/6/

19 2 0
                                    

(100 Tage) D A V O R

Jonah's Augen glitzern nur noch selten; sehr selten. Er redet häufiger von sterben, was den Kloß in meinem Hals größer werden lässt und mir schlaflose Nächte beschert.
Es macht mich fertig ihn so zu sehen. Jonah war immer dieser glückliche Junge, mit braunen Locken und dem Traum irgendwann raus aus unserer kleinen Stadt zu kommen; am Liebsten mit mir, das sagte er immer wenn er von der Zukunft sprach.
Das hat er schon lange nicht mehr getan. Ich wische mir über die Augen und versuche den Kloß herunter zu schlucken.

Als mir mein Bett zu ungemütlich wird und mein Nacken vom Anlehnen an die Wand wehtut, stehe ich auf; nehme mir die Zigaretten aus meinem Rucksack und hole mein kleines, blaues Notizbuch aus der Schreibtischschublade, öffne mein Fenster und setze mich auf die Fensterbank. Eigentlich ist es eher eine Couch vor meinem Dachfenster.

Ich zünde die Zigarette an und puste den Rauch in die klare Nacht, der Himmel ist fast wolkenfrei, sodass man einige Sterne erkennen kann. Dann öffne ich mein Notizbuch, in das ich Gedichte und Zitate schreibe und ab und zu zeichne.
Ich blättere darin herum und denke an Jonah.

Ich kaue am unteren Ende des gelben Bleistifts; Jonah hasst es wenn ich das mache.
Ich nehme den Bleistrift aus dem Mund und beginne zu zeichnen.

Zunächst die Umrisse eines Gesichts, dann den Mund, die Nase, die Augen und schließlich die Narbe unterm linken Auge und die Sommersprossen auf der Nase, die man nur sieht wenn man nah an seinem Gesicht ist.

Ich greife nach den Zigaretten und zünde mir erneut eine an und schließe das Notizbuch wieder.

Es ist dunkel draußen, nur die Straßenlaterne am Ende der Straße wirft ein Wenig Licht in die Nacht.

Ich puste den Rauch in die Dunkelheit und denke an Jonah.

million piecesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt