Irrungen und Wirrungen

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- Titel kopiert von Theodor Fontane - 

(typischer Standard bei Texten über sich selbst.)

Kopien. Kopien, Kopien, Kopien. In einem Kapitel über Bruchstücke habe ich darüber mal geschrieben. Über Kopien, über Duplikate. Sie seien nur Nachahmungen eines unfehlbaren Unikats. Eine Kopie kann niemals so gut sein wie das Original - und so sollte ich auch gar nicht versuchen Fontane nach zu ahmen - wie auch, ich habe das Buch gar nicht gelesen.

Eine Kopie. Bin ich das? Ich habe keine Ahnung. Ich habe keine Ahnung, seit so vielen Wochen rätsele ich darum, wer ich überhaupt bin. Eine Kopie, Marcel, Student, Enkel - ein Lehrling meiner selbst? ich habe keine Ahnung. In wenigen Stunden bin ich offiziell 20 Jahre - 08:29 Uhr -, keine Nummer eins mehr, eine zwei. Irgendwie älter, und doch nicht wirklich weiser. Letztens habe ich herausgefunden, dass ich Ranukeln mag, und eben den Namen dieser Blumen. Ich hab mir eine gekauft, in dunkelrot, eine meiner Lieblingsfarben. Aber meine Lieblingsblumen sind weiterhin Dahlien. Dahlien sind toll, ich mag sie. Ich mag sie sehr und würde mich echt freuen, mal eine geschenkt zu bekommen. Weil man an mich gedacht hat. Weil ich vielleicht für jemanden etwas besonderes bin. Eine Dahlie, einen Blumenstrauß. Ich liebe Blumensträuße. Ich habe noch nie einen geschenkt bekommen. 

Mein Zimmer ist aufgeräumt, so wie es eigentlich immer ist. Auf dem Boden liegt Verpackungsmüll, obwohl ich mir eigentlich geschworen habe, dass ich mehr auf die Umwelt achten möchte. Immerhin ermahne ich immer alle Leute, dass sie die Plastiktüten für Obst und Gemüse weglassen sollen. Ein bisschen hilft es mir, dass ich im Jahr 24€ an Greenpeace spende, eine Herzensangelegenheit, abgeschlossen vor einem Jahr, als ich in Hannover war. Mein Koffer von meinem Harzausflug ist immer noch überfüllt, Kleidungsstücke quellen aus ihm hervor, daneben ist eine Geburtstagstüte meiner Tante, die ich bereits geöffnet habe, weil ich einfach viel zu ungeduldig bin. Es waren Geschirrtücher drin, Tee. Ich liebe Tee. Ich habe unglaublich viel Tee, aber so langsam machen meine verschiedenen paar Schuhe meinen losen Teesorten ziemliche Konkurrenz, whatever. 

So viel dazu, irgendwelche Informationen, ein bisschen Wissen über mich. Ich glaube, so kann man mich festschreiben. Ein bisschen. Ich bin ein bisschen, ein bisschen von etwas ganzem. Irgendwie habe ich das Gefühl, die zweite Wahl zu sein. Ich war sie irgendwie immer. Da studiere ich auf Lehramt und möchte anschließend an einen Ort zurück, der mich schon dazu gemacht hat, was ich heute bin. Irgendwie. Irgendwie ich, irgendwie nur Marcel und irgendwie ein halbes Leben. 

Manchmal habe ich das Gefühl alles zu vergessen, Informationen über mich. Über das, was ich mag. Ich vergesse, welche Musik ich gerne höre, was ich so unglaublich inspirierend finde. Ich vergesse zu sagen, dass ich den Geruch von frischen Brötchen am Morgen liebe und es eigentlich total toll finde, wenn Wespen um einen herum schwirren. Ich liebe den Geruch von Lenor. Vollwaschmittel. Buntwaschmittel. Wäscheparfum. Weichspüler. Geruchsexplosionen. Ich liebe es, an den Gewürzbeuteln im Supermarkt zu riechen, an den Seifenverpackungen, das Aufschrauben von Waschmitteln. Ich vergesse es, ich vergesse mich. 

Ein bisschen weniger ich, habe ich das Gefühl. Ich habe hier bestimmt viel zu oft wieder »ich« an den Anfang der Sätze geschrieben. Ich. Ich. Ich. Was ist ich? Ich sollte vielleicht weniger an mich denken und das Zentrum meines Lebens auf etwas anderes konzentrieren. Nicht nur ich, ich sollte nicht so egoistisch sein. Ich. Irgendwie ein bisschen. Ein bisschen weniger Marcel. So habe ich das Gefühl. 

Ich habe es immer noch nicht geschafft das Geschirr, welches zwei Wochen (!) in der Spüle lag und ich dann vorgestern abgewaschen habe, einzuräumen. Und das, obwohl ich doch eigentlich mein blaues Geschirr mit weißen Punkten so liebe. Ich liebe Rheinsberger Geschirr. Aber warum will ich es dann nicht ordentlich im Schrank haben, sauber und gestapelt. Keine Ahnung. 

Meet MarcelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt