11. Kapitel

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> J U N A <

Ich kann mich nicht wehren. Obwohl alle meine Sinne total durcheinander sind, kann ich nicht anders, als zu lächeln. Mein Herz schlägt schnell und meine Lippen brennen, aber das Gefühl, das dieser Kuss ausgelöst hat, lässt mich einfach nur strahlen.

Mein Herzschlag kommt ins Stolpern, als Harry mein Lächeln erwidert. Seine Grübchen, sein verlockender Mund und seine strahlenden Augen sind eine Kombination, die mir für einen Moment den Atem raubt.

Ich meine, es war nicht mein erster Kuss. Es ist jetzt nicht so, dass ich sehr viel Erfahrung hätte, aber den einen oder anderen Mann gab es schon in meinem Leben. Warum fühlt es sich dann jetzt so anders an?

Ich habe mir ja bereits eingestanden, dass zwischen uns eine starke körperliche Anziehungskraft herrscht. Seine Berührungen waren von Anfang an etwas Besonderes für mich. Aber sie kommen mir wie kleine plätschernde Wellen vor, die kein Vergleich mit dem Tsunami sind, den ich gerade erlebt habe.

Ich hatte es so satt, dass ich immer so intensiv auf seine Berührungen reagierte. Als er mich dann schon wieder darauf ansprach, liess ich mich einen kurzen Augenblick lang einfach von meinen Gefühlen leiten. Im einen Moment dachte ich noch, die Oberhand zu haben, aber im nächsten riss mir seine stürmische Umarmung den Boden unter den Füssen weg.

Er hat eine Art mich festzuhalten, die mir das Gefühl gibt, dass er wirklich zu hundert Prozent im Hier und Jetzt bei mir ist. Da gibt es nichts Halbherziges, kein Zögern – nur starke Arme und zielbewusste, besitzergreifende Bewegungen.

Der Kuss war unausweichlich, das wurde mir klar, noch bevor es dazu kam. Ich wusste, dass sich alles ändern würde, sobald sich unsere Lippen berührten. Ich sehnte es herbei und trotzdem überraschte mich die Intensität.

Er ist ein Geniesser, der jede Liebkosung, jede Berührung auskostet. Er nimmt sich, was er will, aber gibt alles tausendfach zurück. Es ist das erste Mal, dass ich durch einen einzigen Kuss so mit Haut und Haar erobert wurde.

Und jetzt stehen wir uns in der Küche gegenüber und versuchen beide zu begreifen, was gerade passiert ist. Das unerwartet helle Licht leuchtet jeden Winkel der Realität aus. Bestimmt sieht Harry meine roten, heissen Wangen und meine zitternden Hände.

Sein Lächeln ist selbstsicher, aber mittlerweile täuscht er mich nicht mehr so einfach. Ich sehe, dass er schnell atmet und seine weiten Pupillen lassen seine Augen dunkel erscheinen. Er ist einen Schritt zurückgetreten, aber er lässt mich nicht aus den Augen.

Mir fehlen die Worte. Ich weiss nicht, wie ich jetzt reagieren soll. Mein Körper schreit nach einer Fortsetzung. Alles in mir sehnt sich nach der Wärme seiner Arme und der Zärtlichkeit seiner Lippen. Im Gegensatz dazu arbeitet mein Verstand auf Hochtouren. Jetzt im hellen Licht habe ich den Drang zu analysieren, was da gerade passiert ist.

Aber ich finde keine Erklärung. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Vor Anspannung bohren sich meine Fingernägel in meine Handflächen. Ich sehe, dass Harrys Kiefermuskeln zucken. Es scheint ihm also ähnlich zu ergehen.

Gerade als ich denke, dass ich die Anspannung nicht mehr aushalte, höre ich Daniels Schritte auf der Treppe. Erleichtert über die Ablenkung wende ich mich der Tür zu und nehme ihm sogleich die Einkaufstasche ab. Als ich mich umdrehe, hat sich Harry abgewendet und kümmert sich ums Feuer im Ofen.

Ich weiss nicht, ob Daniel die angespannte Stimmung spürt. Auf jeden Fall lässt er sich nichts anmerken und mit seiner offenen, fröhlichen Art lockt er uns beide bald aus der Reserve.

Schon kurze Zeit später diskutieren er und Harry über die beste Zubereitung des Bratens. Da ja jetzt der Strom wieder funktioniert, haben wir wieder alle Möglichkeiten offen. Währenddessen fülle ich einfach mal die Casserole mit Zwiebeln, Gemüse und Kartoffeln. Zum Glück können sich die beiden jetzt einigen und so erfüllt bald ein feiner Duft die Küche.

Healing Touch (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt