7. Scharfkralle

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Ich schritt neben Streif dem Trampelpfad entlang. Heute war es ausnahmsweise angenehm warm. Teilweise hatte es bereits Knospen an den dürren Ästen. Wir waren gerade auf einer Patrouille. Sprenkel führte sie an, Regen war beim Bau geblieben. Sprenkel war wahrscheinlich so etwas wie ein Stellvertreter. Ich fand ihn nicht besonders nett, aber er war gerecht. Das musste man ihm lassen. Blüte und Tautropfen plauderten ein paar Wolfslängen vor mir miteinander. Sie verstanden sich gut. „Frost, schau mal!", bellte Streif neben mir. Neugierig folgte ich seinem Blick. Wir standen an einem Punkt von dem man gut über das Trockene Tal blicken konnte. Dieses Tal war, wie der Name schon sagt: sehr trocken. Selbst wenn es mal regnete, das Wasser verdunstete schnell wieder. Darum wuchsen dort unten kaum Pflanzen, geschweige denn Bäume. Doch nun hatte sich , in diesem sonst leeren Tal, eine riesige Herde von grossen mächtigen Tieren gesammelt. Ich hatte noch nie solche gesehen. Die meisten waren braun oder schwarz. Einige hatten auch Flecken. Sie gaben seltsame lang gezogene Geräusche von sich. „Was ist das?", fragte ich ein bisschen ängstlich. Streif sah mich nur fragend an. Er wusste genauso wenig wie ich, was das war. „Kommt schon! Ihr haltet uns nur auf." Sprenkel blickte uns tadelnd an und Blüte winkte mit dem Schwanz. Gehorsam trabten wir zu ihnen. Es wartete bereits die nächste Überraschung auf uns. Hinter dem nächsten Felsen, tauchte eine Senke auf, in der sich weitere unzählige solch komische Tiere taumelten. Hier gab es noch viel mehr. Meine Augen weiteten sich. Endlich erklärte Sprenkel, was es mit diesen Lebewesen auf sich hatte: „Das sind Kühe", so hiessen die also.. Komischer Name. „Sie kommen jede Blattfrische hierher. Sie tun uns nichts, wenn wir ihnen nicht nahekommen". Dann war ja alles in Ordnung. Plötzlich bellte etwas, ich schaute mich um. Keiner von uns Wölfen konnte es gewesen sein. Dieses Bellen war viel lauter und höher als unser. Selbst Sprenkel, der fast immer gefasst blieb , guckte verdutzt. Was ist das? Aus Instinkt duckte ich mich ein wenig. Irgendetwas roch fremd, anders als vorher. Ich konnte den Geruch nicht identifizieren. Dann erschien eine dunkle Schnauze hinter einem grossen Felsen. Zum Vorschein kam ein ... Wolf! Zumindest dachte ich das. Auf den ersten Blick sah er genauso aus wie wir. Er war etwa gleich gross und hatte rotes Fell. Jedoch hatte er auch einen buschigen Schwanz und langes zotteliges Fell. Als er uns sah, knurrte er laut und fauchte: „Was macht ihr hier? Auf dem Gebiet von Scharfkralle?" In seinem Blick lag etwas unheimliches, mehr als nur Zorn. Sprenkel war zuerst auch erschrocken, doch nun blickte er ruhig zu dem Tier. Er schien zu überlegen, da er eine Weile nichts sagte. Wahrscheinlich wägte er ab, ob es sich lohnte zu kämpfen. Schliesslich blickte er Scharfkralle direkt in die Augen und erwiderte: „Wir suchen kein Streit. Wir laufen nur unsere Grenzen ab". Scharfkralle lachte höhnisch auf: „Eure Grenzen abgehen, dass ich nicht lache", dann wurde seine Stimme wieder ernst, „von nun an ist dieses Gebiet meins, ob ihr es wollt oder nicht. Ihr werdet wohl eure Grenzen verschieben müssen und nun verschwindet!" Ich hatte die ganze Zeit Sprenkel angeschaut. Er musste doch etwas unternehmen. Da nahm ihnen doch glatt ein halbwüchsiger Wolf das Territorium weg. Doch Sprenkel tat nicht mehr als sich umzudrehen und mit dem Schwanz zu schnippen. Verärgert kehrte ich Scharfkralle den Rücken zu und stolzierte davon, meinen Rudelgefährten hinterher. Ich hörte noch wie dieses Miststück von Scharfkralle hinter uns hämisch lachte. Was war mit Sprenkel los? Warum hatte er nicht angegriffen? Na gut, ich hätte wahrscheinlich nicht gewonnen. Aber wir waren ja fünf gegen einen. Ich begriff es nicht.. Die ganze Rückreise zum Bau zurück war in Schweigen gehüllt, niemand sagte auch nur ein Wort. Jeder hing seinen Gedanken nach. Schon von weitem hörte ich ein Jaulen, als wir in die Nähe des Baus kamen, es war Bach. Das wusste ich genau. Sprenkel beschleunigte. Ich ahnte Schlechtes. Was war nur passiert? Dann sah ich es.. Ein paar andere von diesen komischen Wölfe wie Scharfkralle, hatten unser Rudel überfallen. Es roch bereits eklig nach Blut. Sie kämpften verbittert gegen einander. Es schien, als würde mein Rudel immer schwächer werden und verlieren. Doch da liess Sprenkel einen markerschütternden Schrei los und stürzte sich ins Kampfgetümmel. Wir folgten ihm laut jaulend. Ich rannte so schnell ich konnte. Ich musste Tupfe finden, sie war die Schwächste von uns. Wo war sie bloss? Da! Sie kauerte sich hinter einen Wacholderstrauch und ihr Fell aufgeplustert. Schnell rannte ich zu ihr. „Geht es dir gut?", sie schenkte mir ein Nicken. Ich stellte mich schützend vor sie. Sie sah mich dankbar an. Unerwartet sprang mich ein grauer Wolf an. Er war sehr gross und kräftig. Er zielte paar mal gekonnt auf meine Schnauze. Das tat weh. Doch ich wollte es mir nicht bieten lassen. Deshalb machte ich mich so gross wie möglich, so war ich knapp die Hälfte so gross wie er. Immer noch zu klein, aber ich liess mich nicht einschüchtern. Ruckartig sprang ich auf und versuchte auf seinem Rücken zu landen. Das war gar nicht so einfach. Denn ich fiel gleich wieder zu Boden. Ich stelle mich zwar miserabel an, aber wenigstens schinde ich Zeit und halte ihn auf. Ich rappelte mich wieder auf, doch schon landete der Graue auf mir. Ich versuchte mich freizukämpfen, doch es war sinnlos. Seine starken Krallen hielten mich am Boden fest. Da fiel mir der Trick ein, denn ich gegen Streif angewendet hatte. Dies war schon eine Weile her, aber wieso sollte ich es nicht versuchen. Ich liess also meinen Körper langsam erschlaffen, so dass mein Gegner dachte: ich gebe auf. Und tatsächlich, der Wolf entspannte seine Muskeln und schaute mich verwundert an. Diesen Moment nutzte ich und befreite mich aus seinem Griff. Ich wollte ihm gerade noch meine Krallen über die Ohren ziehen, als er sich blitzschnell umdrehte und davon jagte. Verblüfft schaute ich ihm nach. Dann richtete ich meinen Blick wieder zum Lagerplatz. Im Boden hatte es viele Spuren von Krallen. Doch die Angreifer waren verschwunden, nun war es ganz still. So unheimlich.. Vor mir bildete sich eine rote Lache. Blut! Ich blutete. Ich drehte mein Kopf, mein ganzes Fell war übersät von Kratzspuren. An meiner Schulter klaffte eine grosse Wunde. Ich fing an sie zu lecken, es brannte. Blüte kam schwerfällig auf mich zu getrottet. Auch sie war schwer zugerichtet, sie humpelte und über ihre Nase zog sich ein tiefer Kratzer. „Wie geht es dir?", krächzte sie. Wortlos leckte ich ihr über die Schulter. Traurig blickte sie mich an. „Gibt es Tote?", fragte ich ängstlich. „Ich weiss es nicht.." Ich schaute mich um. Neben dem Baueingang lagen ein paar reglose Pelze. Daneben stand Mond, ihr Blick war voller Kummer. Regen und Minzbart lagen neben einem Dornenstrauch. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass ihre Brust sich hob und senkte. Blüte starrte mit einem leeren Blick in die Ferne. Es zerbrach mir fast das Herz sie so zu sehen. Plötzlich hörte ich Bach jaulen, schon wieder. Doch es musste wichtig sein. Er rannte direkt auf mich zu. „Blüte, Frost", angespannt spitzten wir die Ohren, „Tupfe ist weg!" Vor Schreck weiteten sich meine Augen. Entsetzt heulte Blüte auf: „Das ist nicht wahr!" Ich konnte es auch nicht wahrhaben. Doch Bach nickte nur traurig: „Doch.."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 31, 2018 ⏰

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