Teil 8

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Busan

Der Hund war groß und ziemlich ungepflegt. Doch anderes als die meisten Menschen, denen es schlecht geht, geben Hunde niemals auf. Hunde hoffen immer. Auf ein Zuhause, auf eine Freundschaft oder auf jemanden, den sie lieben können.

Als Jungkook am Abend zuvor die Ferienwohnung, in welcher er mit seinen Großeltern wohnte, verlassen hatte, stand der Hund auf der anderen Straßenseite. Jungkook beachtete ihn kaum und ging weiter. Eine Stunde später stießen die beiden wieder aufeinander. Der Hund drängte sich an eine Mauer und Jungkook konnte beobachten, wie zwei Jugendliche das Tier mit Steinen bewarfen und sich dabei amüsierten, wie das arme Tier zur Seite sprang. Er lief auf die beiden zu und gab dem größeren der beiden eine Kopfnuss und dem anderen einen Fußtritt.

Die beiden machten darauf hin Anstalten, ihre Wurfgeschosse auf Jungkook zu richten. Dieser holte darauf hin aus und gab beiden eine Ohrfeige und sie zogen es vor sich zu verkrümeln. Als Jungkook sich umdrehte, war auch der Hund verschwunden. Jungkook lief die Straße entlang in Richtung Strand. Warum musste sich Taehyung auch ausgerechnet jetzt den Arm brechen, dachte er, als er weiter lief. Später war er mit seinen Großeltern zum Essen verabredet.

Seine Großmutter hörte gar nicht mehr auf mit ihren Geschichten aus ihrer Kindheit und wie sehr sich seitdem alles in Busan verändert hatte. Die nostalgische Schwärmerei, seiner Großeltern rührte Jungkook zwar irgendwie, aber sie ging ihm auch gewaltig auf die Nerven. Er seufzte. Jedes alte Gebäude steuerte seine Großmutter an wie einen schmerzlich vermissten Freund. Alles hatte seine Geschichte, die auch sogleich erzählt werden musste.

Im Zug nach Busan hatte sich Jungkook sehr verloren gefühlt und schlechte Laune gehabt. Er dachte die ganze Zeit an Yoongi und auch Taehyung fehlte ihm. Dieser hatte mit Gipsarm winkend am Bahnhof gestanden.

Eine warme Sommerbrise riss Jungkook aus seinen Gedanken. Er hatte das Ende der Straße erreicht und stand am Anfang des Strandes. Das Meer lag weit und blau vor ihm. Über ihm kreischten die Möwen. Er lief weiter und traf zum dritten mal an diesem Tag auf den Hund. Dieser stand am Strand und stritt mit einer Möwe um ein großer Stück Brot. Jungkook rannte in die Richtung der beiden und die Möwe flog davon. Der Hund nahm das Stück Brot und fraß es in aller Ruhe.

Jungkook setzte sich in einiger Entfernung in den Sand und beobachtete ihn dabei. Als der Hund das Brot aufgefressen hatte, hob er den Kopf und schaute zu Jungkook hinüber. Er überlegt kurz und kam dann zu ihm herüber. Er wedelte mit dem Schwanz und legte sich dann vor Jungkook hin.

Jetzt wo der Hund so dicht vor ihm lag, konnte Jungkook erkennen, wie schön das Tier eigentlich war. Trotz aller Verwahrlosung und der Schmutzflecken sah sein Fell sehr schön aus. Es war braun mit dunklen Streifen und einige Stellen auf seinem Rücken waren kahl. Der Kopf war breit und ausdrucksvoll. Die Ohren hingen dreieckig hinunter und die Augen waren so groß wie Kirschen und tiefschwarz. Nur sein Körper war vom Hunger gezeichnet und er vermittelte trotz seinen breiten Kopfes eine fast schwebende Leichtigkeit.

"Du bist ein schöner Hund", sagte Jungkook zu ihm. "Fast genauso gutaussehen wie Yoongi."

Jungkook spürte eine große Zuneigung zu dem Hund in ihm aufsteigen und das Bedürfnis, dem Hund seine Arme um den Hals zu legen. Er schaut auf die Uhr und stand auf. Seine Großeltern warteten bestimmt schon auf ihn. Der Hund erhob sich ebenfalls und lief neben ihm her.

"Das ist eine sehr gute Idee", sagte Jungkook mit Blick auf den Hund. "Wie ich sie kenne, essen sie sowieso nicht alles auf und es fällt bestimmt was für dich ab."

Er lächelte dem Hund zu, welcher ihm aufmerksam zuhörte. Wenn Jungkook stehen blieb, blieb der Hund auch stehen. Ging er weiter, lief auch der Hund weiter.

Forbidden SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt