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Wesley räkelte sich, seufzte zufrieden auf. Langsam öffnete er seine Augen. Er hatte tatsächlich wieder einschlafen können und wachte somit pünktlich zum morgen auf. Sein Handy verriet ihm, dass es schon 8 Uhr morgens war. Um diese Uhrzeit würde er normalerweise schon längst an seinem Schreibtisch in der Firma sitzen, mit einem Kaffee neben seinem Laptop und viel Papierkram. Umso schöner war es mal, ausschlafen zu können, auch wenn er ein workaholic war.
Mit steifen Gliedern stand er auf. Seine Beine trugen ihn in das kleine Bad, indem er eine kurze Dusche nahm. Danach kam er mit nassen Haaren und einem Handtuch um die Hüften wieder hinaus. Er zog die Vorhänge zur Seite. Was ihm dort entgegen kam, erschlug ihm die Sprache.
Es schneite. Kleine Flocken viele Dicht vom Himmel nieder, erschwerten die Sicht zu den gegenüberliegenden Häusern erheblich.
Wesley verstand nun, warum es unmöglich war, mit dem Flugzeug nach Seward zu fliegen, dennoch ärgerte es ihn. Wenigstens wütete auf seiner Ankunftsreise nicht so ein gewaltiges Schneetreiben, denn sonst wäre er wohl möglich nicht in die Maschine gestiegen.
Wäre vielleicht besser gewesen!
Doch jetzt war er hier und er musste das beste aus dieser verdammten Situation machen.
Der Mann föhnte sich seine Haare, beschloss sie diesmal nur ein wenig hochzugelen. Für wen sollte er hier schon gutaussehen wollen?
Nachdem er sich angezogen hatte, verließ er das Zimmer. Anjij war schon wach. Der Kamin loderte fröhlich vor sich hin, während die Frau wie zu erwarten hinter dem Tresen stand und Kaffee in eine Tasse goss.
"Guten morgen Mister Kings.", begrüßte sie Wesley, als sie ihn erblickte und er fühlte sich augenblicklich ein wenig unbehaglich.
"Ich habe ihnen Kaffee gemacht. Hier." Ihre dürren Finger stellten die Tasse auf die Ablage. Der Mann stand noch immer unschlüssig im Raum. Fast schon zögerlich griff er nach dem Getränk, nicht ohne dabei die Augen von Anjij zu lassen.
"Danke.", sagte er knapp, bevor er sich auf den Barhocker vom vorigen Abend niederließ.
Anjij steckte ihre schwarzen Haare zusammen, bevor sie zu einem Lappen griff und über die Oberflächen putzte. Wesley beäugte sie peinlichst genau dabei. Er wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte, geschweige denn, was er tun sollte.
"Möchten sie etwas zum Frühstück? Wir haben frische Schneehühnereier und Brot. Natürlich können sie auch etwas anderes haben, denn für ein verkacktes Dorf haben wir hier ziemlich viel.", zischte sie plötzlich nicht mehr ganz so nett. Wesley blickte erstaunt auf, als er sich gerade einen Schluck genehmigen wollte.
"Wie bitte?",fragte er fest. Er hatte ihre Worte sehr wohl klar und deutlich vernommen. Für einen Moment, hatte er geglaubt, dass die Frau sein gestriges Geschwafel vergessen hatte. Dem war nicht so.
"Sie haben mich schon verstanden Mister Kings." Ihre braunen Augen blickten feindselig auf, wobei sie noch immer die Spüle putzte. Unfähig etwas zu sagen, blickte der Gegenüber sie nur wortlos an.
"I-ich...", begann er zögernd. Eigentlich wusste er garnicht, was er erwiedern sollte. Stattdessen kratzte er sich peinlich berührt am Kopf. Ihm war plötzlich nicht mehr nach Kaffee.
"Ich weiß ja nicht, wie das bei ihnen Zuhause läuft, aber sie sind hier nicht zuhause. Hören sie auf, sich wie ein arrogantes Arschloch zu behnemen und verhalten sie sich vernünftig. Oder glauben sie, dass Herr Anouk einen Handelspartner möchte, der seine Heimat nicht zu schätzen weiß? Hier wird untereinander geredet Mister Kings. Und zwar sehr viel!"
Schwer schluckte er. Auf eine gewisse Art und Weise hatte sie recht, auch wenn es ihm schwer fiel zuzugeben. Der Mann musste sich zusammenreißen, wenn er von Anouk akzeptiert werden wollte.
"Sie haben recht...",begann er mit fester Stimme. Er sah sie an. Überrascht zog sie eine Augenbraue hoch. Als könnte sie nicht glauben, was sie hörte.
"Sie entschuldigen sich also für ihr gestriges Verhalten?"
"Nein! Sie haben zwar Recht damit, dass ich mich daneben benommen habe, aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen."
'Die Kings entschuldigen sich nicht. Sie nehmen sich das, was sie wollen und sprechen aus, was sie wollen. Andere interessieren sie nicht', hallten ihm die Worte seines Vaters im Kopf, nachdem er seine ausgesprochen hatte. Schon als er fünf war, hatte der alte Mann ihm jegliche Verhaltensweisen und Regeln beigebracht, die bei ihnen in der Familie herrschten. Wenn Wesley sich nicht daran gehalten hatte, hatte sein Vater ihn in den dunklen Keller gesperrt. Solange, bis der Junge aufgehört hatte zu schreien und zu weinen, oder seine Mutter ihn rausholte, um dann ihren Mann anzumeckern.
Wesleys Gedanken an seine Kindheit rissen ab, als er ein Knurren vernahm. Anjij hatte sauer den Lappen in auf den Boden geworfen. Ihr Kopf war knallrot.
"Ich sagte ja, Arschloch!" Dann stürmter ihr schmaler Körper durch eine Tür in einen Raum, den er nicht kannte.
Wenigstens konnte sie ihn nicht mehr nerven und er hatte einmal seine Ruhe.
Seufzend lehnte er sich nach vorne, doch plötzlich schwang die Tür der Bar auf. Der Blonde seufzte.
"Wo ist meine Schwester?"
Nicht der schon wieder. Atqasuk lag mitten im Nichts und dennoch hatte Wesley nicht eine Minute Ruhe.
Mit neutralem Gesicht drehte er sich zu dem Neuankömmling um. Wieder hatte er seinen Hund dabei, der brav neben ihm saß. Er hatte seine gelben Augen starr auf Wesley gerichtet. Wahrscheinlich mag das Tier mich genauso wenig, wie sein Besitzer, dachte Wesley und schmunzelte.
"Also? Wo ist sie?", kam es noch einmal, diesmal strenger. Wesley schaute von dem Hund zu ihm auf.
"Sie i-ist...",stotterte er vor sich hin. Verdammt wieso war er jetzt so?
Der Mann vor ihm blickte ihn kühl an. Er trug eine dicke schwarze Jacke. Seine Mütze war gespickt von weißen Flocken, die sich langsam der Wärme hingaben und sein Gesicht war leicht gerötet.
Es machte ihm Angst. Es machte Wesley Angst, dass er ihn irgendwie gutaussehend fand. Das hatte er noch nie von einem Mann behaupten können. Sie fielen ihm nie auf. Er achtete doch eher auf die blonden schlanken Frauen mit ihrem teuren Goldschmuck und den neusten teuren Handtaschen. Nicht auf Männer. Andererseits musste das doch nichts bedeuten. Er fand ihn nur gutaussehend. Nichts weiter. Das durfte man doch oder?
Plötzlich war er nicht mehr so selbstsicher. Er verspürte einen kleinen Anflug von Panik. Schnell nahm er einen Schluck Kaffee, bevor er antwortete:"Wir haben uns wieder in die Haare bekommen. Sie ist nach nebenan gegangen."
Wieso sagte er ihm das?
Doch zu Wesleys Überraschung schien der Andere nicht verärgert.
"Sie kriegt sich schon wieder ein. Ich bin hier um sie zu fragen, ob sie mit wollen..."
"Mit wohin?"
"Die Fallen überprüfen. Ich habe ein paar hundert Meter entfernt von hier welche aufgestellt.", sprach der Mann, machte ein paar Schritte auf den anderen zu. Sein Hund folgte ihm.
"Sie glauben, ich komme mit ihnen mit, um Fallen zu überprüfen? Davon mal abgesehen, können wir bei dem Sturm eh nicht raus."
"Das ist gerade mal der Anfang des Sturms!", entgegnete er mit einem Blick aus dem Fenster. Es schneite immer noch wie verrückt.
"Es wird schlimmer. Wenn wir jetzt nicht gehen, dann werden wir in den nächsten Tagen keine andere Gelegenheit mehr dazu haben. Und sie sollten unser Leben kennen lernen. Das sind sie mir wegen gestern schuldig." Noch jemand der unglaublich nachtragend war.
Wesley verdrehte die Augen. Der andere hatte ihn echt am Haken.
"Aber nur, wenn ich nichts machen muss. Ich schaue nur zu, sonst nichts! Habe ja eh nichts anderes zu tun und das ist besser, als hier auf heißen Kohlen zu sitzen!"
Anjijs Bruder hob abwehrend die Hände. Auf seinen Lippen hatte sich ein Grinsen gelegt. "Was immer sie wollen Mister Kings!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 18, 2023 ⏰

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