Kapitel 1: Weg zur Hölle

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Das leichte schwanken des alten Zuges rüttelte mich durch und er schien als würde die Bewegung auch meine Gedanken durcheinanderbringen. Ich schaute verträumt aus dem Fenster auf die stetig wechselnde Landschaft und genoss die warme Sonne die sich wie ein Schleier auf mein Gesicht legte und es wärmte. Damit würde es bald vorbei sein, denn ich war in richtung Norden unterwegs, immer weiter Richtung kaltem Canada.
Wir fuhren durch einen dunklen Tunnel und ich sah mein Spiegelbild in der Scheibe des Zuges. Meine Haare reichten gerade mal bis zum Hals und mein ungeschminkte Gesicht wirke männlich. Ich hatte mir die Haare geschnitten und aufgehört mich zu schminken in der Hoffnung durch die äusserliche Veränderung auch mein Wesen zu ändern, doch im Nachhinein wirkte die ganze idee albern. Als ob das so leicht gehen würde.
Wir verließen den Tunnel und eine mechanische Stimme kündigte den nächsten halt ein, den letzten halt vor Canada. Ich seufzte wehmütig. Noch nie hatte ich Calfornien zuvor verlassen, geschweige denn den USA. Aber ich war mir sicher , ich würde mein altes Leben nicht vermissen, auch wenn mein neues bestimmt noch schrecklicher sein würde. Ich war auf den Weg in ein katholisches Mädcheninternat, und das obwohl ich nicht mal an Gott glaubte. Mein Vater hatte gesagt das es mir dort besser gehen würde und dass ich durch die strengen Regeln und dem strickten Tagesablauf wieder "normal" werden würde. Im Gegensatz zu mir war er nämlich sehr gläubig und als er erfahren hatte das ich mich ritzte und generell kaum Lebensfreude besaß, informierte er sogleich meine Mutter, damit sie mich ins Internet steckte. Er hatte das Internat ausgesucht und meine Mutter bezahlte es. Sie war Anwältin. Er allerdings arbeitete als Hausmeister in einem Altenheim. Ohne das Geld meiner Mutter wären wir hoffnungslos verloren gewese, aber sie zahlte immer pünktlich Unterhalt, obwohl jeder in der Familie wusste wie egal ich ihr war. Ich war ihr nur ein Klotz am Bein und ich denke sie ist heil froh sich jetzt noch weniger mit mir abgeben zu müssen, denn das Internat war fast vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten und ich besaß nicht einmal ein Telefon mit dem ich hätte anrufen können.
Eine weitere Durchsage riss mich aus meinen düsteren Gedanken: "Sehr geehrte Fahrgäste unsere Fahrt endet hier. Vielen Dank das sie mit uns gereist sind und vergessen Sie nicht ihre persönlichen Gegenstände mitzunehmen." Mit einem Klicken war die Durchsage vorbei und ich nahm meinen kleinen schwarzen Koffer von der Gepäckablage über meinem Sitz. Ausser mir befand sich nur noch eine einzige alte Frau im Zug, die mit schlurfenden Schritten Richtung Tür schlich. Der Zug kahm langsam zum stehn und kühle Luft wehte mir entgegen als sich knarrend die Türen öffneten.
Auf dem Bahnsteig lag Schnee und der kalte Wind wehte mir beinahe meine Mütze davon. Der Himmel war mit dicken Wolken verhangen und ein fernes grollen kündigte ein Gewitter an. Ich seufzte abermals, die Landschaft bildete einen sehr starken Kontrast zu dem warmen Wetter und der brennenden Sonne die ich von Zuhause gewohnt war. Aber hier würde ich wegen meiner blassen Haut wenigstens nicht so auffallen ,erhoffte ich mir.
Abgesehen von der alten Frau die sich leicht hinkend entfernte stand nur eine streng wirkende Dame mittleren Alters auf dem Bahnsteig. Sie war in einen langen schwarzen Mantel gehüllt und ihr ebenfalls schwarzes Haar war zu einem festen Dutt am Kopf festgebunden. Sie kahm mit schnellen ,bestimmten Schritten auf mich zu und blieb gut zwei Meter vor mir stehen. Sie hielt mir ihre behandschuhte Hand hin und sagt mit einer unangenehm näselnden Stimme: "Du musst Anna-maria sein, mein Name ist Ms Ginn . Ich komme vom St. Kathrin Mädcheninternat um dich abzuholen." Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie kurz , sie hatte einen beeindruckend starken Händedruck. Die verzog keine Miene als sie sich umdrehte und in richtung Treppe davon ging. Ich musste mich anstrengen mit ihr Schritt zu halten. Wir verließen den Bahnhof und folgten den Weg zu einem kleinen Parkplat auf dem nur ein einziges Auto stand; ein schwarzer relativ alter Kombi, auf dessen Motorhaube ein silbernes Kreuz befestigt war. Durch die abgedunkelten Scheiben wirkte er eher wie ein Leichenwagen und ich wurde etwas nervös. Ms Ginn wieß mich an hinten einzusteigen und ich öffnete die erstaunlich schwere Tür. Ich kletterte hinein und stellte meinen Koffer neben mich auf den Boden. Im Inneren war es zu meiner großen Enttäuschung kein bisschen wärmer als auf der Strasse und ich zitterte leicht, trotz der dicken Skijacke die ich trug.
Wir entfernten uns lautlos und schweigend immer weiter von dem kleinen Ort in dem ich angekommen war und fuhren immer tiefer in den Wald hinein. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, ob ich vielleicht in das Auto eines Entführers gestiegen war, doch plötzlich hielten wir an. Ich sah aus dem Fenster, wir waren immer noch mitten im Wald. Ms Ginn ließ ihr Fenster runder und da fiel mit die Gegensprechanlage auf. Ms Ginn murmelte etwas unverständliches vor sich hin, und eine Stimme aus dem Lautsprecher antwortete ihr. Ich schaute durch das dichte Gitter, das zwischen mir und der Sitztreihe des Fahrers war, und erkannte ein großes, metallenes Tor das vor uns bedrohlich in den Himmel ragte. Rechts und links neben dem gewaltigen Eingang erstreckten sich gut fünf Meter hohe Mauern. Alles in allem erinnerte der das Ganze mehr an den Eingang zu einem Gefängniss ,als zu einer Schule. Obwohl das für die meisten Jugendlichen wohl das Selbe war. Mit einem lauten Knarren öffnete sich die Tür und gab einen langen Weg zu einem monströsen Anwesen frei. Es erinnerte eher an ein gewaltiges Spukschloss und sach mindestens genauso bedrohlich aus. Das gesamte Gebäude war grau angestrichen und die Ziegel des Daches glänzten schwarz. Über dem gewaltigen Eingangsportal befand sich ein eisernes Kreuz. Der Wagen fuhr bis vor die Eingangstreppe und kahm dort mit einem sanften Ruck zum stehen. Ms Ginn stieg aus. Sie öffnete meine Tür und befahl mir ihr zu folgen. Ich hievte meinen Koffer aus dem Wagen und folgte ihr zur hölzernen Tür.

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