Der Speisesahl befand sich im 2. Stockwerk. Es war ein großer rechteckieger Raum mit hohen, gewölbten Fenstern, die etwa 1 1/2 Meter über dem Boden anfingen und bis zur hohen Decke reichten. Kleinere Tische mit je vier Stülen standen im vorderen Bereich des Raumes, weiter hinten standen 6er und 8er Tische. An den Wänden hingen große Gemälde mit den unterschiedlichsten Themen und auf der rechten Seite des Raumes, also gegenüber der Fenster war eine lange Theke in die Wand eingearbeitet, die warscheinlich die Essensausgabe war.
Lucy schlängelte sich zielstrebig an Tischen, Stühlen und anderen Schülern vorbei, geradewegs auf die Fensterfront zu. Sie blieb abrupt stehen und ich wäre beinah in sie hereingerannt. Wir standen vor einem der 4er Tische, was mich nicht wunderte denn wir waren ja auch nur vier Personen auf unserem Zimmer, und es schien so als wäre die Sitzordnung nach den Zimmern verteilt. Meine Vermutung wurde durch die Tatsache bestärkt, das auch Monika bereits an dem Tisch saß. Sie musterte mich spöttisch. Ihr schien meine Kleidung auch aufgefallen zu sein. Lucy setze sich und drückte mich auf den Stuhl neben sich, der aber zu meinem großen Bedauern der Stuhl gegenüber von Monika war. Ich seufzte. Eine Glocke ertönte, sie klang jedoch ganz anders als die beiden Töne davor. Alle Mädchen die noch standen huschten hektisch zu ihren Plätzen und Lucy sah sich nervös um. Monika stöhnte genervt.
"Was ist los?" Fragte ich an Lucy gewandt, die sich immer noch umsah. "Das 4. Mädchen an unserem Tisch fehlt, ich kann sie nicht finden" benahm ich als Antwort wärend sie immer hektischer den Kopf hin und her warf. Fast alle Mädchen saßen bereits und von denen die noch herumirrten, lief keines in unsere Richtung. Ich wandte mich wieder Lucy zu, die aufgehört hatte sich umzusehen. Jetzt starrte sie in richtung Tür und ich folgte ihrem Blick. Zwei Mädchen waren dabei sich sie schweren Eisengriffe zu nehmen um die Tür zu schließen. "Was passiert wenn sie nicht rechtzeitig kommt?" Fragte ich erschrocken. Lucy starrte immer noch zur Tür als sie mir antwortete "Sie bekommt kein Essen,eine Verwahnung und gewaltigen Ärger." Ich fand das klang gar nicht so schlimm, ich hätte schon fest damit gerechnet dass sie gefoltert wird oder ähnliches. Zu meiner Überraschung sagte Monika etwas, die das ganze bisher nur beobachtet hatte "Sie bekommt keine Verwarnungen mehr. Das wäre bereits das dritte Mal das das passiert. Sie würde warscheinlich eher eine kleine Auszeit bekommen. Villeicht ein oder zwei Tage." Sie klang belustigt, Lucy hingegen war kreidebleich.
"Was ist eine Auszeit" fragte ich vorsichtig in die Runde. Nach Lucys Blick zu urteilen war das was anderes als Ferien.
"Bei einer Auszeit wird man für eine Bestimmte Zeit in einen der Auszeit-räume im Keller eingesperrt und bekommt dort nur Wasser und Brot" Die Antwort kahm wieder von Monika die den erschrockenen Blick von Lucy zu gießen schien.
Mein Blick wanderte wieder zur Tür, bei der nun zwei weitere Mädchen versuchten die schweren Flügel zu schließen. Mit einem knarren setzen sie sich ganz langsam in Bewegung. Lucy zog scharf die Luft ein und kniff die Augen leicht zusammen, sie schien etwas zu sehen das mir verborgen blieb. Doch dann sah ich es auch. Am Ende des langen Koridores an dem der Speisesahl lag, sah man eine kleine Gestalt näher kommen. Wie besessen rannte ein Mädchen auf die sich immer weiter schließenden Türen zu. Ihr schwarzer Rock flatterte im Luftzug und sie versuchte ihn möglichst so zu halten dass er beim Laufen nicht störte. Sie war noch gute zehn Meter von der Tür entfernt, doch der Durchgang war nur noch etwa einen Meter breit. Das konnte sie unmöglich noch schaffen. Lucy umklammerte die Tischkante und Monika grinste schadenfroh, sie war ebenfalls unseren Blicken gefolgt. Leises gemurmel hinter uns lenkte mich ab als die Türe krachend ins Schloss fiel.
Der Raum war abrupt verstummt, das einzige Geräusch was noch zu hören war, waren schlingernde Schritte auf dem dunklen Mamorboden und anschließend ein eigenartiges Plumpsen. Dann nichts mehr. Ich drehte mich wieder der geschlossenen Tür zu. Das Mädchen schien es nicht geschafft zu haben. Alle Mädchen fixierten einen Punkt zwischen den Tischen in der nähe der Tür. Was sie sahen konnte ich nicht sehen, weil mir ein Tisch im weg stand. Der ganze Raum schien gebannt den Atem anzuhalten. Plötzlich regte sich etwas zwischen den Stühlen und ein Mädchen mit zerzausten Haaren und wirrem Gesicht raffte sich mühselig auf. Lucy atmete erleichtert auf und Monika pfiff überrascht durch die Zähne. Hinter mir hörte ich unterdrücktes Kichern. Mit schnellen Schritten kahm das Mädchen auf unseren Tisch zu und ließ sich neben Monika fallen. Sie atmete schwer, aber ansonsten sah sie zufrieden aus. Sie hatte ein Rundes Gesicht und neugierige, aufgeweckte Augen. Ihr Kleid war von der Schlitterpartie über den Fußboden schmutzig geworden und ihre rötlichen langen Haare standen zu allen Seiten ab. Ihre Augen wanderten von Lucy zu mir und wieder zurück. Lucy machte gerade den Mund auf um etwas zu sagen als eine strenge Stimme durch den Sahl hallte: "Wie schön Jin das sie uns auch noch mit ihrer Anwesenheit beehren. Was haben sie denn in der Zeit getrieben als sich alle anderen zum Sahl begeben haben? Ich denke das interessiert uns alle brennend." Die Stimme gehörte zu Ms Ginn, die betont langsam von der einen Seite des Raumes zur anderen lief. Immer noch ausser Atem erhob sich das Mädchen das ganz offensichtlich Jin hieß.
"Ich bitte um Entschuldigung für mein fast zu spät kommen M'am" sagte Jin. Sie hatte eine kindliche Stimme, die wirklich gut zu ihrem äußeren passte.
"Fast zu spät kommen? Ich höre wohl nicht richtig sie sind ganz eindeutig zu spät gekommen und abgesehen davon ist eine Entschuldigung keine Erklärung!" In Ms Ginns Stimme schwang nun ganz eindeutig Ärger mit und Lucy zuckte neben mir leicht zusammen.
"Aber die Tür war noch nicht geschlossen M'am und....." weiter kahm sie nicht denn schon schallte es durch den Raum "Was fällt dir ein mir zu widersprechen? Such dir gefälligst keine Ausreden, beim Geläute sollst du dich setzen und nicht erst ankommen!"
Jin sah gequält Lucy an, deren Augen voller Mitgefühl waren und erwiderte " Jawohl M'am. Sie haben Recht."
"Das will ich auch meinen. Solltest du noch einmal 'fast' zu spät kommen darfst du eine Woche eine Auszeit nehmen!" Damit war die Diskussion beendet und Jin durfte sich wieder setzen.
Selbst Monika war ihr selbstgefälliges Lächeln vom Gesicht gewichen und sie fixierte starr einen Punkt hinter mir. In Jins Augen meinte ich Tränen zu sehen aber das könnte auch nur meine Einbildung sein. Obwohl ich es hätte nachvollziehen können, denn sie wurde gerade vor rund 300 Zuschauern bloßgestellt. Lucy hatte unter dem Tisch nach Jins Hand gegriffen und hielt sie nun fest. Was für eine gute Freundin.
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Cutter
Teen FictionGlaube niemals das du nichts zu verlieren hast, das ist nur eine Illusion. Bis zu dem Punkt an dem du deine Seele verkaufst. Doch meine Seele ist so vernarbt das ich für sie wohl keinen guten Preis mehr bekommen würde.