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Hohe, silbrig glänzende Gebäude, aneinandergereiht, wie ein Komplex, stolz trohnend, Macht trotzend und ehrfurchtgebietend. Dies war das zweite Zuhause des jungen Wesley Kings, welcher den zweit höchsten Rang in dem Unternehmen
'The T.Kings - Company' seines Vaters belegte und somit über dieses Anwesen zu herrschen vermochte. Man hätte sagen können, dass er schon fast alleiniger CEO dieser Marktmacht war, wäre da nicht sein mies gelaunter Vater Theodor gewesen, der immerzu den Drang hatte, seinen Sohn, dessen Leben beinah geldgesteuert schien, zurechtzuweisen.
Der alte Mann war schon immer ein Wichtigtuer gewesen, der wusste, wie er seine Interessenten um den Finger wickeln konnte, um auch noch das letzte Quäntchen Geld abzuschöpfen. Manchmal fragte sich Wesley, ob sein Vater jemals eine ruhige Nacht hatte, ohne der Angst vor Konkurrenten, oder jeglichen anderen Gefährdungen für ihr Unternehmen. So war er nun mal. Ein alter workarholic. So war es nicht ungewöhnlich, dass der blonde Mann bei unmenschlichen Uhrzeiten vor den hochragenden Bürogebäuden stand, sich die rote Krawatte zu seinem grauen Anzug rückte und einmal tief durchatmete, um den aufkommenden Stress zu vermeiden, der ihm wie ein Schwall entgegen schwabbte, sobald er das Gebäude betrat. Er liebte seinen Job, keine Frage. Die Auszüge von seinem Konto ließen ihn mehr als zufrieden zurück, doch der Aufwand, der dafür betrieben werden musste, ließen ihn immer weiter einbrechen. Psychisch mehr, als physisch, und das Schlimmste war, das der junge Mann es selber nicht einmal zu merken schien. 'Hauptsache das Geld fließt', das war sein Leitgedanke, der ihn an der Arbeit festahlten ließ.
"Guten morgen Mister Kings." Wie immer wurde er am Empfang herzlich begrüßt, von der kleinen schwarzhaarigen, dessen Namen er nicht einmal aussprechen konnte. Sie schien asiatischer Herkunft, so war sich Wesley öfter als einmal sicher und trug immer zu diese schrecklichen quietschroten Pumps, dessen Auftreten man beinah bis in den höchsten Stockwerken hörte. Zu aufdringlich war das Erscheinen der jungen Frau, wie Wesley fand, doch hatte noch nie ein Wort ihr gegenüber verloren.
Ihr Lächeln wirkte überspitzt, als der Mann an ihr vorbei trat in Richtung Fahrstuhl. Seine Miene blieb stehts unverändert, immerhin sollte er ernst genommen werden, als Sohn der Unternehmensleitung und nicht wie der Nachzügler des großen Theodor Kings, der Papas Liebling und zugleich vom Beruf Sohn war. Respekt sollte allgegenwärtig sein!
Die Aufzugtür öffnete sich und Wesley begab sich in das leere Rechteck, ehe er den Knopf für das zweithöchste Stockwerk betätigte. Es war üblich, dass die Büroräume je nach Stellung im Unternehmen auf den höchsten Ebenen aufgeteilt waren. Sie zeigten eine gewisse Rangfolge, legten den Einfluss und die Macht der einzelnen Personen dar.
Es dauerte eine Weile bis das Gefährt sein Ziel erreichte und mit einem leichten Abbremsen zum stehen kam. Wesley richtete seine schwarze Brille, darauf bedacht, dass richtig saß, ehe sich die silberne Tür zur Seite schob und seine Augen eine weitere Dame erblickten. Fast lautlos und mit langsamen Schritten näherte er sich seiner Sekretärin Amelia, die an seinem Empfang vor seinem Büro arbeitete und somit seine Sekretärin darstellte. Wenn man das so zu nennen vermochte. Immerhin war sie nicht die Klügste und gar nicht die hellste Leuchte im expandierenden Universum. Zwar sah sie brilliant aus mit ihren wasserstoffblonden Haaren und der dicken Hornbrille, welche ihre hübschen Augen umrandete, doch sobald es um Kommunikation ging, war sie sichtlich fehl am Platz. Ein Wunder, dass Wesley sie noch nicht suspendiert hatte, nach all ihren tolpatschigen Gegebenheiten.
Der schlanke Mann räusperte sich auffälig, als die Frau noch immer vertieft in ihren Unterlagen wühlte, nichts ahnend davon, dass ihr Vorgesetzter nahte. Sie zuckte sichtlich zusammen, als sie die warnende Präsenz von Kings warnahm und ließ sofort alles stehen und liegen. "Mister Kings!" In ihrer Stimme schwang Nervösität mit. Wesley verdrehte die Augen. Sie war so leicht aus der Fassung zu bringen.
"Stehen heute irgendwelche Termine auf meinen Plan?",fragte er gelangweilt und blickte beiläufig auf seine goldene Rolex, die ihm prunkvoll um sein Handgelenk reichte. Amelia begann wieder hektisch in ihren Blättern zu kramen, die noch immer vor ihr auf dem Schreibtisch lagen und zog letzt endlich gezielt einen hinaus.
"Sie haben um elf Uhr einen Geschäftstermin mit Mister Ravier, da er sich noch einmal die verschiedenen Modelle ansehen möchte. Am Telefon klang er ziemlich unsicher, ob er nun wirklich in das Geschäft einsteigen will. Meiner Meinung nach ist es sehr fragwürdig, ob er als potentieller Abnehmer in Frage kommt, da-"
"Was noch Amelia?",drängte Wesley sie streng, während er eine auffordernde Geste machte. Sie wurde immerzu schnell abschweifend.
Die Frau fing sich wieder, wohl bemerkt, dass ihr Vorgesetzter anscheinend nicht all zu viel Zeit an ihr verschwenden wollte. Dabei sah er so gut aus und war noch Single. Zumindestens behaupteten das alle in diesem Gebäude.
"Achja, ihr Vater wartet bereits in ihrem Büro auf sie. Er wollte irgendwas wichtiges besprechen und-"
"Das sagen sie mir erst jetzt? Wie lange wollen sie noch meine Zeit verschwenden?" Es war banal zu sagen, es hätte ihn nicht gekümmert, wie er mit Amelia umging. Leider war dem so und es schien Wesley unausweichlich jemals keinen lauteren Ton seiner Sekretärin gegenüber zu erheben. Was sollte er sagen? Sie war eben eine Frau und Frauen redeten unaufhörlich, wenn sie einmal in Rage waren. Die wichtigen Informationen aus dem Spiel gelassen.
Mit leicht erhöhtem Puls ließ er sie stehen, während seine Hand zu dem Türgriff schwebte und seine Bürotür öffnete. Das Erste, was er in Augenschein nahm, war ein grauer Haarschopf, der gerade wegs über die Lehne seines umgedrehten Stuhls ragte. Theodor saß mit zugedrehten Rücken auf seinem Platz und genoss die Aussicht, durch das große Panoramafester, von dem aus man ganz Manhattan von oben betrachten konnte. Er hätte gelogen, wenn er gesagt hätte, es würde ihn nicht stören, dass sein alter Herr sich auf seinem echt Leder Bürostuhl verkrochen hatte. Immerhin war es sein Büro und hatte somit ein Anrecht auf seinen Platz.
"Ich dachte schon du würdest dich nie blicken lassen.",kam es raunend aus der Richtung seines Vaters. Wesley stieß leise die Luft aus, ehe er sich auf einen der Stühle vor seinem Tisch nieder ließ. Er kam sich vor wie ein elender Hund, dessen Thron von einer Katze geklaut wurde. Wenn gleich sein Vater eher einem Löwen glich, oder doch eher einem Fuchs?
"Du weißt, dass ich es hasse, wenn du nicht zu rechten Zeit kommst! Vorallem dann, wenn du erwartet wirst!" Theodor konnte sich endlich dazu bewegen, sich in dem Stuhl herumzudrehen und bot seinem Sohn freie Sicht auf sein Antlitz. Wesley war überrascht, wie unnormal ruhig er aussah. Normalerweise wäre ihm jetzt ein wutverzerrtes Gesicht entgegen getrotzt, doch diesmal schien sich Theodor zurück zu nehmen. Der Grund vielleicht sein Anlass, wieso er sich in Wesleys Büro verschlagen hatte?
Theodor mussterte mit verschränkten Armen den vor ihm. Seine grauen Augen flogen über Wesleys Gesicht, was in diesem ein Unbehagen aufkommen ließ, so dass er peinlich berührt aufhustete. Wieso war sein Vater nur so still?
Hatte er seine Zunge verschluckt? Oder waren ihm die Worte ausgegangen?
"Wie du weißt, steht es im Moment nicht mehr ganz so gut um das Unternehmen."
Wie hätte Wesley das vergessen können? Natürlich ging der Absatz allmählich zurück! Neben der Konkurrenz und den ganzen vergleichbaren Automobilen gab es eben weniger Nachfrage, wodurch sich ein geringerer Gewinn konstituierte. Nichts Ungewöhnliches im Alltag des Unternehmen.
"Ich glaube du hast mich nicht verstanden, mein Sohn!" Der faltige Mann stützte seine Hände auf das massive Ebenholz ab und faltete seine Hände zusammen. Er drehte unruhig an seinem Ring herum, welcher auf einen seiner Finger ruhte, während er weiter sprach:"Unsere Gewinne sind beinahe im Keller! Ich habe es dir verschwiegen, weil ich dich nicht unter Druck setzen wollte, aber nun blieb mir keine andere Wahl, als es dir mitzuteilen... Du musst nun alles daran setzen, dass Mister Ravier auf unser Angebot eingeht."
Wesley brauchte einen Augenblick um das Gesprochene in seinem kleinen Köpfchen zu verarbeiten. Sein Vater hatte ihn die ganze Zeit über den Zustand des Unternehmen angelogen und wollte nun, dass er es wieder in den rechten Winkel rückte? In die aufgehende Sonne, in dessen Schatten sich die ganzen Konkurrenten mit ihren Amateur Motoren tummelten? Mit ihrem billigen Nachgeeifere, mit dem Ziel, den Markt zu beherrschen?
Dem Mann wurde augenblicklich schlecht bei dem Gedanken daran, dass die Existenz von 'The T.Kings - Company' nun vollständig an seinen Händen zu hängen schien.
"Ich glaube nicht, dass wir Ravier für uns gewinnen können.",sprach er mit fester Stimme aus. Er wollte nicht schwach wirken. Nicht vor Theodor. "Er klang nach Amelias Worten sehr zweifelhaft..."
"Das ist mir egal mein Sohn!",raunte Theodor streng. Er fasste sich seufzend an die Stirn, ehe er seinen Sohn erneut mit eiskalten Augen entgegen blickte, von Liebe keine Spur. Seine großen Hände, die eher den Pranken eines Bären glichen, griffen zu etwas, was vor ihm auf den Schreibtisch lag. "Ich möchte, dass du nach Alaska fliegst!",ganz unverfroren verließen diese paar Worte seinen Mund. Wesley stockte der Atem. Er wusste nicht, was er denken sollte. Er wusste jedoch, dass sein Vater ihn nicht besonders mochte, aber dass dieser ihn so schnell zu beseitigen versuchte, obwohl er doch die Company retten sollte, verwunderte ihn.
"Du willst mich abschieben?"
Theodor seufzte. "Sei nicht dumm! Das ist mein Plan B." Der alte Mann drückte seinem Sohn die Papiere in die Hand, die dieser mit zweifelnden Blick mussterte.
"Wenn Javier unser Angebot nicht möchte, dann gibt es immer noch den gewissen Mister Anouk der in Frage käme.",sprach er weiter, während er den großen Tisch umrundete, um neben den blonden zu stehen.
Wesley hingegen war viel zu sehr damit beschäftigt das Reiseziel und das Abflugdatum ausfindig zu machen, statt seinen Vater zuzuhören.
"Was ist er? Ein Indianer?" Geistesabwesend durchsuchte er die Zeilen nach möglichen Hinweisen.
Neben ihm ertönte ein tiefes Grummeln. "Sei nicht albern Wesley! Er stammt aus einer Familie von Inuits, die meisten Menschen aus Atqasuk haben indigene Wurzeln."
Er glaubte seinen Vater nicht richtig verstanden zu haben. Inuits? Er musste in einem Dorf voller Inuits leben? Mit diesen Robbenfressern, dieses wilde Pack ohne jegliche Gesetze?
"Kannst du das noch mal wiederholen? Ich glaube ich habe da etwas nicht richtig mitbekommen. Ich soll nach Atquasuk, um einen von diesen Rohfleischfressern davon zu überzeugen mit uns Geschäfte zu machen?" Wesley spürte wie wieder mal sein Puls nach oben ging. Seine Wut zerrte an seinen Nerven.
"Mister Anouk ist mit seinem Unternehmen einer der am meist gefragtesten Männer, wenn es darum geht Geschäfte zu machen. Du sollst ihn lediglich Fragen, ob er mit uns kooperieren möchte.",antwortete Theodor streng. Wesley konnte erkennen, dass er allmählich die Geduld verlor.
Niemals würde er in so ein mikriges Dorf am Ende der Welt reisen. Da war ihm der Deal egal, wenn ihr Unternehmen eh schon am seidenen Pfaden hing.
Trotzig warf er die Flugtickets zurück auf den Tisch, unter den glühenden Augen seines Vaters.
"Nur über meine Leiche werde ich dort hinreisen. Wieso lässt er sich nicht in seinem Unternehmen besuchen? Ganz sicher statte ich ihm kein Hausbesuch ab, nur weil der feine Herr zu bequem ist, seinen Arsch in ein besseres Ambiente zu befördern." Die Worte hatten gesessen, denn er hörte Theodor gewaltig ein und ausatmen. "Ich werde versuchen Javier zu überzeugen, dann ist dieser Mister Anouk eh egal!"
Hätte es jemals einen passenderen Augenblick gegeben, sich selbst für seine Sturheit die Klippe hinunter zu stürzen, dann wäre es dieser weiß Gott gewesen. Doch Wesley scherrte sich nicht darum, wie üblich und setzte schon zum Gehen an, als sich plötzlich die Tür des Büroraumes öffnete.
Beide blickten auf und Wesley zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, als er den alten schwarzhaarigen Javier erkannte, der mit grimmiger Miene und aufbrausender Haltung einen Finger auf Theodor gerichtet hielt.
"Der Deal ist geplatzt!",sagte er verkündend. "Ich bin nicht bereit eine derartige Summe beizusteuern. Ich weiß, dass Ihr Unternehmen vor der Insolvenz steht und sie nur mein Geld abzweigen wollen, sie Betrüger!" Hinter ihm stand Amelia, die schien, als hätte sie Javier verzweifelt aufzuhalten versucht, damit er nicht unangemeldet ins Büro platzte.
"Javier! Wir können doch noch mal alles überdenken!" Theodor setzte einen sanftmütigen Blick auf, der nach Wesleys Meinung total überspitzt und unecht wirkte. Aber nur, wenn man seinen Vater genau kannte. Er selbst rückte missmutig seine Brille zurecht, während er seinem Boss dabei zu sah, alles wieder in die richtige Richtung zu lenken.
"Vergessen Sie es. Ich lasse mich nicht beeinflussen von ihrem kalten Wesen. Wenn sie mich jetzt entschuldigen, ich verschwinde!"
Wesley war nicht gerade begeistert darüber gewesen, dass die Aussicht auf Javiers Zustimmung nun auch noch zerplatzt war, denn so blieb ihm nichts anderes übrig, als doch in dieses versiffte Dorf zu reisen. Seine Laune sank in den Keller.
Die Tür wurde wieder zu geschlagen und es wurde plötzlich schrecklich still im Raum.
"Mein Sohn-" Theodor drehte sich wieder ihm zu, sah garnicht glücklich aus. "Du wirst in dieses Dorf reisen und den Mann überzeugen, ob du möchtest, oder nicht!"

Into The Wild | mxmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt