Teil 5: Greg Haines - So It Goes

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„Wer sich abhängig macht, der kann verletzt werden.", dachte sich das Mädchen, drum arbeitete sie. Sie arbeitete immer zu. In einem großen Kaufhaus für Gutsituierte. Schon während der Schule arbeitete sie und sparte. Anders, als alle ihre Mitschüler. Die mochte sie ohnehin nicht leiden.

Die reichen Kunden im Kaufhaus aber mochten sie. Sie hatte gelernt die Wünsche zu lesen. Sie erkannte sie bereits bevor die Kunden selbst davon wussten. Ein großes Gespür sagte man ihr nach.

Die Schule war bald abgeschlossen und das Mädchen zog schnell aus dem Elternhaus aus in einen Szeneteil Hamburgs mit niedrigen Mieten. Sie tauchte ein in die Szene. Zum ersten mal tauchte sie ein, nicht unter. Plötzlich sahen alle, wie schön sie doch war. Sie hatte viele Bekanntschaften, viele Bewunderer und das gefiel ihr. Auch sie merkte langsam, wie schön sie war.

Dass ihr kein einziger Freund war, merkte das Mädchen nicht. Sie merkte nicht, dass sie sich keinem zeigte. Die so schöne, stolze Frau verdeckte fast ganz das verletzliche, kleine Mädchen in ihr. Die Haselnussschale ist zu einem kalten Panzer geworden, der die Bekannten abweist, wenn sie zu Freunden werden.

So war das Mädchen finanziell und von Menschen völlig unabhängig. Auch die Bewunderung tat ihr gut. Sie glaubte, es ginge ihr gut.

Es ging ihr auch gut, nur Abends nicht. Abends, wenn sie alleine im Bett lag, da hörte sie sie wieder. Die weiche, schwache Stimme des kleinen Mädchens. Eine unsichere, hilflose Stimme, die doch ganz klar äußert, was sie will: „Kann mich jemand ins Bett bringen und mir was vorlesen?". Auch ein Glas Milch und ein paar Kekse, wollte das Mädchen von der Frau die tagsüber nur hungerte.

Auch diesen Donnerstag Abend taucht die leise Stimme wieder auf. Wie immer strengt sich das Mädchen sehr an wegzuhören. Dieses mal schafft sie es nicht und wird tief traurig. So traurig wird sie, dass eine Träne kommt. Eine Träne des Mädchens, die stärker ist, als der eiserne Panzer der Frau. Sie durchbricht die Schale, rollt aus ihrem rechten Auge und ihre Wange herab.

Das kennt das Mädchen nicht. Ganz verzweifelt wird sie. Ganz, ganz verzweifelt, doch sie ist es gewohnt alleine und verzweifelt zu sein. So sehr gewohnt ist sie das, dass sie nicht lange braucht, da fasst sie einen Plan.

Eine Freundin von ihr erwähnte ein Tanzlokal. Es befindet sich in der Pariser Gasse, nicht weit ihrer Wohnung, und trägt passend den französischen Namen. „Amertume". Hier will sie hingehen, denn die Stimme des kleinen Mädchens wird laut. Es braucht jemanden, der es ins Bett bringt. Der das Mädchen ins Bett bringt mit einem Glas Milch, einer Hand voll Keksen und der ihr noch eine Geschichte vorliest, bis sie schläft.

Sie hat so fürchterliche Sehnsucht nach Nähe.

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⏰ Last updated: Mar 17, 2018 ⏰

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Sehnsucht nach NäheWhere stories live. Discover now