Teil 59

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Lunas Porsche und Zacs Jeep kamen beide gleichzeitig auf dem Gelände unseres Lagers zum Stehen und sofort danach wurden Autotüren geöffnet und fielen gleich darauf wieder zu.
Zacharias hatte mittlerweile wieder einen Kaugummi drinnen und nickte in meine Richtung: "Gemütlich."
Ich hatte mit den anderen weder über meine Verhandlungen mit dem Blitzjungen noch über den Vorfall zwischen uns beiden gesprochen, und ich war auch nicht besonders wild darauf, das an die große Glocke zu hängen.
Ich ignorierte ihn geflissentlich und schrie, trotz der Tatsache, dass es mitten in der Nacht war, durch das Camp: "Marie!"
Die Tür der Haupthütte wurde mit solcher Wucht aufgeschmissen, dass es mich wunderte, dass es sie nicht aus den Angeln riss. Mit laut stampfenden Schritten kam ein hochrotes, hochaggressives Eismädchen auf mich zu: "Melrose!" Ihre Stimme klang sarkastisch gespielt glücklich und ich musste mir bei ihrem Anblick ein Schmunzeln verkneifen, denn in ihren Haaren hatten sich Blätter und Äste verfangen und ihre Finger waren ganz verschrumpelt, als hätte sie stundenlang gespült. Anscheinend hatte mein Zwang, sie den ganzen Tag zur Arbeit zu verdonnern, hervorragend funktioniert.
"Wie war dein Tag?", fragte ich in neutralem Tonfall und Marie trat einen Schritt auf mich zu.
"Das wirst du noch bereuen", schnaubte sie, doch ich ließ mich davon herzlich wenig beeindrucken.
"Ich löse den Befehl von dir, danke für deine Arbeit", erwiderte ich und drehte mich dann zu dem Rest um. "Ich danke euch allen, wir sehen uns morgen."
Edward nickte mir erhaben zu und machte dann eine Faust und zog sie zu seiner Schulter, das Handzeichen der Nightmares. Thalia tat es ihm gleich und Luna nickte nur, dann verschwanden sie alle in ihren Hütten bis auf Zac und ich.
"Du erwartest jetzt hoffentlich nicht von mir, dass ich dir mit einem so förmlichen Quatsch begegne", meinte er und schnickte sich seine Haare aus der Stirn.
"Erstens ist das kein Quatsch, zweitens ist das ein Zeichen von Respekt und Loyalität, wovon du ja offensichtlich nicht sehr viel verstehst, und drittens, nein, ich erwarte so etwas Förmliches nicht von einem in der Pubertät zurückgebliebenen kleinen Vierzehnjährigen."
Zacharias lachte laut auf: "Wow, jetzt hast du es mir aber gegeben!"
"War's das jetzt? Ich würde auch gern schlafen."
"Mit mir?" Ich schüttelte den Kopf und sah ihn genervt an, bis er weitersprach: "Kein Grund zur Sorge, war ein Scherz. Wo schlafe ich denn?"
Ich deutete auf die Hütte, in die Edward gerade verschwunden war: "Das Bad ist unten, die Schlafräume in den oberen Etagen."
"Und wo schläfst du?" Ich unterdrückte ein Augenrollen und zeigte auf die Haupthütte.
"Gut, dann wäre mein Schlafplatz schon geklärt, ich komme mit dir."
"Auf keinen Fall!"
Er lächelte: "Schon vergessen? Ich bestimme, wo ich schlafe."
Ich biss die Zähne zusammen und versuchte nicht überzureagieren. Diese Sache mit der Verhandlung war eine absolut dämliche Idee gewesen, dennoch musste ich mich nun wohl oder über damit abfinden. "Na schön, in Ordnung."
Wir gingen zusammen in die Hütte und ich saß unten allein am Esstisch, weil ich darauf wartete, dass Zac endlich das Bad freigab. In diesem Moment wünschte ich mir wirklich, nicht immer die Anführerin zu sein. Ich hätte es gerne gehabt, wenn einfach mal jemand zu mir käme und sagen würde, hey Melrose, mach mal den Abwasch, oder ja komm, geh du erst ins Bad, leg dich doch schon mal schlafen, wir planen das. Dauernd wurde von mir erwartet, dass ich den Überblick behielt, dass ich wusste, wie es weiterging. Ich hatte die Verantwortung für diese Truppe hier und diese Last auf meinen Schultern fühlte sich schwerer an als Tonnen von Blei.
"Kannst hoch kommen, ich bin fertig, Melrose!", rief Zac und ich hoffte, dass er damit keinen der anderen geweckt hatte.
Ich stieg kopfschüttelnd die Treppe hinauf: "Nimm doch mal Rücksicht auf die anderen, die vielleicht schon schlafen und-" Meine Stimme verstummte augenblicklich, als ich einen halbnackten Blitzjungen vor mir entdeckte. Er hatte lediglich ein Handtuch um sich gebunden, sein makelloser Oberkörper mit Sixpack war super gut zu sehen.
"Ja?", fragte er und zog belustigt die Augenbrauen hoch.
Ich riss mich zusammen und sah ihm ins Gesicht: "Sei nächstes Mal einfach leiser."
"Sonst noch etwas?", er grinste immer breiter.
"Ja", ich lächelte, "du stehst mir im Weg." Ich schob mich durch den Spalt, den er gelassen hatte und schloss dann die Badezimmertür hinter mir ab. Dieser Typ war wirklich mehr als nur unglaublich.
Ich duschte mit dem Rest des warmen Wassers die Rückstände des heutigen Tages von meinem Körper und blieb unter dem Wasserstrahl länger als nötig stehen, obwohl ich todmüde war und auf der Stelle hätte einschlafen können. Ich trocknete mich ab und nahm mir Kleidung aus einem Schränkchen, das Luna erst vor ein paar Tagen mit allen möglich brauchbaren Utensilien ausgestattet hatte. Meine schwarzen Haare klebten mir an der Stirn und an den Wangen, was mein Gesicht viel schmaler wiken ließ. Ich inspizierte die Narbe an meinem Auge, die dank eines Nightmares namens Jessica Zart schon viel besser aussah als am Anfang. Sie war nämlich eine Heilerin, die wir ebenfalls davon überzeugen konnten, uns zu helfen. Ich hatte vorher noch nie von so etwas gehört, aber anscheinend gingen die Zarts ab und zu als anonyme Besucher in Krankenhäuser, um Menschen zu heilen. Das widersprach jeder Aussage der Nightmares über die Menschen, von wegen sie wären schwach und minderwertig. Und genau das war auch der Grund, warum mir Jessica und ihre ganze Verwandtschaft so symphatisch erschien. Natürlich waren auch ihren Fähigkeiten Grenzen gesetzt und sie konnten nicht jeden Virus und jede Krankheit behandeln, aber immerhin konnten sie blutende Wunden, Brüche und andere kleinere Übel weitgehend versorgen.
Ich machte mich im Bad fertig und schlich dann nur mit Hilfe des Mondlichts in das Zimmer, das ich mir mit Luna teilte. Das Mondmädchen lag mit dem Rücken zu mir und ich bemühte mich so leise wie möglich die Türe zu schließen und über die Holzdielen zu schleichen. Als ich mich endlich in meine Bettdecke gekuschelt hatte und bequem lag, hätte ich am liebsten die Zeit angehalten und hätte erst einmal jahrelang durchgeschlafen, um auf das vorbereitet zu sein, was noch kommen würde.

Nightmare-Ist Zorn gefährlicher als Macht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt