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Hallo, lieber Leser. Meine Namen sind Jess und Dream. Eigentlich heiße ich Jessica Smith. Jess ist nur eine Abkürzung. Wieso ich aber auch Dream genannt werde und damit zwei unterschiedliche Namen habe, erfährst du in meiner Geschichte. Ich würde behaupten, ich bin so wie jedes andere 14-jährige Mädchen. In dieser Welt schon. In meiner eigenen Welt nicht. Bestimmt fühlst du dich auch manchmal betrübt, einsam, verlassen. Du möchtest dann einfach abhauen, weißt aber nicht wohin. Vielleicht malst du dir manchmal auch aus, wie dein Leben aussehen würde, wenn du dir dein Umfeld, deine Mitmenschen und überhaupt dein gesamtes Leben selber erstellen könntest. So, da wären wir auch schon beim Thema. Ich male mir meine Welt auch oft selbst aus. Doch ich habe sie dann nicht nur in Gedanken vor mir, sondern trete in dieses wundersame Universum ein. Dies meine ich auch nicht kreativ oder poetisch. Dies ist mein voller Ernst. Hätte mir das Gleiche jemand vor ungefähr einem Jahr erzählt, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Nur jetzt erzähle ich es, denn ich weiß, dass es die Wirklichkeit ist. 

Alles fing an dieser Kreuzung an, auf dem Asphalt. Damit du diese Geschichte aber richtig verstehst, muss ich wirklich von ganz vorn anfangen...

Schule. Viel zu sehr überbewertet. Vor allem Mathe! Wer braucht Mathe? Gut, man sollte vielleicht Addition und Ähnliches beherrschen. Aber Wurzelberechnungen? Nein, danke! Brauch' ich nicht, will ich auch nicht! Wozu gibt es Taschenrechner, mal ganz ehrlich? 

Naja, egal.
Hier im Klassenraum war alles wie sonst. Der Lehrer redete unsinniges Zeug, ein Dreiviertel der Klasse hörte nicht zu und ich beschäftigte mich damit, irgendetwas in meinen Mathehefter zu kritzeln. Ich zeichne gern, habe aber kein wirkliches Talent. Klare Bilder schmücken jedesmal mein Gedächtnis und ich versuche es auch jedesmal so aufzuzeichnen, wie ich es vor mir sehe. Es könnten so schöne Ergebnisse entstehen, aber ohne zeichnerische Begabung macht sich das relativ schlecht. Ich legte den Bleistift aus der Hand und gab es auf. Zum Glück saß ich am Fenster, denn draußen passierten meist interessantere Dinge als hier drin. Doch dieses Mal musste ich mich enttäuschen. Keine Sterbensseele war auf den Straßen. War eigentlich auch kein Wunder, bei dem Wetter. Kalt. Feucht. Neblig. Ich persönlich finde ja solches Wetter schön. Es hat immer so etwas Geheimnisvolles. Man weiß nie so recht, was sich hinter dem Nebel verbirgt. Ich steh' auf Geheimnisse und keines ist auch vor mir sicher. Draußen stand ein Ahornbaum. Seine Blätter bewegten sich sanft im leichten Wind. Plötzlich sagte Mr. White: "Gut, die Hausaufgaben hätten wir jetzt auch geklärt und alle Fragen beantwortet!" Mist, ich hatte alles verpasst und kein bisschen mitgeschrieben. Wenn ich mir so die anderen hinter und vor mir anschaute, konnte ich nicht wirklich glauben, dass ich die einzige war. Ich würde mich später bei Annabel oder Lilly informieren. Die beiden sind meist die einzigen mit guten Noten. Meine Klasse ist so im Durchschnitt eigentlich gar nicht so schlecht. Die meisten sind einfach nur faul. So wie ich. Oft habe ich keine Lust für irgendeine Klausur, wie für Chemie, Mathe oder sonstige Naturwissenschaftsfächer zu lernen. Viel lieber aber mache ich meine Aufgaben für künstlerische Sachen. Kunst und Musik fallen mir da viel leichter. Wie schon gesagt, ich bin nicht der größte Zeichner oder Sänger, aber ich habe meinen Spaß und mein Kopf ist voller Fantasie. Auch im Deutschunterricht liebe ich es, Geschichten zu schreiben. Sport treibe ich aber auch gerne. Loszurennen und nicht zurückzuschauen. Sich freizufühlen. Das ist das beste Gefühl auf dieser Welt. 

Wenn ich für einen Tag im Körper eines Tieres leben dürfte, wäre es es in meinem Fall auf jeden Fall ein Vogel. Am besten ein riesengroßer Adler. Dann könnte ich meine Federn spreizen und abheben.
Mein kleiner Kurzfilm, der mir innerlich vor den Augen flimmerte, wurde von dem Pausenklingeln unterbrochen.
"Habt ihr den Vertretungsplan gelesen?", fragte uns Mr. White. "Ihr habt jetzt die letzte Stunde Ausfall!"
Ein Jubeln rauschte durch die Klasse und ein witziges Feuerwerk vor Freude fing in mir an zu sprühen.
Zum Glück kein Physik! Da hätte ich noch Zeit kurz in den Park zu gehen. Ich gehe öfters mal in den Park. Allein. Ich bin oft gern allein. Das Komische ist nur, dass ich mich in solchen Situationen nie wirklich allein fühle.

Das Mädchen, das im Asphalt verschwandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt