•Kapitel 1•

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"Hopp Denise ! Beeil dich doch mal, wir kommen noch zu spät!", rief Anna, meine Zwillingsschwester, nach mir. Wie jeden Morgen war ich etwas später dran als sie, da ich fast nie rechtzeitig aus dem Bett kam. Zusätzlich war an diesem Tag der alljährliche Fototermin an der Hephaistos School, weshalb ich noch ein wenig länger im Bad war als normalerweise.

Und ja ihr habt richtig gelesen -Hephaistos ,der Gott der Schmiedekunst.

Wahrscheinlich wurden wir deshalb in griechischer Mythologie gelehrt.

"Ich komme ja schon!",entgegnete ich etwas genervt und betrachtete mich ein letztes mal im Spiegel.

Wie meine Schwester trug ich mein langes, schwarzes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz.

Zusätzlich zu unseren gewittergrauen Augen hatten wir beide weichen Gesichtszüge. Wir sahen uns sehr ähnlich, fast schon zum verwechseln ähnlich und das obwohl wir nur zweieiige Zwilling waren.

"Deniiiiise!"

Ich seufzte und lief eilig die Treppe hinunter, schnappte mir meine Schultasche und stieg in unseren dunkelblauen Peugeot ein.

"Na endlich! Hast du mal wieder stundenlang dein Spiegelbild bewundert?"Grinste Anna und boxte mir spielerisch auf die Schulter.

"Natürlich Schwesterherz! Ich habe ja sonst nichts besseres zu tun!",antwortete ich sarkastisch und verdrehte die Augen.

"Nana Mädchen nicht streiten, sonst müsst ihr von hier aus zu Fuß weiterlaufen.",mischte sich unsere Mutter von der Fahrerseite aus ein.

Dabei lächelte sie jedoch, also nahm sie es nicht wirklich ernst.

"Wir streiten uns doch gar nicht, Mum!",entgegnete Anna und lachte vergnügt. Dabei war ihre heitere Stimmung so ansteckend, dass ich gleich mitlachen musste.

An der Schule angekommen, öffneten Anna und ich unsere Türen und machten uns gemeinsam auf den Weg zu unserer ersten Stunde: griechische Mythologie.

Wir beide hatten nur uns selbst, da niemand etwas mit uns zu tun haben wollte.

Wir waren beide Legastheniker und hatten laut eines Kinderpsychologens ADHD.

Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Desaster.

Unsere Gehirne deuteten alles Mögliche falsch, wir konnten nur gezwungenermaßen still sitzen und die Buchstaben verdrehten sich vor unseren Augen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie anstrengend es für uns war, ein Buch zu lesen, geschweige denn einen ganzen Roman.

Trotzdem ließ uns unser Lehrer, Mr Brunner, der in einem Rollstuhl saß, die ganze Percy-Jackson-Reihe lesen.

Erstaunlich moderne  Erzählungen über Götter und Halbgötter. Ein Wunder das unser alter Lehrer auf sowas stand.

Aber wir konnten froh über diesen ungewöhnlichen Geschmack sein, da diese Bücher wirklich genial waren. 
Wir beide lieben sie. Und dennoch machten sie uns sehr zu schaffen,  da es nicht einfach war so viel zu lesen. Oftmals wechselten wir uns ab und lasen uns gegenseitig vor. So war es noch einigermaßen gut zu bewältigen.

"Heute behandeln wir den Minotaurus ,eine der ältesten Ungeheuer der griechischen Sagen. Bestimmt kennen einige von euch seine Geschichte. Anna würdest du sie für uns zusammenfassen?"

Meine Schwester sah mich fragend an und begann dann:"Also früher musste man dem Minotaurus Opfer darbringen.

Sieben junge Männer und sieben junge Frauen, die vor sein Labyrinth gebracht wurden.

Eines Jahres musste Theseus in das Labyrinth.

Sein Glück war es, dass Ariadne sich in ihn verliebte, die ihm ein Schwert und einen Faden mitgab.

Den Faden sollte der junge Mann am Anfang des Weges anbinden, sodass er den Ausgang wieder fand.

Als Theseus dem Minotaurus begegnete, erschlug er ihn mit dem Schwert und kehrte zurück zu seiner Geliebten ..."

"Sehr gut! Hättest du das auch gewusst Denise?",wollte Mr Brunner nun von mir wissen?

Was hatte er denn für Probleme?

Irgendwie mussten wir besser sein als die anderen, als wäre es sehr wichtig.

Es war ein schon ziemlich seltsam, dass Percy Jackson fast dasselbe passiert war.

Sein ehemaliger Lateinlehrer hieß sogar ebenfalls Mr Brunner!

Aber es waren eben nur Romane, ausgedacht von dem Autor Rick Riordan. Jedenfalls dachte ich das immer.

Der Pausengong unterbrach meine merkwürdigen Gedanken.

Glücklich verließen alle den Raum und gingen nach draußen auf den Schulhof, wo der Fotograf bereits auf uns wartete.

"Ihr seid also die 10a ?"

"Ja Sir!",bestätigten wir dem Mann und stellten uns brav in drei Reihen auf. Gelangweilt beobachtete ich wie der Fotograf die Kamera bereit machte, als plötzlich ein lautes Knurren die angenehme Stille zerriss.

Vor mir und meiner Schwester bildete sich ein Schatten,mit zwei langen, gebogenen Hörnern.

Ungläubig starrte ich ihn an, während er immer mehr an Größe zunahm.

Er hatte den Oberkörper eines normalen Menschen und seine Beine schienen die eines Tieres, vielleicht eines Stieres, zu sein.

Trotz meiner Zweifel musste ich mich noch nicht einmal umdrehen um zu wissen was hinter uns stand. Dennoch tat ich es und ließ einen spitzen Schrei aus.

Der Minotaurus war keine Legende, es gab ihn wirklich und dazu lebte er auch noch im Hier und Jetzt.

Verdammte Scheiße...

Percy Jackson-Nur eine Geschichte oder die Realität?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt