2 Christian

17 3 0
                                    

Die Töne einer Glocke drängen in sein Ohr. Wie er die große Glocke hasste. Ernsthaft! Niemand auf dieser Welt stand freiwillig 2 Stunden vor Beginn der Nacht auf, 1 Stunde höchstens!

Christian rieb sich den Schlaf aus den Augen und wältzte sich aus seiner Ecke, die er Bett nannte. Er hatte sich echt die beste Gang ausgesucht. Naja, streng genommen hatten sie ihn ausgesucht.

Er hatte zwei Mitglieder der Beez auf seinem Weg zum Holyhouse getroffen und sie hatten ihn sofort angesprochen. Sie suchten einen Scharfschützen. Ursprünglich sollte er als Sklave bei irgendeiner Oma, der das Holyhouse gehörte arbeiten. Natürlich nicht seine eigene. In seiner Familie wäre das nie erlaubt gewesen, so ein Business zu betreiben. Mit "so einem Business" meinte er die Prostitution, von der er glaubte, gehört zu haben.

Christian schaute aus dem Loch in seiner Wand. Der Nebel und die grauen Wolken versperrten jede Sicht auf den hellblauen Himmel, den er so gerne mochte.

Zuhause hatte er manchmal Stunden hinaufgeschaut und sich dämlicherweise gefragt, wie groß der Himmel wohl sei. Als kleines Kind wollte er deswegen Bauarbeiter werden. Er hätte dann einen großen Turm gebaut auf dem man, nachdem man die riesige Anzahl Stufen bestiegen hatte, den Himmel berühren könnte. Schwachsinn!

Eigentlich, wenn er ganz ernst zu sich war, war er immernoch ein Kind. Ein Kind mit den schweren Lasten, Sorgen und Aufgaben eines Erwachsenen. Er war viel viel zu jung für das Ghetto. Zu jung, zu talentiert, zu schlau, zu verwundbar. Zusammengefasst, ein zu großes Ziel.

Sein Blick wanderte an der gegenüberliegenden Hausfassade herunter. Das Haus sah so aus, als würde es jeden Moment zusammen brechen. So waren alle Häuser im Ghetto. Einsturzgefährdet, feucht, schimmlig und kalt.

Er sah Mary unten in der Gasse.Sie hatte ihre blonden Haare zu zwei Zöpfe geflochten, die ihr über die Schultern fielen. Wie kann die schon so früh auf den Beinen sein? Sie war ungefähr sein Alter, das wusste er, und unglaublich hübsch. Doch Schönheit, das wusste er auch, war eher ein Nachteil im Gangleben. Genau so wie Intelligenz.

Sein Blick wanderte zu dem Typen, der sich ihr gegenüber gerade eine Zigarette angesteckt hatte. Es war ein Mann, ziemlich groß und gut gebaut. Vielleicht Ende 40. "Ach du scheiße!", fluchte Christian. Das war nicht irgendein Mann, nein, das war Bruno Bonebreaker. Was wollte der im Quartier der Beez?

Er war ein gefürchtetes Mitglied der Cotton Wests. Aber wenn es stimmte, was man sich sagt, dass Bruno die Knochen seiner Opfer brach und all ihre Daumenknochen sammelte, dann sollten er und Mary jetzt vorsichtig sein.

Christian tastete seine Flanken nach seinen Revolvern ab. Links war Challenger und rechts Killer. Auf beide konnte er sich gut verlassen und auf seine Gabe, wie seine Mutter immer sagte.

The Lies, we live.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt