Cole

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Kaum verließ Cole den Hunters Square, war schon der nächste Schein am Himmel zu sehen.

"Noch ein toter Engel!?", flüsterte Jajan hinter ihm. Cole rannte los und kam vor dem riesigen Uhrturm Big Bane zum Stehen.

Der Schein deutete direkt auf den Punkt vor der alten Holztür, die zum Inneren des Turms führte. Er riss sie auf und stürmte die altersschwachen Metalltreppen hinauf, die unter seinen schweren Stiefeln knarzten.

Der Schein war ganz oben, beim Uhrwerk. Außer Atem kam er oben an und ließ seinen Blick über die gigantischen Zahnräder, Ziffernblätter und Zeiger gleiten.

Der Schein deutete auf eine kleine Überbrückung zwischen den Rädern. Wieder waren die Spuren einer Seele zu sehen. Jajan glitt lautlos an Cole vorbei und ließ sich neben der Stelle nieder.

"Cole..." Seine Stimme war noch leiser und heiserer als sonst. "Wer auch immer das hier anrichtet ... er ... er tötet Engel ohne zu zögern. Und vielleicht auch weitere Anderwesen."

Cole stützte sich an dem Geländer neben ihm ab. "Ich weiß." "Was machen wir jetzt?"

"Wir finden heraus, wer das tut. Wer den Engeln ihren Schutzsegen stiehlt und wer die Seelen dazu beschwört, die Engel zu töten."

"Ist gut." Er hob den Kopf und sah Jajan an. Der Schatten war sehr empfindlich, vermutlich war er das schon zu seinen Lebzeiten gewesen. Vorfälle wie das Ermorden der Engel waren für ihn furchtbar.

Aber wie bei allen Dingen blieb er still und trauerte in seinen nicht ausgesprochenen Worten.

Wütend trat Cole gegen das Geländer. "Warencha!!!" "Fluchen hilft dir auch nicht weiter, Cole.", murmelte Jajan und erhob sich geräuschlos.

"Ich werde eine Weile nachdenken.", erklärte er noch, eher er die Treppen nach unten glitt und in der Dunkelheit verschwand. 

Cole folgte ihm langsam. Er musste das Akephalos melden. Einer seiner Dämonen hatte es auf die Engel abgesehen. 

In den Kanälen war es seltsam still. Totenstill. Die Engel hatten vermutlich längst bemerkt, dass ein weiterer der ihren ermordet worden war, aber dass auch kein einziger Dämon unterwegs war, war ungewöhnlich.

Cole klopfte ein paarmal gegen Akephalos Tür, aber keine Stimme drang heraus. Er drückte die rostige Klinke hinunter, aber sie war verschlossen. 

Irgendetwas stimmte hier nicht. 

Plötzlich hörte er wütende Rufe. "Mörder!" "Verdammte Teufelsschergen!" 

Er rannte durch einen engen Tunnel bis zu einer Biegung unter einem großen Kanaldeckel. Dort, im seichten Abwasser und den wenigen Strahlen des Tageslichts, standen die Engel in ihren weißen Kleidern und sahen aus, als würden sie jeden Moment auf die Dämonen losgehen. 

Diese standen wie eine kleine Armee da, in ihren schwarzen Gewändern. Ihre goldenen Augen leuchteten angriffslustig, aber Akephalos stand an ihrer Spitze und hielt sie zurück. 

"Beruhigt euch alle wieder!", brüllte er in die wütende Menge. Tatsächlich verstummten alle und beließen es vorerst bei tödlichen Blicken. 

"Keiner der Jäger-Dämonen ist für den Tod der beiden Engel verantwortlich.", erklärte er. 

"Aber nur ein Dämon kann einem Engel den Schutzsegen rauben!", schrie ein Engel dazwischen. "Es muss einer von euch sein!" 

Aber das wäre doch dumm, schoss es Cole durch den Kopf. Der Dämon könnte sich hier nicht gut verstecken. In der Schattenstadt würde es auffallen, wenn ein Dämon mit Seelen zusammenarbeiten würde. 

Dass ein Dämon dafür verantwortlich war, stand außer Frage. Aber er befand sich nicht in der Schattenstadt. Er kontrollierte die Seelen von einem anderen Ort aus. 

Aber das ging nur mit einem Fluch und von einem Platz, der eine Bindung zu der Schattenstadt hatte. Wie dem anderen London. 

Er musste nur rausfinden, welchen Fluch der Dämon benutzt hatte. 

Leise wollte er sich zurückziehen, aber da sprang auch schon ein Dämon vor und packte Cole an der Kehle. "Wenn das nicht unser kleiner Bastard-Jäger ist. Warum sagst du nicht auch etwas dazu, Cole!?"

Er spuckte seinen Namen beinahe aus. "Du kannst nicht leugnen, dass es ein Dämon gewesen sein muss.", brachte Cole heiser hervor, während der Dämon ihm weiterhin die Luft abschnitt. 

"Lass ihn los, Kieh!", sagte Akephalos laut. "Er ist der Beste für diesen Fall. Er ist ein Halbblut und deshalb neutral."

Knurrend ließ Kieh ihn los und seinen Kopf dabei gegen die Wand hinter ihn prallen. "Vergessen wir nicht welches Halbblut. Zur Hälfte ein Schatten! Die gelten doch als trickreich." "Alle Toten in der Schattenstadt sind Schatten, Kieh.", seufzte Akephalos.

"Mir egal! Wenn er einen von uns zu Unrecht beschuldigt, wird er es bereuen!", prahlte er. Er beugte sich nahe an Cole heran. "Und damit meine ich Höllenqualen.", fügte er nur für ihn hörbar hinzu und ging wieder zu anderen.

Akephalos sah zu Cole. "Kümmere dich darum."

Zwischen Schatten und Licht (Anderwelten - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt