Teil 82

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Die Schlafräume waren schlicht ausgestattet. Es gab ein paar Nachttischlampen, sonst waren die Wände mit Bettreihen zugestellt und auch in der Mitte gab es ein paar Hochbetten. Ich richtete mir gerade eine Matratze in einer Ecke ein, als Edward auf mich zukam.
Er vollzog den Gruß der Nightmares und öffnete dann den Mund: "Ich wollte dich kurz fragen, was mit dem Porsche geschehen soll, der steht nämlich noch oben."
Innerlich stöhnte ich auf und wollte etwas erwidern, da erklang schon Luna: "Darum werde ja wohl ich mich kümmern, das ist immerhin mein Auto!" Ich lächelte sie erleichtert an und sie lächelte zurück.
"Melrose?", fragte jetzt auch noch Eleonora und ich stand auf und trat ihr gegenüber. "Ich führe dich ein wenig herum, wenn es dir beliebt. Die anderen brauchen jetzt erst einmal Zeit, um anzukommen und sich einzurichten."
Ich nickte und wir verließen einen der Schlafsäle und bogen dann ein paar mal ab, bis wir vor einer riesigen, schwarzen Stahltür standen. "Was ist das?"
Die Anführerin der Rebellen grinste: "Rate doch mal." Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, stemmte sie eine Seitentür auf und eine ewig hohe Sporthalle erstreckte sich vor mir. Nur hatte diese hier Felswände und etliche Zielscheiben, Netze, Metallgeräte, Ringe und Kletterabteilungen.
"Wow", entfuhr es mir, weil ich niemals gedacht hätte, dass man so etwas Riesiges unter die Erde hätte bauen können. Ich hatte mir eher ein stinkendes, dreckiges, dunkles Loch vorgestellt, doch alles war hell erleuchtet und schien auf dem neusten Stand zu sein.
Allmählich entwickelte ich ein Gefühl dafür, wie groß das ganze Tunnelsystem hier zu sein schien und fragte mich wirklich, ob meine Tante damit, die Rebellen als keine große Bedrohung zu sehen, so richtig lag. Wenn man das hier unten betrachtete, begann man sich wirklich zu fragen, warum man an der Oberfläche kaum etwas von dieser Rebellion mitbekam.
Mein Blick blieb auf den trainierenden Nightmares hängen. Sie boxten gegeneinander, hangelten sich von Metallstab zu Metallstab oder schossen auf verschiedene, sich bewegende Zielscheiben. Zwischen ihnen stand John und gab Anweisungen. Ich fragte mich, was Esra zu diesem Ort sagen würde.
"Nicht übel, ich weiß", meinte Eleonora und zog mich wieder aus der Halle hinaus.
Während wir weiter durch die Gänge liefen, konnte ich diese Frage einfach nicht zurückhalten: "Warum gab es schon so lange keinen Angriff mehr? Es scheint mir nicht, als wären die hier unten nicht auf einen vorbereitet."
Sie nickte: "Sie sind auch bereit und in top Form, aber sie warten den Ball ab."
"Den Ball?"
"Ja, einmal im Jahr treffen sich die königlichen Familien auf dem Herrschaftsgelände, um ein großes Fest zu feiern und darauf wartet diese Einheit."
Ich schob den Gedanken beiseite, dass ich davon mal wieder keine Ahnung hatte: "Wann ist der?"
"In circa zwei Monaten", antwortete sie und sah mich leicht berauscht an, "und wenn wir Glück haben, wird es bis dahin gar keine Chance mehr geben, ihn zu feiern."

Nach einer guten halben Stunde hatten wir unseren Rundgang beendet und ich wusste jetzt grob, wo sich die wichtigsten Orte wie die Cafeteria oder Bäder befanden.
Zurück in meinem Schlafsaal hätte ich mich am liebsten in meine Ecke verzogen und wäre schlafen gegangen, aber das konnte ich jetzt nicht bringen, immerhin würden das alle mitbekommen, da man hier so gut wie keine Privatsphäre hatte.
"Was ein Loch! Nicht mal Platz für Autos hier unten!", stöhnte Luna, als sie neben mich auf die Matratze plumpste.
Ich lächelte: "Das System hier unten ist ausgeklügelter als du denkst, aber ja, dass sie keinen Parkplatz für dich haben, ist unheimlich schrecklich."
"Du verstehst das nicht", sie rollte mit den Augen, "mein geliebtes Auto steht jetzt bei Wind und Wetter draußen und das in einem Wald! Das heißt Bäume, Viecher und Äste, die mir weiß Gott was verkratzen könnten!"
Wenn das ihr einziges Problem war, konnte sie sich wohl noch glücklich schätzen.
"Da wird sicher nichts passieren und wir werden uns hier bald einleben, denke ich."
"Nun ja, du bist auch nicht die Witzfigur, die ex-königlich ist", das Mondmädchen sagte das verbittert, nicht so als würde sie nur darauf warten, bemitleidet zu werden.
"Du bist alles andere als eine Witzfigur, Luna", ich bohrte meinen Blick in ihren und sie sah zur Seite.
"Wie auch immer, haben diese Rebellen hier was Gescheites zu essen? Ich falle schon fast vom Fleisch ab."
"Klar, zeige ich dir", ich stand auf und hielt dann inne, "weißt du zufällig, wo Esra ist?"
"Wenn ich mich nicht irre, dann in dem Schlafraum gegenüber."
Ihr Bett war nicht schwer zu finden, denn es war das einzige, das durch und durch mit Waffen übersäht war. Sie selbst war gerade dabei eines ihrer Gewehre zu putzen.
"Esra", bei meiner Stimme hob sie den Kopf, "ich möchte dir etwas zeigen, was dir gefallen könnte."

"Das ist mal ein ordentlicher Ort, um zu trainieren", sie strahlte förmlich, als hätte man einem Kleinkind einen riesigen Lolli in die Hand gedrückt.
"Schöne Sache, wo ist jetzt die Cafeteria?", hakte Luna nach, da sie die Halle nicht wirklich interessierte, doch in dem Moment tauchte John auf.
Er schien extra seinen Posten als Coach verlassen zu haben, um mit uns zu sprechen: "Miss Morgen, ich wollte Ihnen nur kurz Bescheid geben, dass ich einen Plan erstellt und außen an der Wand ausgehängt habe, der die Zeiten angibt, in der sie mit Ihren Truppen hier trainieren können."
Ich bemühte mich in seine Augen und nicht auf seine ganzen Piercings zu sehen: "Danke."
Er nickte stumm und wollte sich schon wieder wegdrehen, als unsere Schützenkönigin ihm die Hand entgegenstreckte: "Darf ich vorstellen? Esra Haack, ich glaube, wir führen in dieser Halle dieselbe Aufgabe aus." Er warf einen kurzen Blick auf ihr narbenübersätes Gesicht, zeigte aber keinerlei Reaktion und wandte sich einfach wieder seiner Arbeit zu.
Ich bemerkte an der Art, wie sich Esras Gesichtszüge veränderten, dass sie in ihrem Stolz verletzt wurde und zog sie schnell mit zurück auf den Gang, um das Schlimmste zu verhindern.
"Für wen hält der sich?", spuckte sie förmlich hervor.
"Am besten wir ignorieren hier alle und reden nur das Nötigste", meinte ich.
"Ich hatte auch nicht nochmal vor mit einem von denen zu reden! Die wissen gar nicht, wen sie vor sich haben."
Luna stöhnte: "Wenn du dann endlich mal dein Ego herunterfahren könntest, wäre super. Denn genau das ist die Denkweise, die sie so verabscheuen."
Ich dachte kurz über ihre Worte nach und musste feststellen, dass sie damit wirklich hundertprozentig ins Schwarze traf.

Nightmare-Ist Zorn gefährlicher als Macht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt