Kapitel 11

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Seit wann waren Schranktüren dermaßen schwer?, ärgerte ich mich und holte tief Luft um erneut mit voller Kraft gegen das Holz zu drücken.

Das konnte doch nicht wahr sein! Mir fehlten nur wenige Zentimeter, dann würde ich durch den entstehenden Spalt passen. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte es erneut. Ohne Erfolg.

Mit meiner inzwischen pochenden Pfote würde ich den Schrank wohl nicht öffnen können. Erbärmlich. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht konnte ich die Tür weit genug öffnen um einen Gegenstand dazwischen zu schieben und... Das Kissen! Das Kissen war perfekt. Es war leise, leicht und klein genug um es in den kleinen Spalt zu schieben, den ich herstellen konnte. Ja, ich würde zuerst das Kissen dazwischen klemmen und danach die Decke dazu drücken um den Schrank weiter zu öffnen.

Eifrig machte ich mich an die Arbeit und konnte es kaum fassen als das Kissen wirklich in dem Spalt steckte. Fast hatte ich es geschafft! Ich zog mit meinen Krallen die Decke näher an das Kissen heran, bevor ich von der anderen Seite dagegen drückte. Bitte, bitte, flehte ich und hätte am liebsten laut aufgeschrien vor Freude als sich die Tür langsam knarrend weiter öffnete. Ja!

Hastig kletterte ich über die Decke und sprang auf und ab um mit meinen Krallen die Jacke von dem Bügel zu reißen. Komm schon! Fall doch endlich runter!

Auf einmal polterte es. Salazar! Was war denn jetzt los?

„Ron! Pass doch ein bisschen besser auf!", hörte ich Granger schimpfen.

Natürlich, was sonst, das Wiesel hatte wohl etwas mit seiner Tollpatschigkeit zerstört.

Erleichtert widmete ich mich wieder der Jacke zu, die nach wie vor nicht mit mir kooperieren wollte. Was für schwere Bügel mussten das sein? Oder stellte ich mich dermaßen dumm an?

Ich merkte schon, wie sich ein Fauchen in mir anstaute als endlich die Jacke herunterfiel. Dieses Mal war das Glück jedoch auf meiner Seite. Die Tasche rutschte ein kleines Stück aus der Jackentasche, sodass ich diese sofort aufreißen konnte.

Mein Herz schlug wie wild als ich mit meinen Pfoten in der Tasche herumwühlte. Da! Ein wenig weiter links mussten sich Phiolen befinden, die bei meiner Sucherei aneinanderklakten. Kaum hielt ich eine in meiner Pfote, verlor ich sie auch schon wieder. Bei dem nächsten Versuch das Gleiche. Bei Merlin's Bart, warum musste mir alles aus den Pfoten rutschen?

Sobald ich die nächste an meiner linken Pfote spürte, drückte ich sofort meine verletzte darauf und zog sie heraus. Es war eine durchsichtige Flüssigkeit. Nein, das konnte ich nicht gebrauchen. Schnell wiederholte ich die vorherige Prozedur und entblößte eine gelbe Phiole. Nicht schlecht. Das könnte Murtlap-Essenz sein. Jedoch bezweifelte ich, dass diese ausreichen würde. Hoffentlich hatte Granger noch etwas Stärkeres.

Enttäuscht stellte ich fest, dass die nächste Phiole erneut durchsichtig war. Nutzlos. Komm schon, du Streberin, du musst doch Diptam Essenz haben! Was, wenn deine kleinen Freunde schwere Verletzungen haben, wie beim fehlerhaften Apparieren?

Da sah ich sie: eine Phiole mit brauner Flüssigkeit. Mein Herz begann unwahrscheinlich schnell zu pochen. Mit meiner Kralle bohrte ich ein kleines Loch in den Deckel und nahm einen tiefen Atemzug. Danke, Salazar, es war tatsächlich Dittany.

Aufgeregt kratzte ich den Verband von meiner Pfote und legte die Phiole auf den Boden, sodass die Flüssigkeit heraustropfte. Nun war der Moment endlich gekommen: Ich drückte meine verletzte, rechte Pfote auf den Boden.

Die Wirkung trat sofort ein. Ein unangenehmes Ziehen breitete sich auf meiner Pfote aus als meine Haut wieder zusammenwuchs und dabei die Wunde schloss. Ich hatte es geschafft! Zeit sich zu verwandeln und nach Hause zurückzukehren!

Ich nahm ein paar tiefe Atemzüge und schloss die Augen um mich zu konzentrieren. Ich stellte mir vor, wie...

Auf einmal packte mich jemand am Nacken und riss mich herum.

Ich hatte gerade noch genug Zeit die Augen zu öffnen, bevor mein ganzer Körper gelähmt war: „Petrificus Totalus."

Grüne Augen hinter einer dicken Brille bohrten sich in meine. Potter! Nein! Das konnte doch nicht wahr sein! Hätte er nicht eine Minute warten können? Wie war er überhaupt unbemerkt in das Zimmer gekommen? War ich wirklich so sehr auf die Verwandlung fixiert gewesen?

„HERMINE! RON! KOMMT SCHNELL! DAS MÜSST IHR EUCH ANSEHEN!", brüllte das Narbengesicht.

Mein Herz schien beinahe aus meiner Brust zu springen. Jetzt war der Moment gekommen, den ich so gefürchtete hatte: Das Goldene Trio würde mich entlarven.

Das war meine Chance gewesen von hier zu entkommen und ich hatte es vermasselt. Warum hatte ich nicht die Tür im Auge behalten? Entweder töteten mich nun die Gryffindorhelden oder nach ihrem Scheitern übernahmen die Todesser diese Aufgabe um den 'Verräter' auszuschalten. Das nannte ich mal geniale Aussichten. Super gemacht, Draco. Besser geht es nicht.

Nach einigem Poltern stand das ganze Goldene Trio vor mir versammelt. Mit offenem Mund sah das Wiesel zwischen mir, dem Schrank und der Unordnung auf dem Boden hin und her, ehe sich ein gehässiges Lächeln auf seine Lippen schlich, das von mir hätte stammen können. „Na, wer sagt es denn nicht schon andauernd, dass etwas mit diesem Kater nicht stimmt?"

„Hermine?", fragte Potter nur.

Granger blinzelte irritiert und schien es kaum fassen zu wollen. Tränen sammelten sich in ihren sonst warmen, braunen Augen.

„Hermine?"

„E-es gibt sicher eine Erklärung dafür", stotterte sie und warf mir einen hoffnungsvollen Blick zu.

„Und die wäre?", hakte das Wiesel nach.

Die Streberin biss sich auf die Lippe. Ihre braunen Augen bohrten sich mit einer solchen Verzweiflung in meine, dass mein Magen sich zusammenzog. Ein unheimliches Schuldgefühl breitete sich in mir aus, das ich mir nicht erklären konnte.

„Vielleicht hat er nur gespielt und dabei...",

„Ist ganz zufällig der Schrank aufgegangen?", erwiderte Potter, bevor das Wiesel den Mund öffnen konnte, was diesen sehr verärgerte.

„Ja, vielleicht hat er nur mit meinem Bettzeug gespielt und ist dabei an den Schrank gekommen."

„Und dann ist zufällig deine Jacke heruntergefallen?", Potter's Griff um meinen Nacken verstärkte sich.

„Ja? Kannst du ihn bitte mal auf den Boden absetzen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es angenehm für ihn ist, wenn du ihn halb erwürgst", murmelte die Streberin leise und strich sich eine Locke aus der Stirn. Endlich jemand mit Verstand!

Potter tat wie geheißen. Gerade als er zur Antwort ansetzte, fuhr die Hohlbirne ihm dazwischen:

„Du willst uns also erzählen, dass der kleine Dreckskater zufällig beim Spielen mit dem Bettzeug in den Schrank gelangt ist, dass sich ganz zufällig deine Jacke von dem Kleiderbügel gelöst hat und ganz zufällig dann deine Tasche aus der Jacke gefallen ist, dass daraufhin ganz zufällig Phiolen aus der Tasche fielen und sich zufällig eine davon geöffnet und auf dem Boden verteilt hat?"

Wenn man es dermaßen übertrieben erzählte, konnte es nur abwägig klingen.

Accidentally switching sides #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt