Ein Tag jenseits der Zeit

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Es war noch früh am Morgen, als Luna erwachte. Sie stieg langsam aus dem Bett und öffnete weit die Fenster ihres Schlafgemachs.Es war ein Tag jenseits der Zeit. Alles schien so weit weg, wie aus einem anderen, fernen Leben. Ein sturmgrauer Himmel hing über dem Land. Hektisch zogen die Wolken über sie hinweg. Gierig sog sie die frische Luft, die der Wind mit sich brachte, in sich hinein. Die Schwüle und Hitze des Vortages hatte der Wind hinweg getragen, so wie die Zeit sie hinweg getragen hatte, in ein anderes, neues Leben. Weg von dem Krieg, weg von all dem Tod, und vor allem weg von Voldemort.

Eine längst vergessene Glückseligkeit keimte ganz langsam, wie eine kleine, zarte Knospe in ihrem Inneren auf. Sie setzte sich aufs Fensterbrett, lehnte sich an die kühle Steinwand zurück und sah auf das vom Wind gepeitschte Land vor sich. Der Wind hatte mittlerweile an Intensität zugenommen und wehte ihr durchs Haar. Die Baumwipfel des verbotenen Waldes tanzten im Wind hin und her. Ihr Blick schweifte in die Ferne, und irgendwo tief in ihrem inneren flüsterte eine leise, vorwurfsvolle Stimme ihr zu: „Warum hast du das getan? Du hast sie alle im stich gelassen." Luna musste unwillkürlich schlucken. Kein einziges Mal hatte sie dabei an Ginny und Neville oder all die anderen gedacht. Wie es ihnen wohl ergangen war? Ob sie es geschafft hatten, diesem Monster zu entkommen? Schnell schob sie den entsetzlichen Gedanken in die dunklen Tiefen ihres Seins zurück. Es gab nun kein zurück mehr, das Meer der Zeit, der Unendlichkeit, lag zwischen ihnen.

Plötzlich riss ein Klopfen Luna aus ihren Gedanken. Die Tür wurde vorsichtig geöffnet und Miss Stone lugte ins Zimmer.

„Oh du bist schon wach! Es war so still im Zimmer, da dachte ich du schläfst noch. Wenn du möchtest, der Tisch ist bereits mit dem Frühstück gedeckt." Luna nickte dankbar. „Gut, ich warte dann im Wohnzimmer auf dich." Sie zog die Tür leise hinter sich zu und Luna war wieder mit sich allein. Und so war es ihr auch am liebsten.

Ihr Blick schweifte wieder in die weite Ferne. Dunkle Wolken rasten am Himmel entlang, der Schwarze See war in aufruhe, Wellen peitschten ans Ufer. Hoch am Himmel flog eine Herde Thestrale. Noch immer saß sie da auf dem Fensterbrett, die Arme weit ausgebreitet, und der Wind in ihrem Haar. Ein neues Leben in einer anderen Zeit hatte nun für sie begonnen, und sie hieß es willkommen.

Noch eine ganze Weile saß sie so da, bis sie langsam aufstand, sich ihr Kleid schnell überstreifte und ins Wohnzimmer ging, wo es bereits köstlich nach frischem Kaffee roch. Auf dem Tisch standen Speck, Eier, Toast und Marmelade. Luna setzte sich und nahm sich von allem ein wenig. Miss Stone war bereits fertig mit essen und schlürfte vorsichtig ihren heißen Kaffee, während sie in aller Ruhe den Tagespropheten las. Vom Kaminsims war das leise Ticken einer Uhr zu hören. Für einen Augenblick hielt Luna inne und beobachtete den sich langsam, aber stetig bewegenden Sekundenzeiger. Dann fiel ihr Blick auf Miss Stone und sie musste abermals feststellen, wie hübsch die junge Hexe war. Ihr langes dunkles Haar hatte sie heute zu einem Zopf geflochten, ihre dunklen Augen wurden von langen, schwarzen Wimpern umrahmt. Luna konnte nicht anders als sie an zuschauen. Als Miss Stone die bewundernden Blicke bemerkte, lächelte sie Luna zu und diese lächelte zaghaft zurück.

„Ach bevor ich es vergesse, ich habe heute früh eine Nachricht zu Direktor Dippet geschickt, in der ich ihm mittgeteilt habe, das meine Tante sich zur Zeit nicht mehr um meine jüngere Schwester  kümmern kann, die seit dem Tod unser beider Eltern dort gewohnt hat." Luna blickte überrascht drein, doch dann wurde ihr Blick traurig und mitfühlend.

