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Ich spürte etwas unter mir, das leicht in der Luft hin und herschwang; eine Schaukel. Ein paar Meter vor mir stand mein kleiner Bruder, Hand in Hand mit jemandem, dessen Gesicht unter einer dunklen Kapuze verborgen war. In seiner anderen Hand hielt er eine rosafarbene Zuckerwatte. Er lächelte und sah dem Fremden ins Gesicht. Dieser setzte seine Kapuze ab, sein Gesicht war merkwürdig ebenmäßig und zu perfekt um menschlich zu sein. Er grinste und legte seine geschwungenen Lippen auf Taes. Dieser erwiderte den Kuss, wurde von dem Typen hochgehoben und davongetragen. Ich wollte aufstehen, ihm hinterherrennen und mir zurückholen, was mir gestohlen worden war, doch mein Körper spielte nicht mit. Ich war wie gefesselt an dieses Teil, das vor und zurückschwang. Vor und zurück. Vor und zurück.

Etwas weiches an meiner Wange weckte mich. Ich schlug die Augen auf und blickte in Taehyungs trauriges Gesicht. „Du hast geweint und dich im Bett herumgerollt", sagte er. Hatte er meine Tränen weggeküsst? „Darf ich zu dir?", fragte er leise. Ich schüttelte den Kopf. „Ich halte das für keine gute Idee", sagte ich und drehte mich rum. Eine leise Träne rollte meine Wange hinunter. Plötzlich spürte ich einen Luftzug an meinem Rücken, das Bett knarzte und jemand kuschelte sich von hinten an mich. „Du hast gewimmert und meinen Namen gerufen", flüsterte Tae und vergrub sein Gesicht an meinem Hals.

Vollkommen gerädert wachte ich am nächsten Morgen auf. Ich ging ins Bad und schloss ab. Taehyung sollte mich so nicht sehen. Schnell schminkte ich mich ein wenig, um meine Augenringe zu verdecken. Es klopfte leise an der Tür. „Hyung, mach auf."

„Warte, gleich", antwortete ich und vollendete mein Werk, dann öffnete ich die Tür. Tae trat ein und sah mich traurig an. „Du hast mich noch nie ausgeschlossen."

Ich blickte kalt zurück. „Und du hast noch nie etwas gegen meinen Willen getan. Ich hatte dir doch klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass du nicht in mein Bett kommen sollst?" Er senkte seinen Blick auf seine Füße. Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Ich kann ohne dich nicht schlafen", schniefte er. In mir widerstrebte alles, er tat mir unendlich leid, ich wollte ihn nicht verletzen, doch ich würde nicht mit meinen Gefühlen spielen lassen. Zähne putzen würde ich nachher machen, wenn er im Bad fertig war. Ich ging schonmal vor zum Frühstück, wo mich Mama überrascht erwartete. Taehyung und ich waren noch nie getrennt erschienen.

Wir saßen im Bus, ich hatte Tae mein Handy und meine Kopfhörer gegeben, ich wollte es nicht mit ihm teilen, das war nun vorbei. Er hatte auf dem Weg nach meiner Hand gegriffen, so wie jeden Tag, doch ich hatte ihn abgeblockt. Entsetzt und unendlich traurig hatte er mich angesehen und seitdem kein Wort mehr gesagt. Genauso wie ich.

„Hey", sagte jemand und pikste mich in die Seite. Es war Jimin. „Was ist", murmelte ich lustlos. „Du bist schon den ganzen Tag so abwesend, genau wie Taehyungie." Ich zuckte mit den Schultern. Taehyungie.

War es möglich, dass Tae in Jimin verliebt war? Ich legte den Kopf auf die Arme und schloss die Augen. Jetzt bloß nicht schon wieder heulen.

„Darf ich heute mit zu euch kommen?", fragte Jin. Ich nickte. „Super", freute er sich und lief neben uns her. Um das peinliche Schweigen zu brechen, das zwischen mir und Tae herrschte, redete er wie ein Wasserfall. Als wir zuhause ankamen, flüchtete Tae in unser Zimmer. „Komm mit nach draußen", sagte ich und lotste Jin in den Garten. Dort setzten wir uns auf die Hollywoodschaukel und betrachteten die Blumen, die Mama mit viel Sorgfalt eingepflanzt hatte. „Was ist los mit dir und Tae?", fragte Jin plötzlich. Ich sah ihn betrübt an. „Na komm schon, erzähl mir die Wahrheit", ermunterte mich Jin. Und dann konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich erzählte ihm von unserem gestrigen Gespräch, dann noch von meinen Gefühlen und, dass ich ihn in den letzten vierundzwanzig Stunden so kalt wie ein Eisblock behandelt hatte. Irgendwie lag ich am Schluss weinend in Jins Armen. „Er liebt jemand anderen", schniefte ich. Jin tätschelte meinen Kopf. „Du bist eine starke Person. Du wirst doch jetzt nicht aufgeben, oder? Überzeug ihn von dir, fang am besten damit an, ihn so wie immer zu behandeln und nicht mehr so ignorant und dann steiger dich. Du schaffst das, Fighting!" Ich sah ihn verweint an. „Meinst du?", fragte ich unsicher. „Jaa!", rief Jin und ich setzte mich auf. „Okay, ich schaff das!" Jin streckte mir die Daumen hin. Dann sah er auf seine Uhr und verabschiedete sich schnell.

Ich machte mich auf den Weg ins Haus, fest entschlossen, mir meine Gefühle erstmal nicht anmerken zu lassen.

Zuckerwatte || VhopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt