4. Mondschein

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Ruckartig wachte ich auf. Ich hatte einen durchdringenden Schrei gehört. Was ist passiert? Ich blinzelte, es war noch stockfinster. Neben mir hörte ich das regelmässige Atmen meiner Geschwister. Mutter schlief ein paar Schwanzlängen weiter entfernt. Auch sie atmete ruhig. Dann habe ich wohl geträumt.. Gerade wollte ich mich wieder hinlegen, mir fielen schon die Augen zu, ertönte wieder ein Schrei, diesmal war er lauter und kräftiger. Ich schreckte auf. Wieso wachen meine Geschwister nicht auf? Hören sie es den nicht? Vorsichtig stand ich auf und streckte mich. Ich liess meinen Blick durch den Bau schweifen. Es gab zwei Nester. Mutter schlief in dem einen welches kleiner war. Streif, Bach, Tupfe und ich schliefen in dem grösseren Nest. Es war ausgepolstert mit dürrem Moos, Flaum und Gräser. Der Bau war ziemlich gross. Hier unten roch es immer nach Erde und war immer dunkel. Es gab einen einzigen Ausgang, der führte nach oben. Blüte hat diesen Bau vor langer Zeit mit Regen gegraben. Er ist schon alt, seit vielen Blattwechsel gibt es ihn schon. Dann zerriss wieder ein Jaulen die Stille. Ich zuckte zusammen und erinnerte mich daran, weshalb ich überhaupt wach war. Ich tappte langsam in die Richtung in der, der Ausgang war. So leise, dass ich meine Schritte selbst kaum hörte. Ich streckte meine Schnauze aus dem Loch des Baus. Über mir funkelten die Sterne. Der Mond leuchtete hell auf mich herab. Ich drehte meinen Kopf, mein Fell schimmerte im Mondlicht. Ich ging ein wenig herum. Regen und die anderen Kämpfer schliefen in der Nähe des Baueingangs, eng aneinander gekuschelt. Erst jetzt merkte ich, wie kalt es war. Der Boden war gefroren und glitzerte. Es knirschte leicht, wenn man darüber schritt. Ich schaute in den Sternenhimmel hinauf, ein Stern war sehr gross, zu gross. Es schien, als käme er geradewegs auf ihn zu. Plötzlich gab es einen lauten Knall. Rasch drehte ich mich um. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Regen nicht gerade Freude hätte, wenn ein Junges mitten in der Nacht draussen herumstrich. Doch keiner der liegenden Pelze regte sich. Wo bin ich hier? Träume ich? Oder kann nur ich das Hören? „Ja, das stimmt", erschrocken drehte ich mich um. Eine alte Wölfin stand vor mir. Sie war ausschliesslich grau und hatte eine weisse Schnauze. Teilweise fehlten ihr büschelweise Fell. Ausserdem zierten ein paar Narben ihre Flanke. „Nur du kannst das hören", wiederholte sie. „ Wer.. wer bist du?", stotterte ich. Ich war von ihrem Anblick überwältigt. Sie leuchtete und doch war sie durchsichtig. „Ich bin Mondschein", antwortete sie mit ihrer heiseren Stimme. „Was machst du hier", fragte ich sie, diesmal mit sicherer Stimme. „Ich habe eine Nachricht für Regen.." Das heisst ich muss sie jetzt ihm überbringen? „Richtig gedacht!", verwundert staunte ich über ihre Fähigkeit. „Das lernst du, wenn deine Zeit hier auf Erden vorbei ist", erklärte sie mir. Ich machte grosse Augen. „Sag Regen: Unheilvolle Zeiten kommen. Das Böse wird helfen. Doch das Böse wird auch regieren. Flüchtet, aber nicht zu früh!" Langsam verblasste Mondschein, ihre letzten Worte hallten immer noch in meinem Gedächtnis.. Flüchtet, aber nicht zu früh! Leise trottete ich zurück zum Bau und schlich hinein. Ich wollte von niemandem entdeckt werden. Ich rollte mich neben meinen Geschwistern zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf.

Frostmond - Legends Of The WolfsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt