Das kalte Wasser umspielt meine nackten Füße und ich lege den Kopf in den Nacken, um die Sterne zu betrachten. Nur wenige dünne Wolken ziehen langsam über den Himmel, während mir millionenfach das Licht der entfernten Sonnen entgegenstrahlt. Ich ziehe die Hände in die Ärmel von Lucas Pulli zurück, um die Kälte aus den Fingerspitzen zu vertreiben.
Meine Gedanken wandern nach Hause, zu meinem Luca. Und zu meinen Eltern, die ich kaum vermisse. Nicht, dass ich sie nicht lieben würde oder ihnen nicht dankbar wäre für all die Jahre, in denen sie mich aufgezogen haben, aber ich konnten nie eine wirkliche Verbindung zu ihnen finden. Sie waren immer ein wenig anders als ich, voller Disziplin und erfolgsorientiert, was wohl auch der Grund war, wieso sie sich am Ende mein Auslandssemester leisten konnten.
Viel mehr vermisse ich Luca. Ich stelle mir vor, wie er jetzt hier bei mir sitzt, seine Arme um mich schlingt und ich meinen Kopf an seine Schulter lehne, während die Sterne über uns leuchten. Ich kann nichteinmal sagen, dass egal wo wir sind, wir immer den selben Mond anstarren werden, denn dort, wo er jetzt ist, ist vermutlich helllichter Tag.
Eine Berührung an meinem kleinen Zeh lässt mich aufschrecken und den Blick nach unten wenden. Eine silbrig-orange schillernde Membran umgibt meine Beine, doch kaum habe ich sie entdeckt, zieht sie sich auch schon ins Meer zurück. Es muss sich um eine Qualle gehandelt haben, so ähnlich sah es zumindest aus. Ich ziehe meinen Fuß heran und betrachte die Stelle, an der ich die Membran gespürt habe, doch es ziehen sich weder rote Pusteln auf, noch schmerzt es, also war es wahrscheinlich nichts giftiges.
Beruhigt lasse ich meine Füße wieder ins Wasser gleiten und wende den Blick zum Horizont, den ich in der Dunkelheit unmöglich ausmachen kann. Doch schon wenige Sekunden später spüre ich erneut eine Berührung, und diesmal sehe ich eine Flosse, an der die Membranfäden festgewachsen sind. Die Flosse ist schon eine Sekunde später verschwunden und ich glaube fest an eine Lichtspiegelung - was für ein Fisch kann das gewesen sein, mit einer einen Meter breiten orangen Flosse? Davon hätte ich noch nie gehört... dennoch, sie war wunderschön.
Angst breitet sich in mir aus, Angst davor, dass dieses Tier, was immer es ist, mich beißen oder ins Meer zerren könnte, und ich ziehe die Füße hektisch ein und stolpere über die nassen, glitschigen Steine nach oben, wo ich über das hölzerne Geländer klettere. Sofort fühle ich mich sicherer und lehne mich vornüber in Richtung Meer.
Ich glaube, ein oranges Glitzern ein paar Meter vom Ufer entfernt zu sehen, doch solange ich auch hinstarre, ich kann mir kaum sicher sein. Also ziehe ich mich zurück auf die Bank und kann nicht anders, als meinen Block aus der Tasche zu ziehen und die Membranfäden um der Flosse zu malen. Ich habe all meine Zeichensachen dabei, was meine Tasche auch recht schwer macht, und so fällt es mir leichter als erwartet, den richtigen Farbton zu finden und mit den Lichtverhältnissen zu spielen.
Meine Finger sind voller Acrylfarben und mit Wachs verschmiert, als ich den Blick von dem im Licht einer Straßenlaterne schwach beleuchteten Blatt hebe. Vor Schock schnappe ich lauthals nach Luft, als ich sie dort auf einem der nassen, kalten Steine sitzen sehe, den Blick genau auf mich gerichtet.
Ein wundersames Wesen aus Licht und Wasser, und doch so menschlich, geht es mir durch den Kopf. Im ersten Moment hätte ich sie für ein gewöhnliches Mädchen gehalten, na gut, vielleicht nicht gewöhnlich. Ihre Augen sind von einem tiefen grünblau, strahlend wie das Meer in der Sommersonne, während ihr sanftes und doch kantiges, aber sehr elegantes Gesicht von einer wallenden Mähne aus braunem Haar umgeben ist. Trotz der Nässe scheint es seidig und steht kaum unförmig zur Seite, wie es bei einem normalen Mädchen der Fall gewesen wäre. Vielleicht ist auch die Bezeichnung 'Mädchen' falsch, denn sie ist vielmehr eine Frau, deren Brüste von einem durchwachsenen Gewebe aus silbernen Schuppen und Haut bedeckt sind, die Schuppen reichen ihr bis hinunter, nicht zu ihren Füßen, nein, zu ihrer Flosse. Und da habe ich meine Antwort - wahrlich, es gibt keinen Fisch mit solch einer Flosse.
Sie sieht mich direkt an, während sie mit einer Hand die vielen Haare aus ihrem Gesicht fernhält.
"Was bist du?", hauche ich, in dem Moment vergesse ich alles, was ich jemals wusste oder gelernt habe, ich bin nur geblendet von ihrer Schönheit und ihrer Eleganz.
Sie sieht mich schüchtern an, fast als wäre sie diejenige, die Angst haben musste. Als wüsste sie nicht, was ich bin. Dann öffnet sie ihre Lippen ein klein wenig, dann etwas mehr und scheint jedes einzelne Wort zu betonen, ihre Lippen bewegen sich in fast schon übertriebenem Maße. "I am Rhae"
_______________________________________
Ich muss mich echt mal dafür bedanken, dass das hier überhaupt jemand liest *.* Ich habe versucht, Rhae zu zeichnen (leider dank fehlendem Talent mit mäßigem Erfolg), falls ihr es sehen wollt, findet ihr es auf meinem Instagram Profil: d.oim
DU LIEST GERADE
Mermaid (Pausiert)
FantasyCiela - das sind wallende schwarze Haare, tiefgründige grüne Augen und eine unglaubliche künstlerische Begabung. Kein Wunder, dass ihr Freund Luca sie am liebsten für immer behalten möchte. Dennoch hat Ciela sich entschieden, ein Auslandssemester i...