Kapitel 13

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Ich lächelte.

"Ich glaube nicht, dass ich erwähnen muss, wie oft ich ohne dich schon gestorben wäre", gab ich noch immer lächelnd zurück.

Jace lächelte mich an. Für diesen Moment war alles wie früher.

Aber es ist nicht wie früher, Clary!, dachte ich mir. Ich musste mich damit abfinden, dass Jace sich nicht von mir verabschiedet hat. Ich war für ihn ein Niemand.

Ich drehte meinen Kopf zur Seite. Jace richtete sich auf und griff nach meiner Hand.

"Clary,..."

Alec stürzte herein und ich löste meine Hand aus Jaces.

"Jace!", rief Alec durch den Raum und starrte Jace ungläubig an. Dann sah er meinen Gesichtsausdruck und stammelte: "Ähm.. Ich habe nichts gehört... Ich.. ähm.. ich dachte schon.. Ich lass euch zwei dann wieder allein."

"Nein, nein, schon gut. Ich werde noch eine Weile hierbleiben. Nur falls eine Rune nicht reicht."

Alec nickte mir dankbar zu. Ich hatte seinen Parabatai von der Schwelle des Todes gerettet.

Ich schloss die Tür hinter mir.

"Und? Wie geht's Jace?", bombardierte Isabelle mich.

"Es geht ihm gut. Kann ich kurz mit dir reden, Izzy?"

Isabelle runzelte die Stirn, nickte aber.

"In der Bibliothek?", fragte ich.

Isabelle nickte erneut. Schweigend gingen wir nebeneinander den Flur entlang. Als wir außer Hörweite waren, begann ich zu sprechen.

"Izzy, die Rune, ja?"

"Ja?" Isabelle runzelte die Stirn.

"Das... Das war keine Heil-Rune."

Ein fragender Ausdruck erschien auf Isabelles Gesicht. "Was denn sonst?"

"Die Rune... Sie stärkt eine Verbindung... Die Verbindung zwischen Körper und... Geist..."

Izzy blieb stehen. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben.

"Du.. du meinst... Jace...?"

"Jaces Geist und Körper... sie waren nicht mehr.... nicht mehr zu 100 Prozent... verbunden."

Izzy schloss ihre Augen.

"Sag Jace bitte nichts... Ich... ich weiß nicht, ob ich wissen will... wie er reagiert."

Izzy schüttelte den Kopf.

"Danke."

Nach einem Moment kam Isabelle auf mich zu und schloss mich in ihre Arme. Ich erwiederte die Umarmung.

"Ich sollte dir danken, Clary. Du hast ihn gerettet."

Eine Weile standen wir schweigend da. Plötzlich schluchzte Isabelle auf. Beruhigend streichte ich ihr über den Rücken.

"Izzy!", schrie Alec durch die Gänge.

"Da bist du... Was ist denn passiert?"

Der besorgte Ausdruck, der gerade erst aus Alecs Gesicht verschwunden ist, war sofort wieder da.

"Ist schon okay", sagte Izzy und wischte sich mit der Hand über ihre laufende Nase.

"Was gibt's?"

"Es gab einen Angriff. Nicht weit von hier. Ein Toter."

"Wir nehmen Clary statt Jace mit", sagte Izzy. Es war keine Frage, es war eine Tatsache. "Du hast Jace davon noch nichts erzählt, oder?"

Alec schüttelte den Kopf.

"Gut", meldete ich mich zu Wort. "Er sollte sich erstmal schonen."

Wieder nickte Alec. "Wir sollten uns fertigmachen. Hast du überhaupt etwas?"

"Ja, meine Klamotten habe ich hiergelassen", antwortete ich.

"Okay. Bis gleich in der Waffenkammer."

Ich ging mit Isabelle in Richtung unserer Zimmer. Das Krankenzimmer lag auf dem Weg. Ich konnte nicht anders, als nochmal nach Jace zu schauen.

Leise schloss ich die Tür hinter mir. Aber ich werde wohl nie so leise sein können wie Jace oder Alec.

Das dürfte Jace sich auch denken, denn er schaute lächelnd auf.

"Da ist ja mein kleines Trampeltier", sagte er lächelnd.

Ich zog eine Augenbraue nach oben. Ich war schon lange nicht mehr 'seine'.

Sein Lächeln erstarb. "Sorry", nuschelte er.

"Schon okay. Das bedeutet zumindest, dass es dir wieder besser geht", sagte ich.

"Clary?"

"Ja?"

"Ich habe mich nie von dir veranschiedet."

"Ich weiß."

"Das Letzte, was ich zu dir gesagt habe, ist 'Wenn du gehst, benimmst du dich wie eine Verräterin. Geh, aber erwarte nicht, dass ich dich je wieder sehen will' Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen."

"Schon vergessen", sagte ich und ging näher an Jaces Bett.

Die Erinnerung an das Gespräch, von dem Jace redete, tat weh. Ich hatte ihm erzählt, dass seine Welt nicht geschaffen für mich sei. Jace hat gesagt, ich sei eine Verräterin. Dann ist er abgehauen. Seitdem hatten wir nie wieder geredet.

"Nein, ist es nicht. Ich mach das wieder gut."

Mittlerweile saß ich neben Jace auf seinem Bett. Mir fiel wieder ein, dass ich mich eigentlich fertigmachen musste.

"Ich muss weg. Ich wollte nur kurz sehen, wie es dir geht. Bis später", sagte ich.

"Aber du gehst nicht zurück nach Barden, oder?"

Ich sah die Angst in seinen Augen. Keine panische Angst, aber Angst.

"Nein. Ich bin spätestens heute Abend wieder da", versprach ich Jace.

Ich ging in mein Zimmer und sofort strömten hunderte Erinnerungen in meinen Kopf.

Jace und ich, vor dem Zimmer, küssend.

Jace und ich, auf dem Bett liegend.

Jace und ich, er drückt mir einen Abschiedskuss auf die Lippen.

Jace und ich...

Jace und ich...

Mir wurde erst einige Minuten später bewusst, dass ich mich am Boden zusammengekauert hatte, und Tränen in den Augen hatte.

Ich richtete mich wieder auf, ging zu meinem Kleiderschrank und holte meine Ausrüstung heraus. Mein Schwert Heosphoros fiel mir entgegen. Und Jaces alter Pullover.

Als Jace in der Nacht einmal wegmusste, habe ich mich in sein Zimmer geschlichen und einen seiner Pullover geholt. Ich hatte mein Gesicht in ihm vergraben. Jaces Duft hang an dem Pullover und ich fühlte mich wohl. Jace hatte nie bemerkt, dass ich seinen Pullover gestohlen habe, oder es war ihm egal.

Ich vergrub mein Gesicht in den Pullover und atmete tief ein. Jaces Duft war allgegenwärtig, bis ich den Pullover wieder zurück in den Schrank schmiss.

Du wolltest ihn vergessen, Clary! Und jetzt hängst du an seinem Pulli, wie ein Alkoholiker an seinem Bier!

Ich schlüpfte schnell in meine Ausrüstung und machte mich auf den Weg zur Waffenkammer.

"Na endlich!", sagte Alec, als ich die Kammer betritt. "Hier nimm das, wir müssen los!" Er hielt mir ein Schwert und eine Stele hin.

"Falls du es vergessen hast, ich habe ein Schwert und eine Stele", sagte ich. Ich deutete auf Heosphoros. Meine Stele steckte in meinen Stiefeln.

"Okay. Dann Beeilung!"

Also liefen wir die Treppe hinunter und zur Eingangstür hinaus.

"Wo genau müssen wir hin?"

"Brooklyn Bridge", antwortete Alec meine Frage.

Wir rannten förmlich zur Brooklyn Bridge.

Die Chroniken von BardenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt