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"Das... das ist weg", sagte ich leise. "Wie weg? Hast du dein Handy etwa verloren? Sag nicht, dir wurde es geklaut?", meinte meine Mutter, und ich konnte förmlich sehen, wie sie innerlich betete, dass das Handy noch da war, da es nicht gerade billig gewesen war und sie mir so schnell nicht einfach ein neues kaufen konnte. Wir gehörten nun mal nicht zu den reichsten Familien dieser Stadt. Aber arm waren wir nun auch wieder nicht.
Es ist logisch, dass wir ohne meinen Vater weniger Geld besitzen. Ich lebe jetzt schon seit meinem vierten Lebensjahr mit meiner Mutter allein hier. Sie meinte immer, er wäre früher nie für mich und sie da gewesen, wäre früh um 7:00 Uhr gegangen und um 22:00 Uhr wieder nach Hause gekommen. Er wäre nie bei Familienausflügen dabei gewesen oder bei anderen Ereignissen. Selbst an meinen Geburtstagen war er nicht anwesend. Ich bin also praktisch ohne Vater aufgewachsen. Das klingt jetzt komisch, aber das ist mir so eigentlich ganz recht. Also mir ist es auf jeden Fall recht, dass er schon so früh gegangen war. Klar, hätte ich gerne einen Vater. Aber einen, der für mich da ist.
Wo er jetzt zur Zeit war, was er machte oder wie er jetzt überhaupt aussah, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass er weg war. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch keine besondere Lust meine Mutter nach ihm auszufragen. Mir war er inzwischen irgendwie egal geworden, und ich hatte es aufgegeben, mir über ihn den Kopf zu zerbrechen.

Aber zurück zum Thema.
"Ich weiß nicht so recht. Es ist auf jeden Fall weg und ich finde es nicht mehr", sagte ich hastig und rannte zur Treppe, um der bevorstehenden Diskussion aus dem Weg zu gehen.
"Jessica Smith! Sofort kommst du hier her!", hörte ich die Stimme meiner Mum hinter mir. Ich zuckte ein wenig zusammen, drehte mich vorsichtig um und musste ein wenig anfangen zu grinsen. Ihr grimmiges Gesicht verwandelte sich sehr schnell wieder in ein ruhiges Lächeln.
"Dein iPhone war teuer, meine Liebe!", fuhr sie fort. "Ich will, dass du jetzt nochmal in deinen Sachen nachschaust, ob es da irgendwo rumkullert!" Ich sagte: "Mum, ich hab schon überall geschaut. Ich habe keine Ahnung, wo das ist. Bestimmt hab ich's bei Sport oder irgendwo anders in der Schule liegen lassen." "Dann kümmere dich und schau morgen in der Schule nach oder frag, ob es jemand im Sekretariat abgegeben hat!", sagte sie. Ich antwortete schnell mit einem kurzen "Ja", rannte die Treppen nun endlich hoch und sah, wie meine Mutter noch leicht mit dem Kopf schüttelte.
Ich verzog mich in mein Zimmer, warf mich wieder auf's Bett und wusste immer noch nichts. Ich wusste nicht, wo mein Handy war, ich wusste nicht wo dieses Mädchen war und ach ja, ich wusste immer noch nicht so recht, ob ich heute auf der Kreuzung halluziniert hatte oder einfach nur verrückt wurde. Und dann, klar, bin ich als Krähe über London geflogen. Wie konnte ich das nur vergessen?! Und dabei dachte ich immer, ich hätte ein langweiliges Leben. Anscheinend ja nicht.

Nein, ich musste ernsthaft herausfinden, welche "Zauberkraft" hier ihr Unwesen trieb.
Was hatte dieses Mädchen gesagt? "Willkommen in deiner eigenen Welt, Jess!"

Ehrlich gesagt, wäre es schon cool in seiner eigenen Welt zu leben. Ach Quatsch, was dachte ich da bloß. Ich hatte mir einfach den Kopf gestoßen.
Aber so bekloppt war ich doch nun auch nicht.
Mir blieb eigentlich nur eines übrig: Ich musste dieses Mädchen finden. Aber wo konnte ich sie nur wiedertreffen? Ich wusste ja nicht einmal ihren Namen.

Vielleicht an der Kreuzung?
Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich eine ziemlich blühende Fantasie hatte und jetzt schlafen wollte, denn ich war vom heutigen Tag total geschafft.

Das Mädchen, das im Asphalt verschwandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt