3. Kapitel

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Dieses Kapitel wurde am 22. April 2018 überarbeitet.

(Erläuterungen dazu findet Ihr am Schluss des 9. Kapitels)

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> J U N A <

Ich konzentriere mich darauf, ruhig ein- und wieder auszuatmen. Es ist wie ein Mantra: einatmen – ausatmen. Immer weiteratmen. Solange ich atme, lebe ich. In der Dunkelheit fällt mich die Panik immer wieder wie ein wildes Tier an. Dann verschlägt es mir fast den Atem vor Angst.

Einatmen – ausatmen. Ich schalte alles andere aus und fokussiere mich nur darauf.

Einatmen – Staub kommt in meine Lunge und ich muss husten. Das bringt mich aus der Konzentration.

Nun höre ich eine Stimme. Ich hebe leicht den Kopf und sehe einen Lichtschein. Langsam erwache ich aus meiner Schockstarre und mein Überlebenstrieb meldet sich. „Hier bin ich!" meine Stimme tönt ganz rauh und fremd. Ob es laut genug war? Panisch rufe ich nun so laut, dass sich meine Stimme überschlägt. „Hallo!"

Ich höre ein neues Geräusch und sehe, dass sich die Tür einen Spalt breit öffnet. Der Lichtstrahl wird heller. Ich kann jetzt erkennen, dass ein Keramikblock im Weg ist, der vom umgefallenen Waschtisch stammt. Die Stimme ist nun näher. „Wie viele Personen sind hier drin? Sind Sie verletzt?"

„Ich bin allein. Bitte gehen Sie nicht weg! Lassen Sie mich nicht allein!" Nun laufen mir die Tränen übers Gesicht und meine Stimme versagt.

„Keine Angst. Alles wird gut. Ich bleibe bei Ihnen." Seltsamerweise glaube ich der Stimme und sie beruhigt mich. „Wie heissen Sie?"

„Juna", antworte ich automatisch.

„Hallo Juna, ich bin Harry. Ich helfe Dir, hier rauszukommen." Seine Stimme ist ruhig, tief und warm. Sie gibt mir Halt und hilft mir, die Panik zu überwinden.

„Kannst Du mir helfen, die Tür zu öffnen?" fragt er nun. Das Licht wird noch etwas heller und ich sehe, dass er sein Handy nah an den Spalt hält.

„Ja, ich versuche es." Mühsam stehe ich auf. Meine Knie zittern, aber ich spüre keinen Schmerz. Ich gehe auf die Tür zu und versuche den Block wegzuschieben. Er bewegt sich kein bisschen. Ich spüre, wie mir die Angst wieder den Hals zuschnürt. „Ich schaffe es nicht." Ich kann nur noch flüstern.

Aber die Antwort kommt sofort. „Versuch etwas zu finden, das Dir als Hebel dienen kann. Du kannst das! Wir schaffen das gemeinsam!"

Seine Stimme ist nun näher und tönt sehr bestimmt. Es kommt mir gar nicht in den Sinn, daran zu zweifeln. Rechts von mir sehe ich die Stange eines Handtuchhalters am Boden liegen. Ich nehme sie und schiebe sie soweit es geht unter den Steinblock. „Ok, ich habe etwas gefunden. Ich versuche es nochmal."

„Gut! Du machst das ganz toll!" ermutigt er mich.

Ich lehne mich nun mit meinem ganzen Gewicht auf das Ende der Stange und tatsächlich bewegt sich der Stein nun. Von aussen drückt Harry gegen die Tür und der Spalt wird grösser. Es ist immer noch zu schmal, um hindurch zu passen. Entmutigt und ausser Atem sitze ich am Boden neben der Tür. Ich kann es nicht mehr unterdrücken und fange nun an unkontrolliert zu schluchzen.

Die Türöffnung ist gross genug, dass Harry seinen Arm durchstrecken kann. Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter. Sie fühlt sich warm und stark an. Es ist, als ob durch diese Berührung wieder Kraft und Zuversicht in mich hinein fliessen würde. Er lässt mir Zeit, mich zu beruhigen, bevor er mich auffordert es nochmal zu versuchen. „Ich zähle bis drei und dann drücken wir gemeinsam. Diesmal klappt es!"

Healing Touch (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt