Jacob lief seit Stunden hinter dem Fremden her, dessen Namen er noch nicht einmal wusste. Ausserdem schien er nie müde zu werden, Jacob allerdingskam langsam aus der Puste. Wo brachte dieser Fremde ihn hin? „Wo auch immer du mich hinbringen willst, ist das noch weit?", keuchte Jacob und wich einem herabhängenden Ast aus. „Ich muss sicher sein, dass keiner deiner Komplizen oder ein Mensch uns gefolgt ist.", antwortete der Fremde knapp. Komplizen?, dachte Jacob verzweifelt. Für Wen oder Was hielt dieser Mann ihn? Jacob wäre fast in den Mann reingelaufen, der plötzlich stehengeblieben war. Er holte einen seltsamen Gegenstand hervor, den er vor sich auf den Boden legte. Der Gegenstand hatte komische Zeichen auf seiner Oberfläche, die Jacob glaubte, schonmal gesehen zu haben. Der Fremde murmelte einige Wörter auf einer Sprache, die Jacob nicht kannte. Kaum hatte der Mann geendet, begann die Erde unter Jacobs Füßen zu vibrieren. Jacob war grade noch rechtzeitig zurückgesprungen, als die Erde aufbrach und sich ein Steintor Stückchen für Stückchen herausschob. Jacob staunte. Nur wenige Augenblicke später war der Steinbogen komplett aus der Erde hervorgebrochen, und die Luft in dem Torbogen fing an zu flimmern und ihre Konsistenz zu verändern. Sie verfärbte sich erst immer dunkler, bis sie komplett Schwarz war. "Nach dir.", meinte der Mann. Zögernd ging Jacob näher an den Steinernen Torbogen ran. Er sollte da reinlaufen? "Wird das heute noch was?", fragte der Fremde genervt. Jacob fasste sich ein Herz und tat den Schritt, der ihn noch von dem mystoriösen Tor getrennt hatte. Die dunkelheit umhüllte ihn in Windeseile und er konnte sich nicht bewegen. Es fühlte sich für kurze Zeit an, als würde er schweben, doch dann spürte er, dass er sich dem anschein nach im freien Fall befand. Er wollte schreien, doch es kam kein Ton heraus. Er verzweifelte und wollte grade anfangen, sich zu wehren, da hellte sich die Masse um ihn herum auf, bis er verschwommen eine Landschaft sah. Ohne nachzudenken sprang er dorthin und stolperte aus einem Steinbogen, der gleich aussah wie der, in das er hineingelaufen war. Er sah sich staunend um. Hinter ihm trat der fremde Mann aus dem Portal. "Wenn wir als Wölfe rennen, sind wir schneller da.", meinte der Mann und begann auch schon, sich auf alle Viere fallen zu lassen und zu verwandeln. Aber Jacob wusste immernoch nicht genau, wie er sich verwandeln sollte. "Na los, Welpe.", drängte der gefleckte Wolf. "Äh, ich weiss nicht, wie.", versuchte Jacob seine missliche Lage zu erklären. Der Wolf voe ihm knurrte verächtlich, und rannte plötzlich auf ihn zu. Jacob wich schnell zurück, aber er merkte sofort, wie die Verwandlung jetzt auch bei ihm einsetzte. Er stand nur einen Augenblick später als Wolf da und duckte sich. Allerdings stoppte der andere Wolf, kurz bevor er Jacob erreichte und drehte sich in eine andere Richtung. Jacob war immernoch etwas erschrocken, aber folgte dem großen Wolf, welcher jetzt begann, loszurennen. Er rannte ziemlich schnell, und Jacob hatte Probleme, mitzuhalten. Sie rannten über eine weite Wiese und kamen an einen dichten Wald. Desto weiter sie in den Wald kamen, desto dichter standen die Bäume. Irgendwann verringerte der Schwarz-Weisse Wolf sein Tempo, was Jacob sehr freute. Jedes seiner Glieder tat weh. Der Fremde duckte sich und fing an, sich einen Weg durch das Unterholz zu bahnen und deutete Jacob, ihm zu folgen. Nur widerwillig kroch Jacob hinter dem geflecktem Wolf her. Dornenranken verhakten sich in seinem Fell und Äste peitschten ihm in die Schnauze und hinterließen blutige Kratzer. Dem Wolf vor ihm schien das kaum etwas auszumachen.
Das Unterholz lichtete sich langsam, bis eine Lichtung zu sehen war. Sie war von Unterholz, dass an den Rändern einige Löcher hatte, komplett umgeben. Ziemlich gut versteckt, dachte Jacob. Auf der Lichtung standen viele Wölfe in verschiedensten Farben und Größen. Die meisten waren bereits auf ihn aufmerksam geworden und musterten ihn. Er begegnete neugierigen, aber auch misstrauischen und sogar feindseligen Blicken. Jacob versuchte, sämtlichen Wölfen aus dem Weg zu gehen. Der gefleckte Wolf brachte ihn quer über die Lichtung zu einem besonders großen Loch im Unterholz, in das er hineinlief. Jacib folgte ihm dieses Mal auch ohne Aufforderung. In dem Innenbau dieser Höhle, die ziemlich groß war, saß in einer hinteren Ecke ein Wolf. Aber nicht nur die unglaubliche Größe dieses Wolfes fiel Jacob auf, er hatte auch eine ungewöhnliche Fellfarbe: Sein Fell war Himmelblau und seine Augen genauso Eisblau wie die des Schwarz-Weissen Wolfes. "Faint, ich habe diesen Welpen in der Nähe vom Südwestlichen Portal gefunden. Was glaubst du, ein Späher?", rief dieser dem riesigen Wolf zu. Dieser wandte seien Kopf zu Jacob und musterte ihn ausgiebig. "Hat euch jemand sonst gesehen?", fragte der Hellblaue Wolf, der anscheinend Faint hieß, mit einer bronzenen Stimme. "Denke nicht.", antwortete der deutlich kleinere, gefleckte Wolf. "Sie haben also die Position des Südwestlichen Portals herausgefunden.", meinte Faint mit einer Spur Verbitterung in seiner Stimme. "Geh mit zwei Weiteren dorthin, Blade. Zerstört es.", befahl er an den Gefleckten Wolf, Blade, gerichtet. Dieser senkte kurz den Kopf, bevor er sich umdrehte und aus der Höhle lief. Der Riesenwolf drehte sich wieder zu Jacob. "Wie heisst du, Kleiner?", begann er. Jacob machte sich noch kleiner, als er im vergleich zu dem Wof vor ihm sowieso schon war. "J-Jacob.", antwortete er mit zittriger Stimme. "Jacob. Ein ungewöhnlicher Name für einen Wolfswandler.", stellte Faint fest. Für einen was?, fragte sich Jacob im Stillen. "Welchem Rudel gehörst du an?", fuhr Faint fort. Jacob wusste ziemlich wenig über Wölfe, nur dass sie in Rudeln zusammenlebten. Aber wieso sollte er so einem angehören? Wo war er hier hineingeraten? "Keinem! Wieso denn? Wo bin ich hier und wer bist du und..." Faint bedeutete ihm, still zu sein. "Du lügst nicht, das sehe ich in deinen Augen. Wenn meine Vermutungen richtig sind, bist du ein Werwolf.", sagte er bestimmt. "S-sind das nicht alle hier? Ich meine, Werwölfe?", fragte Jacob kleinlaut. "Nein. Alle Wölfe, die du gerade gesehen hast, sind Wolfswandler.", antwortete der blaue Wolf ruhig. "Worin liegt da der Unterschied?", befragte Jacob ihn weiter. "Der Unterschied ist nicht groß. Aber im Übrigen sind Werwölfe Menschen, die sich in Wölfe verwandeln. Wolfswandler sind Wölfe, die sich mit der Zeit soweit entwickelt haben, dass sie zur Tarnung Menschliche Gestalt annehmen können.", erklärte Faint.
Jacob nickte, als hätte er verstanden. Er hatte gar nichts verstanden! In seinem Kopf stellte er grade alles infrage, was ihm je passiert war. Er hatte erst gestern rausgefunden, dass er ein Werwolf war und war heute dutzenden anderen, sprechenden Wölfen begegnet! Und jetzt stand er vor einem blauen Wolf, der die Größe eines Pferdes hatte, in einer anderen Welt! "Wann hast du es herausgefunden, Jacob?", fragte Faint ihn. "Dass ich mich in einen Wolf verwandeln kann? Erst gestern.", antwortete dieser. Faint nickte. "Die erste Verwandlung entsteht nur durch extreme Gefühle, die bei euch Menschen nur von anderen Menschen ausgelöst werden können. Hat dich jemand gesehen?", fragte Faint ihn weiter aus. Jacob zuckte zusammen. Er sah vor seinem inneren Auge die Jungen, die ihn verängstigt angesehen hatten. Faint hatte seinen Blick wohl bemerkt. "Ich nehme das als Ja. Hast du sie verletzt oder getötet?", meinte Faint. Töten? Wieso sollte ich sie getötet haben? Woher weiss er, dass es mehrere waren? "I-Ich habe niemanden getötet!", winselte Jacob erschrocken. Faint seufzte. "Wie viele?", fragte er. Jacob schluckte. "Vier, fünf, vielleicht auch sechs. Ich weiss es nicht!", klagte er hilflos. "Kanntest du sie? Weisst du, wo sie wohnen?", fragte Faint ernst. "Ja, sie sind aus meinem Waisenheim. A-aber keiner hat geglaubt, was er gesehen hat! Bis auf...", Jacob stockte. "Alice.", vervollständigte er seinen Satz. "I-ich habe es irgendwie geschafft, dass ich sie nicht verletzt habe. Sie hat alles gesehen und da ich sie nicht verletzt habe, kann sie auch nicht denken, dass sie nur einen Schlag auf den Kopf bekommen hat!", erklärte er dem riesigen Wolf. Dieser sah ihn nur an. "Ich werde zwei Wölfe mit dir mitschicken, ihr bringt dieses Kind her. Sie hat zu viel gesehen.", sagte Faint entschlossen. Jacob sah ihn erschrocken an. "Du willst sie doch nicht etwa...", setzte er an. "Nein. Wir werden ihr vorerst nichts tun. Ich werde entscheiden, was wir mit ihr machen. Du bist dir sicher, dass sonst keinem ein Wort geglaubt wird?", fragte Faint ihn. "Ja, ganz sicher.", murmelte Jacob. "Nun gut.", meinte Faint, stand auf und bedeutete Jacob, ihm zu folgen, bevor er aus der Höhle kroch.
Auf der Lichtung bildete sich sofort wieder eine Traube aus neugierigen Wölfen, die Jacob anstarrten. "Ghost! Rose!", rief Faint bestimmt. Aus der Traube trat ein schneeweißer Wolf mit roten Augen und eine cremefarbene Wölfin mit grünen Augen. "Was gibt's, Faint?", fragte der weisse Wolf. "Ihr werdet Jacob begleiten. Er ist ein Werwolf, und bei seiner ersten Verwandlung hat ihn jemand beobachtet, ein Mensch. Eure Aufgabe lautet, diesen Menschen hierherzubringen. Unversehrt.", befahl Faint. Die beiden Wölfe nickten. "Na dann los.", meinte die Wölfin und trabte in die Richtung, aus der Jacob auf die Lichtung gekommen war.
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Instinkt - Das Heulen der Wölfe
FantasíaJacob ist ein ganz normaler Junge - Dachte er zumindest. Denn vor kurzem stellte sich heraus, dass er ein Werwolf ist. Doch seine neue Gabe bringt auch Schwierigkeiten mit sich. Jacob erfährt, dass nicht nur eine Welt existiert... Ein Fantasy-Roman...