„Ja ich habe auch meine Eltern verloren genau wie du", lächelte sie matt. „Wie ist es geschehen", fragte Luna leise.

»Nun meine Eltern waren leidenschaftliche Naturforscher, die unentdeckte Pflanzen und Magische Tiere erforscht haben, und als sie vor ein paar Jahren in Süd-Amerika waren, haben sie sich bei einer ihrer Expeditionen im Urwald mit einem tödlichen Fieber angesteckt, es ging alles sehr schnell." Sie stand auf und holte einen Bilderrahmen, der auf dem Fensterbrett gestanden hatte, und setzte sich wieder zu Luna. Sie reichte ihr ein vergilbtes altes Foto, auf dem ein Paar glücklich winkend in die Kamera lächelte. Luna fiel auf, dass Miss Stone aussah wie ihre Mutter, wo hingegen der Vater mit seinem blonden Haar und den blauen Augen das genaue Gegenteil von ihr war. Sanft glitten ihre Finger über das alte Foto, bevor sie es Miss Stone mit einem traurigen Lächeln zurück gab.

„Sie sind beide wunderschön, Melanie." -

„Ja, das waren sie", sagte Miss Stone Gedanken verloren, und stellte das Foto wieder an seinen alten Platz zurück.

Luna half noch schnell, das restliche Essen auf ein Tablet zu stellen, damit es wieder hinunter ihn die Küche konnte.

„Ähm ich würde gerne ein Vollbad nehmen, ist das ok?" -

„Selbstverständlich, da brauchst du doch nicht zu fragen."

Luna freute sich und hüpfte ins Badezimmer, um sich Wasser einzulassen. Schnell steckte sie ihre Haare hoch und stieg in das nach Himbeere duftende Wasser. Die Tür ging auf und Miss Stone legte ihr rasch einen kleinen Stapel frischer Wäsche auf den Stuhl. Luna genoss ihr Bad in vollen Zügen, und wäre dabei fast eingeschlafen, als plötzlich ein lautes, klackendes Geräusch vom Wohnzimmer her erklang. Schnell stieg sie aus der Wanne, trocknete sich ab und zog ihre frischen Kleider an. Dann ging sie im Wohnzimmer nachschauen, was das Geräusch verursacht hatte.

Das Fenster war weit geöffnet und Miss Stone stand davor, mit einer schneeweißen Eule auf ihrem Arm.

„Schau nur Luna, wir haben Post von Direktor Dippet erhalten. Wir sind morgen Nachmittag zum Tee bei ihm eingeladen." Luna blickte etwas unsicher. „Keine Angst, er ist ein sehr liebenswerter älterer Herr, du wirst ihn mögen, da bin ich mir sicher." Luna nickte zuversichtlich.

Die Stunden vergingen. Sie saß auf dem Fensterbrett und schaute verträumt in die Landschaft, bis sie gegen Abend beschloß, noch einmal runter zum See zulaufen. Der Wind hatte mittlerweile an Intensität verloren und strich sanft über ihre Haut. Am See angekommen ließ sie sich ins weiche Gras fallen und blickte hinauf in den sturmgrauen Himmel. Die Luft war vom Duft der Blumen und dem Geruch des Sees erfüllt. Um sie herum das Zirpen der Grillen. Von irgendwoher war das Schuhuhen eines Uhus zuhören. Langsam setzte sie sich wieder auf und schaute auf die dunkle Oberfläche des Sees. Hin und wieder war das Auftauchen eines Fisches zu hören. Ihre Gedanken schweiften zum morgigen Tag. Wie Direktor Dippet wohl sein würde, ob er Miss Stone die Geschichte mit der kleinen Schwester wirklich geglaubt hatte, und was würde geschehen , wenn die Wahrheit über sie jemals rauskommen würde? Leise seufzend liess sie sich wieder zurück ins Gras fallen, und sog tief die Luft ein, die nach Blumen und Wasser roch. Mittlerweile war es dunkel geworden und kleine Glühwürmchen schwirrten in der Luft umher. Langsam begab sich Luna zurück zum Schloß, die Gedanken in weiter Ferne an den morgigen Tag.

Tja, Luna ist nun endgültig in ihrer neuen Zeit angekommen,was sie aber nicht ahnt ist das sie sich auch hier bald großen Herrausforderungen stellen muss.

Danke an meine liebe Beta

Verloren in der Zeit - Luna LovegoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt