Kapitel 28 - Vater

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Lila Haare und lila Augen.

Daran muss man sich erst einmal gewöhnen.

So ging es jedenfalls Rachel. Im Bad sah sie sich lange im Spiegel an. Ihre Haare waren wirklich lila, und ihre Augenfarbe wurde von dem Grün, das sie so sehr liebte, in einen Violettton  verwandelt. Warum lila? Und warum war der Großteil ihrer Kleidung in schwarz und lila gehalten?

Rachel konnte es sich nicht erklären.

Seufzend verließ sie das Bad und holte sich aus dem Kleiderschrank einen dunklen Pullover mit zwei weißen Streifen auf jedem der Ärmel. Sie zog ihn sich rasch über und zog noch eine schwarze Jogginghose an. Sie vermisste die gelben, hellen Farben, die sie so gerne trug.

"Rachel? Kommst du? Wir haben viel zu besprechen", hörte sie dann eine fremde Mädchenstimme hinter der Tür. Rae zuckte zusammen und blinzelte kurz. Dann ging sie zur Tür, öffnete diese und sah ein Mädchen mit weißen Haaren. Sie grinste kindlich und zog Rachel sofort mit sich.

Rachel wollte nach Hause. Wobei... Was war überhaupt ihr Zuhause? Sie lebte zwar für eine Zeit auf dem Weingut, aber es war kein Zuhause für sie.

Die Kallter waren wie eine Familie für sie, aber dennoch hatte Rae immer irgendwo dieses kleine Gefühl, zu wissen, dass sie eigentlich nicht dazu gehörte.

Dass sie nur da war, weil es im Rest Jorviks zu unsicher war.

Dass sie in Silverglade war, weil ihre Eltern sie rausgeschmissen haben.

Weil ihre Eltern sie nicht lieben.

Weil ihr Vater sie hasste.

Weil er nicht mehr konnte.

Rachel schüttelte innerlich den Kopf und sprang von der letzten Treppenstufe. Das unbekannte Mädchen brachte sie in einen großen Raum. Die Wände waren rotschwarz gestrichen, in der Mitte stand ein großes, verdammt gemütlich aussehendes, Sofa. Jessica, Darko und noch ein Mädchen mit dunklen Haaren saßen darauf, während Mister Sands in einem Sessel saß.

Das Mädchen ließ Raes Hand los und schmiss sich in einen anderen Sessel.

Und Rae stand nun da und sah mit einem undefinierbaren Blick durch die Runde. Darko grinste sie kurz an, machte eine Handbewegung und auf einmal saß Rachel neben ihm. Sie zog scharf die Luft ein und rutschte von ihm weg. Darko quittierte dies mit einem Augenrollen.

"Also", sagt Rachel. "Erklärt mir, warum zur Hölle ich hier bin."

"Also", murmelte das unbekannte Mädchen mit den dunklen Haaren. Sie beugte sich vor und einige Papiere erschienen auf dem Tisch. Sie ordnete diese kurz und sah dann Rachel an. "Du bist keine Seelenreiterin. Ob du es glaubst oder nicht, aber du bist nicht so krass besonders, dass du eine Seelenreiterin bist. Dafür bist du einfach zu normal." Knallhart.

Rachel sah auf den Boden. Keine Seelenreiterin. Der letzte Monat war eine einzige Lüge.

"Allerdings bist du nicht zu normal, um eine Nachtreiterin zu sein", fügte das Mädchen hinzu. Rachel sah wieder auf. Ein Funken Hoffnung glüthe in ihr auf. "Katja, kannst du das mit dem Mondkreis erklären? Du kannst das am Besten."

Das Mädchen mit den weißen Haaren grinste übertrieben.

"Aber immer doch, meine liebe Apfelbine!", trällerte sie. Dann wurde sie aber wieder ernst und sah Rachel an. "Also, es ist folgendermaßen: Rachel, durch deine Adern fließt das sogenannte 'Dunkle Blut'. Bereits deine Vorfahren waren Garnok untertänigst ergeben und sie bekamen dafür spezielle Fertigkeiten, unter anderem die Gegenteile derer Aideens. Du wurdest in den Mondkreis eingeteilt, aber du bist kein Fan von Lesen und Malen kannst du schon gar nicht. Die wichtigste Fertigkeit, also Visionen in Bildern darstellen zu können, fallen also weg. Du bräuchtest die aber, um eine Seelenreiterin vom Mondkreis sein zu können.Ich habe ja gesagt, die Soulrider des Mondes lesen gerne und sind sehr passiv.Ganz ehrlich: Du bist das krasse Gegenteil davon. Du bist sportlich, du liebst es, draußen zu sein, shoppen zu gehen, einfach, irgendetwas zu machen. Du merkst schon, da stimmt etwas nicht."

Darko räusperte sich und bedeutete Katja mit einem Blick, dass er jetzt weitermachte.

"Du gehörst zu den Nachtreiterinnen, ganz einfach."

"Aber wie konnte das Mondsymbol dann bei mir aufleuchten? Ich verstehe das nicht ganz", murmelte Rachel verwirrt und zog die Beine an.

"Durch das pandorische Blut wurde dein Blut verfälscht", antwortete Mister Sands, der bis dato dem ganzen nur ruhig zu gesehen hatte. Rachel war das Fragezeichen quasi ins Gesicht geschrieben. Er seufzte. "Der Typ, den du jahrelang deinen Vater genannt hast, ist nicht dein Vater."

Rachel schwieg. Wie es gerade jeder in diesem Raum tat. Dann kamen ihr die Tränen hoch und sie kniff die Augen zusammen.

Auf einmal machte alles einen Sinn.

Dass Jennifer Cody angeblich betrogen hatte, war wahr.

Ihre Haarfarbe musste sie von ihrem richtigen Vater haben.

Cody hasste sie, weil sie das Ergebnis eines Seitensprunges war.

Ihre Mutter hasste sie, weil sie das Ergebnis ihres Fehlers war.

Rachel versteckte ihr Gesicht in ihrem Pulloverärmel. Sie wollte einfach weg hier, damit sie ihr Leben weiterleben konnte.

Ihr Leben, das eine einzige Lüge war.

Mister Sands nahm darauf, dass Rachel das wirklich traf, keine Rücksicht. Er rollte kurz mit den Augen, seufzte und massierte sich die Schläfen.

"Dein richtiger Vater hatte schon, bevor er deine Mutter kennenlernte, einige Ausflüge nach Pandoria gemacht. Die pandorische Energie aber verfälscht das Blut und so kann es zu Verwechslungen kommen, wie es bei ihr und diesem Seelenreiterding war.

Als Evanon nun deine Mutter kennenlernte, hatte er sich Hals über Kopf in sie verliebt. Das beruhte aber auf Gegenseitigkeit. Es kam, wie es kommen musste, die beiden trafen sich immer öfter und irgendwann bist du dann entstanden. Bevor jemand wusste, dass Jennifer schwanger war, musste Evanon wieder nach Pandoria. Dort blieb er ziemlich lange, bis er vor einigen Jahren zurückkam. Mittlerweile wurde der Großteil seines dunklen Bluts durch pandorisches ersetzt, er hat keine Fertigkeit mehr, die ihn auszeichnet. Übrigens, deine Fertigkeit wäre wohl die Schnelligkeit. Dir kommt es vielleicht nicht so vor, aber du bist schneller, als sonst irgendwer.

Jedenfalls hast du auch pandorisches Blut in dir, du kannst deine Fertigkeit nicht richtig einsetzen und du wirst verfälscht. Du bist wirklich nicht zu normal für unsere Welt."

Als Sands endete sah Rachel ihn mit großen Augen an. Ihr Vater sollte ein Typ namens Evanon sein?

"Als dein Vater heraus bekam, dass Jennifer dich ihm untergeschoben hat, wurde er handgreiflich. Und bevor du fragst, ja, Gina ist nur deine Halbschwester und Tim und Daniel nur deine Halbbrüder."

Rachel schwieg weiterhin und sah aus dem Fenster nach draußen. Ihr ganzes Leben war auf einem Fehler aufgebaut und auf einmal brach alles zusammen. Das Fundament war einfach weg.

"Die Druiden wussten davon, dass dein Blut etwas besonderes ist, sie konnten es aber nicht richtig sehen und haben dich damit in Gefahr gebracht. Du musstest also zu den Kalltern."

"Moment Mal", murmelte Rachel und sah durch die Runde. "Woher wusstet ihr überhaupt, dass Aiseah und ich bei den Kalltern waren? Linda sagte doch-"

"Dass man im Dinotal keine Energie Aideens feststellen kann. Und das ist auch richtig. Aber erinnere dich, du bist keine Seelenreiterin", unterbrach Darko Rachel und sah sie mit einem leicht entschuldigenden Blick an. Rachel nickte langsam und sah wieder nach unten. Sie legte die Arme auf ihre Knie, legte ihren Kopf auf diese und seufzte.

"Du bist eine Nachtreiterin mit dunklem und pandorischem Blut."

"Wer ist eigentlich dieser Evanon?", fragte Rachel dann und sah zu Darko hoch. Er sah kurz Sands an, und als dieser nickte, seufzte Darko tief.

"Bei den Druiden dürfte er als 'Evergray' bekannt sein."

Rachel und Ravenclaw - Eine Reise ohne Ende | SSO FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt