17. Kapitel

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> J U N A <

"Du hast mir schon einmal vertraut. Ich habe Dir versprochen, dass ich immer für Dich da bin. Dieses Versprechen gilt immer noch. Aber ich kann es nur halten, wenn Du mich lässt."

Harrys Worte sind klar und deutlich. Sie beinhalten einen Hauch von Vorwurf. Ich weiss, dass ich ihn mit meinem Ausbruch vorher bei Claire verletzt habe. Und ich weiss auch, dass er enttäuscht darüber ist, dass ich mich nicht bei ihm gemeldet habe, als es mir immer schlechter ging.

Dabei wollte ich doch nur meinen Weg alleine finden. Ich wollte mich und meine Bedürfnisse wahrnehmen, unabhängig von anderen Menschen. Es gab zwei Gründe für diese Entscheidung. Zum einen habe ich wirklich Mühe, jemandem zu vertrauen. Nach dem Streit mit meinen Eltern hat sich das noch einmal verstärkt. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass ich mich und meine Probleme niemandem zumuten möchte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand in diesem Zustand bei mir bleiben würde.

Und doch ist Harry jetzt hier bei mir und hält mich in seinen Armen. Er ist nicht weggegangen. Im Gegenteil, er ist mir sofort gefolgt, als er von meinen Problemen gehört hatte. Er wiederholt sein Versprechen so oft, weil er weiss, dass ich so grosse Mühe habe ihm zu glauben. Es sind aber nicht nur seine Worte, nein auch seine Taten zeigen mir, dass er immer für mich da ist.

Jetzt bin ich am Ende meiner Kräfte. Ich kann nicht mehr. Mit meiner letzten Energie treffe ich nun die bewusste Entscheidung, meine Abwehr aufzugeben und Harry in mein Leben zu lassen.

"Okay."

Erleichterung durchflutet mich. Harry hält mich immer noch sicher in seinen Armen. Ich habe das Gefühl, dass eine kleine Ewigkeit vergangen ist, als ich mich langsam wieder bewege und aufsetze. Er beobachtet mich aufmerksam. Ich kann es ihm nicht verübeln, dass er angespannt ist. Zu oft habe ich mich wieder von ihm zurückgezogen.

Ich lege meine Hände auf seine Unterarme, um ihm zu zeigen, dass ich den Kontakt zu ihm nicht verlieren möchte. Sein intensiver Blick wird nun weicher und das ermutigt mich, mich endlich auszusprechen.

Ich habe schon bei Ravi erlebt, wie wohltuend es ist, mit jemandem über alles zu reden. Aber hier mit Harry ist es noch einmal etwas ganz anderes. Jetzt wo ich es zulasse, spüre ich wieder unsere tiefe Verbindung. Er lässt mich nicht aus den Augen. Wie bei unserer ersten Begegnung im Restaurant vor dem Erdbeben habe ich das Gefühl, er kann mir bis tief in meine Seele schauen und mir den Trost geben, nach dem ich mich mehr denn je sehne.

Ich lasse nichts aus, erzähle ihm alles und schone auch mich selber nicht. Er unterbricht mich kein einziges Mal. Zwischendurch muss ich tief durchatmen, um weiterreden zu können. Dann nimmt er meine Hände in seine und durch seine Berührung fühle ich mich wieder sicherer.

Irgendwann ist alles gesagt. Ich bin froh, dass Harry mich ohne Unterbrechung reden liess. Er hat mir schon mehr als genug gezeigt, dass er mich versteht und mich nicht verurteilt. Ich fühle mich leer und müde, aber auch unglaublich leicht. Ich bin zu erschöpft, um dies als gut oder schlecht zu empfinden.

Jetzt lehnt er sich in die weichen Kissen zurück und zieht mich mit sich. Er dreht uns so, dass er hinter mir liegt. Seine Arme sind fest um mich geschlossen und ich kuschle mich ohne zu zögern an ihn. Sein Kinn liegt auf meinem Kopf und ich spüre wieder seinen beruhigenden Atem. Ich merke noch, wie er kurz seinen Arm ausstreckt und das kleine Nachtlicht löscht. Ich halte ihn nicht davon ab. In seinen Armen ist die Dunkelheit nicht mehr so bedrohlich, sondern umhüllt mich wie ein samtenes Tuch.

Seine Arme sind immer noch eng um mich geschlungen, als ich die Augen das nächste Mal öffne. Die Sonne scheint und ich atme ganz ruhig im gleichen Rhythmus, wie sich Harrys Brustkorb hinter mir hebt und senkt. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigt an, dass ich über 12 Stunden geschlafen habe. Ich bewege mich nicht und höre in mich hinein. Ich bin noch erschöpft, aber ich spüre keine Panik, keine Angst und keine Reue. Alles fühlt sich richtig an hier in Harrys Armen.

Healing Touch (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt