Dex

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„Fuck! Willow, wo bist du bloss?", frage ich mich, als ich auf die Uhr schaue. Es ist kurz nach sieben, die Sonne geht gerade auf und taucht Manhattan in ein Meer aus Orange, Rot und Goldtönen. Ich stehe auf dem Balkon und fahre mir durchs Haar, versuche die Brise, die mir ins Gesicht weht, zu geniessen und mich zu entspannen.

Doch solange sie nicht gesund hier auftaucht und mir sagt, dass es ihr gut geht, kann ich keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn mich entspannen. Sicher, Bishop meinte, dass er sie zu sich gebracht hat, aber das war gestern Nacht. Seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet und ich könnte mir jedes einzelne Haar herausreissen, dass ich ihn angerufen habe und nicht selbst auf die Suche gegangen bin.

Doch Clara hat mir keine Chance gegeben ihrer Tochter nachzulaufen, sie hat sich an mich geklammert, als wäre ich ihr Rettungsanker. Sie war wie ein Schraubstock, nie hätte ich gedacht, dass so eine zerbrechlich wirkende Frau eine solche Kraft besitzt. Nach einer Weile hat sie sich beruhigt, doch sie wollte nicht, dass ich gehe. Ob sie verhindern wollte, dass ich Willow nachlaufe, oder ob sie einfach nicht alleine sein wollte, weiss ich nicht, aber es könnte beides der Fall sein. Als sie eingeschlafen ist, konnte ich endlich das Zimmer verlassen und Bishop Bescheid geben, dass er nach Willow suchen soll. Er hat mich nicht mit Fragen ausgequetscht, sondern nur gesagt, dass er sie sicher finden und sich dann bei mir melden wird. Es hat mich sehr viel Überwindung gekostet ihn anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten, doch was sollte ich anderes tun?

Sie hätte mittlerweile überall sein können und Bishop kennt sie besser als ich. Was mir einen Stich mitten ins Herz verpasst hat und die leise Hoffnung, dass sie in ihre Wohnung geflohen ist, hat sich in Luft aufgelöst, als ich die leere Wohnung betreten habe. Ich war die ganze Nacht lang wach, auch nachdem er mich angerufen und gesagt hat, dass sie bei ihm ist. Die Eifersucht hat sich in mir hoch gefressen, wollte mich in ihren Besitz nehmen, doch ich habe dagegen angekämpft. Sie liebt mich, habe ich mir eingeredet, sie liebt nur mich. Und doch war ich rasend vor Wut und konnte mich nur mit etwas Sport davon ablenken. Noch immer starre ich in den Himmel, der langsam immer heller und heller wird. Ob sie noch bei ihm ist? Dass er Gefühle für sie hat, konnte ich nicht übersehen und langsam frage ich mich, wie viele Typen es noch in dieser Stadt gibt, die auf Willow Spencer stehen.

Verübeln kann ich es ihnen auf keinen Fall, denn immerhin habe ich mich in diese wundervolle Frau bis über beide Ohren verliebt. Ich hatte vor Irin einige kurze Beziehungen, doch dann trat Irin in mein Leben und veränderte es. Aber nicht so wie es Willow verändert hat, Irin war mehr eine Konstante in meinem sonst so turbulenten Leben als Pilot. Ich konnte mich auf sie verlassen und als die Zwillinge geboren wurden, hatten wir eine kleine Familie. Aber mit den Jahren veränderte sich unsere Beziehung, wir waren verheiratet und jeder lebte sein Leben, ein gemeinsames gab es fast nicht mehr. Und nach dem Flugzeugabsturz ging es in die Brüche, ich versank im Alkohol und wurde von den Tabletten, die ich gegen meine Angstzustände und die stetig andauernden Albträume nahm, abhängig.

Ich war nicht mehr fähig meinen Beruf auszuführen, noch war ich ein guter Vater. Ich fühlte mich nicht einmal mehr als Mann, denn ich schämte mich für mein Versagen, dafür das ich über einhundert Menschen auf dem Gewissen hatte und das ich nicht in der Lage war für meine Frau und meine Kinder da zu sein. Ich brauchte jemanden, der mir zur Seite stand doch Irin hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Sie hat am Anfang für mich gekämpft, doch ich konnte ihre Hilfe nicht annehmen. Also habe ich sie von mir gestossen, mich in den Alkohol und in die Wirkungen der Tabletten geflohen und niemanden an mich heran gelassen.

Doch dann, als ich mich vor ein fahrendes Auto werfen wollte und einfach wie eine Salzsäule auf der Strasse stand, die Augen geschlossen mit der Gewissheit, dass alles gleich vorbei sein würde, wurde mir bewusst, dass ich es nicht konnte. Das Auto blieb nur wenige Zentimeter vor mir stehen, ich weiss noch wie der Fahrer geflucht hat. Doch ich lief einfach weg, hörte ihm nicht zu und holte mir professionelle Hilfe. Ich wollte keine stationäre Therapie, also ging ich jeden Tag zu meinem Therapeuten und redete mit ihm über meine Ängste und über meine Gedanken, die mich drohten aufzufressen. Langsam fand ich ins Leben zurück, ich konnte wieder der Vater sein, der die Zwillinge verdient haben und ich wollte auch wieder ein guter Ehemann sein. Doch dann fand ich heraus, dass sie mich mit ihrem Chef betrog.

Electric Hearts verliebe dich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt