Kapitel 1: Auf der Flucht

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Er rannte, so schnell er konnte. Seine Lungen brannten und der raue Boden stach bei jedem Schritt in seine Fußsohlen. Die schwere Tür vor ihm flog aus ihren Angeln und es regnete Holsplitter über den großen Schlosshof, als er die Luft von sich stieß. Ohne anzuhalten warf er einen kurzen Blick über die Schulter. Panik kam erneut in ihm auf, als er sah, wie nah seine Verfolger ihm bereits waren. Sie holten schnell auf und waren deutlich im Vorteil. Sie kannten das Gelände, waren unverletzt, besaßen Waffen und waren klar in der Überzahl. Wenn ihm keiner helfen würde, hätte er keine Chance. Sie würden ihn wieder einfangen und an der Stelle weitermachen, wo sie aufgehört hatten.

Im verzweifelten Versuch zu entkommen ließ er sich von der Luft über die Schlossmauer tragen. Doch noch bevor er auf dem Boden des anliegenden Waldes aufkam, traf ihn ein Blitz aus knisternder Energie in die Seite. Anstatt auf den Füßen zu landen fiel er unkontrolliert auf den Sand und das vertrocknete Gestrüpp.

Hustend und nach Luft schnappend zwang er sich dazu wieder aufzustehen. Der Schmerz in seiner Seite war stechend und breitete sich aus, ergänzte die Verletzungen der Folter auf unangenehmste Weise. Dornen rissen an seiner Haut und seiner Kleidung, als er aufsprang und durch den Wald rannte. Er stieß Zweige beiseite und warf Feuerbälle hinter sich, in der Hoffnung er könnte seine Verfolger damit aufhalten. Es würde nicht viel bringen, das wusste er, aber wenn sie ihn erwischten würde er sterben und es war mit Sicherheit kein schneller Tod...

Er gab einen erschreckten Laut von sich, als sein rechter Fuß sich im Gestrüpp verfing. Er stolperte und fiel nach vorn. Abgebrochene Zweige stachen ihm in die Hände und Arme und bevor er auch nur versuchen konnte wieder aufzustehen trat ihm jemand mit schweren Stiefeln auf den Rücken. Er brachte nur noch ein ersticktes Stöhnen heraus und fühlte, wie ihn jemand an den Knöcheln packte. Der Druck des Stiefels ließ nach und er wurde nach hinten gezogen.

Ein letzter Blick nach oben, Richtung Wald. Dort hätte sein Fluchtweg sein sollen. Im Schatten der Bäume glaubte er jemanden zu sehen...

+ + +

„Hey, ich glaube, er wacht auf", Dexter Vex nickte in die Richtung der schmalen Matratze, die auf dem Boden lag.

Saracen Rue machte einen Schritt zur Seite, als Skulduggery hinter ihm durch die Tür trat. Das lebende Skelett im Maßanzug ging neben der Matratze in die Hocke.

„Na, kannst du mich hören, Erskin?"

Langsam öffnete der Schwarzhaarige die Augen. Sein Blick glitt hinüber zu dem kalkweißen Schädel, dessen Kiefer sich leicht bewegte. Hätte Skulduggery grinsen können, hätte er das wahrscheinlich getan.

„Schön, dich wieder bei uns zu wissen. Wie geht es dir?"

„Schlecht...", nuschelte Ravel heiser.

In seiner typischen Art legte Skulduggery den Kopf schief: „Immerhin lebst du noch."

„Wir dachten wirklich, wir wären zu spät", ließ Vex sich vernehmen.

Er lehnte mit verschränkten Armen an der Holzwand, Rue direkt neben sich.

„Gewissermaßen waren wir das", sprach Grässlich Schneider, als er das Zimmer betrat.

Ravel ließ sich von Skulduggery helfen, sich aufzusetzen.

„Nur ein wenig...", seine Stimme klang brüchig.

„War das etwas Sarkasmus?"

Anstatt darauf zu antworten lehnte Ravel sich stöhnend gegen die Wand. Seine Brust schmerzte, der Energieblitz hatte eine Wunde an seiner Seite hinterlassen, er spürte jeden einzelnen Kratzer und Schnitt and seinen Füßen und Händen in einer unnatürlichen Intensität und die Schmerzen in seinem Rücken und Hals machten es ihm für den Moment unmöglich die Gedanken an etwas anderes zu verschwenden, als die vorhergegangene Folter.

"Was wäre wenn..." Teil 1: DamalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt