?"
Ohne länger darüber nachzudenken, ließ Kjartan seine Hand entflammen, „Ganz genau, ich kann auch.", er ließ das Feuer wieder verschwinden. Es hätte sowieso nicht lange gehalten. Sein Ehrgeiz und Beschützerdrang ließ die Wut überwiegen. Zum ersten Mal in seinem Leben merkte er das sein Selbstbewusstsein seine Unsicherheit überwog.
„Also lass sie jetzt gehen, das ist meine letzte Warnung."
Der angebliche Feuerkopf gewann seine Fassung wieder, „Nein!"
Eine riesige Feuerwand erschien, die die drei Parteien von einander abschnitt. Langsam kam sie näher und kesselte Kjartan, sowie die kleine Familie ein. Verängstigt hielt sich die Frau an ihrem Mann fest, der noch immer ihren ohnmächtigen Sohn in den Armen hielt. Auch Kjartan spürte Angst in sich aufsteigen. Er versuchte sie zu unterdrücken, wieder Selbstbewusstsein zu gewinnen um das Feuer löschen zu können. Aber der Adrenalinrausch, der ihn bis gerade durchflutet hatte, war abgestorben. Statt der Kälte, die er sich wünschte, wurde es nur noch heißer.
Kjartan versuchte tief zu atmen, aber der Rauch schien seine Lungen zu verstopfen. Vielleicht konnte er nicht verbrennen, aber er konnte ersticken. Seine Feuer hatten noch nie Rauch mit sich gebracht, aber jetzt war der überall. Panik begann Kjartan zu durchströmen. Musste er hier sterben? Was hatte er sich dabei gedacht?
Ich vertraue dir, klangen Alisters Worte in seinem Kopf nach. Nicht nur Alister, sondern auch diese Familie vertrauten ihm. Er kämpfte sich durch die Flammen zu der kleinen verängstigten Familie. Als er vor ihnen stand, sammelte er ein letztes Mal alles seine Kräfte. Obwohl blanke Panik seine Sinne vernebelte, ließ er Wasser aus der Luft entstehen und gefror es zu einer großen Eiskuppel, die die Familie vom Feuer trennte. Das letzte, an das sich Kjartan erinnern konnte, war das er zu der Frau sagte: „Sie wird halten.", dann musste er in Ohnmacht gefallen sein.Wer auch immer sich das ausgedacht hat, dachte Alister als er die Nummer wählte, ist ein Genie. Das war die sinnvollste Variante Superhelden Bescheid zu geben, die je erfunden wurde. Ganz einfach eine Telefonnummer, die jeder immer anrufen konnte. Das Telefonat lief so ab, wie man es sich bei der Feuerwehr oder dem Krankenwagen vorstellte. Nur mit einem Stimmenverzehrer. Alister hatte keine Ahnung mit wem aus Kjartans Familie er gesprochen hatte. Aber er hatte die Angst in ihrer Stimme erkannt. Alister hatte seinen Namen genannt und sie mussten wissen, dass wenn er anrief, Kjartan in Gefahr war. Alister wusste das auch, und nachdem er auch einen Krankenwagen verständigt hatte, zog er in Erwägung zurück zu laufen. Aber was hätte er schon tun können? Bestimmt nicht viel. Er konnte nur hier warten, und hoffen, dass Kjartan wirklich alles unter Kontrolle hatte. Natürlich vertraute Alister Kjartans, aber er hatte trotzdem Angst. Angst, dass Kjartan der Situation eben nicht gewachsen war. Bestimmt fünf Minuten lang konnte er nichts tun außer auf das Skim-Quartett zu warten. Und dann kamen sie. Kiki, es musste Kiki sein, trug alle anderen und lief schneller als ein Mensch hätte laufen sollen.
Als sie am Park ankamen, sprangen sie ab und Mikael lief sofort auf Alister zu.
„Wo?", fragte er bestimmt. Seine Stimme ließ keine Widerrede zu, selbst wenn Alister einen Grund dazu gehabt hätte. Stattdessen sagte er ihnen ihm zu folgen und führte sie auf den Platz zu. Selbst als sie noch weit weg waren, hörte er Ester sagen: „Feuer, da ist ein großes Feuer."
Sie begannen zu sprinten, Kiki vorneweg. Als sie Kiki eingeholt hatten, blickte sie auf ein Inferno. Kjartan ist da drin, dachte Alister auf einmal ging es schneller als Alister die Situation erfassen konnte. Ester befahl ihm die Feuerwehr zu rufen, was er sofort tat. Plötzlich waren überall Sirenen und Feuer. Jemand sagte ihm, er solle weggehen und er gehorchte wieder. Er wurde von einer Krankenpflegerin weggeführt und bekam nichts mehr mit. Es machte ihn wütend, er wollte wissen, was vor sich ging. Alister wollte wissen, wie es Kjartan ging! Vor weniger als einer halben Stunde war alles in Ordnung, niemand musste um sein Leben fürchten. Alister wollte nur endlich reinen Tisch mit Kjartan machen, ihm seine Gefühle gestehen. Und jetzt waren sie hier? Er wusste nicht mal, ob Kjartan überhaupt noch lebte.
Alister hatte überhaupt kein Gefühl dafür, wie viel Zeit vergangen war, als die Frau und der Mann, die sie vorhin schon gesehen hatten, weggeführt wurden. Es musste eine Ewigkeit gewesen sein oder zumindest hatte er sich schon fünf Szenarien ausgedenken können, wie Kjartan gestorben sein könnte. Alister wollte aufspringen und die Erwachsenen fragen was passiert war, wie es Kjartan ging, aber seine Aufpasserin hielt ihn fest. Alister musste weiter warten. Kurz darauf wurde das Kind in einem der Krankenwägen abgefahren, seine Eltern kamen mit und Alister war wieder allein. Ganz allein, dabei waren überall Menschen. Er konnte nicht einmal in Worte fassen, wie er sich fühlte. Verwirrt? Ja, aber gleichzeitig wusste er doch, was passierte. Ängstlich? Underestimated. Vielleicht fühlte er auch gar nicht.
Aber dann kam die Erlössung, die ihm unfassbare Angst machte. Kjartan wurde gebracht.--------------------------------------------------------------------------------------
Heute ein kürzeres Kapitel, aber sonst würde das morgen viiieel zu lang werden. Ich hoffe ihr verzeiht mir. Dafür ist es das aktionreichste Kapitel, wahrscheinlich. Ich weiß nicht so genau, was denkt ihr?
Tilia out!
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Das Feuer und Eis in Mir #WordsAward2018
ParanormaleNichts an Kjartans Leben war super. Seine Familie nicht, seine Schule nicht, sein Aussehen und seine Kräfte auch nicht. Warum nennt man sie also "Superkräfte", wenn sie sein Leben nur schlechter machten? Er hätte sie liebend gerne wieder gegen ein L...