Anouk

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Vom Tatort fuhren Ryan und Anouk direkt zu Harrods. Sie wurden zu der Kinderabteilung geschickt, wo Brienna immer Dienst gehabt hatte. Ihre Kollegen waren überaus überrascht, als sie von deren Tod hörten.

Eine der Verkäuferinnen brach sofort in Tränen aus. "Sie war so ein liebenswürdiger Mensch. Da muss eine Verwechslungen vorliegen!" "Hatte sie vielleicht einen eifersüchtigen Ex-Freund oder sonst jemanden, der ihr Böses wollte?", fragte Ryan geduldig. 

Die Verkäufer wechselten wissende Blicke untereinander. "Was wissen Sie?" "Na ja." Eine andere Verkäuferin trat vor. "Sie hat sich vor einem halben Jahr von ihrem Mann scheiden lassen. Seitdem ist er ziemlich ... aufdringlich."

"Hat er sie bedroht?" "Das wissen wir nicht so genau. Nur, dass er öfters hier war und versucht hat mit ihr zu reden, obwohl sie ihm mehrmals klar gemacht hat, dass sie ihn nicht sehen will. Brienna hat erzählt, dass er sie manchmal sogar einfach so verfolgt hat. Am Ende musste sie sich sogar eine neue Wohnung suchen."

Anouk hatte wirklich Mitleid mit der Frau. Nicht nur, dass sie auf so grausame Weise ermordet worden war, es gab auch noch einen verrückten Ex, der ihr nachgestellt hat. "Kennen Sie seinen Namen? Und seine Andresse?"

Die Verkäufer schüttelten einstimmig den Kopf. Bis auf eine. Sie war klein und zierlich und hatte ihre Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Auch sie hatte Tränen in den Augen und putzte sich immer wieder dir Nase.

"Brienna hatte sowas in der Art schon vorausgesehen." Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. "Sie hat mir seine Adresse und die Telefonnummer gegeben, falls ihr jemals etwas zustoßen sollte."

Sie zog ein kleines Stück Papier aus ihrer Tasche und reichte es Anouk. Ryan sah ihr über die Schulter und keuchte erschrocken auf. "Wenn das ein Scherz sein soll, dann ist er nicht witzig, Ma'am.", sagte er streng.

Die Frau starrte nur traurig auf den Boden, während Anouk verwirrt den Namen musterte. Dominic Charleston "Warum? Ist der irgendwie wichtig oder so?", platzte es ihr heraus. Offensichtlich war sie die Einzige, die diesen Mann nicht kannte.

Ryan seufzte. "Er ist einer der berühmtesten Schauspieler von ganz England, Anouk." "Ich kann die Promis eh nie auseinanderhalten. Ich wundere mich bis heute, wie ich das mit den Royals geschafft habe.", brummte sie zurück und ließ den Zettel in ihrer Jeanstasche verschwinden.

"Wir gehen diesem Hinweis selbstverständlich nach, Ma'am.", versprach sie und zog Ryan hinter sich zu der Rolltreppe. Kurz vor dem Ausgang, kam die zierliche Verkäuferin nochmal auf sie zugerannt.

"Warten Sie bitte! Einen Moment!" Außer Atem kam sie vor den beiden zum Stehen. "Ich ... es ... gibt da noch eine Sache ..." Plötzlich schien sie sehr unsicher. "Worum geht es, Ma'am?", fragte Anouk sanft.

"Es gibt da noch etwas, das Brienna mir letzte Woche erzählt hat. Sie hat sich in den letzten Tagen beobachtet gefühlt. Aber nicht von Dominic, sondern ... von jemanden, der ...  na ja ... nicht richtig anwesend zu seien scheint. Wie ein ... Geist oder irgendetwas anderes."

Anouk und Ryan wechselten einen Blick. "Das ist normal, wenn man verfolgt wird. Irgendwann wird man..." Was sollte sie sagen? Paranoid klang doch sehr fies, wenn man bedachte, dass sie gerade erst ermordet wurde.

"Brienna war nicht verrückt.", sagte die Verkäuferin leise. "Sie hatte dieses Gefühl selbst in ihrer Wohnung. Dahin konnte sie niemand verfolgen, ohne dass sie es mitbekommen hätte. Aber sie hat sich das nicht eingebildet. Brienna war immer schon ein bodenständiger und vernünftiger Mensch."

Anouk wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund glaubte sie der Frau. Wenn Leute nervös waren, schliefen sie nicht viel oder kauten auf ihren Fingernägeln herum. All das war bei Brienna offensichtlich nicht der Fall gewesen.

Sie hatte unter dem Make-up keine Augenringe gehabt und ihre Nägel waren lang und sauber lackiert gewesen.

"Es gibt für alles eine Erklärung.", sagte Anouk entschlossen. "Und wir finden heraus, was mit Brienna geschehen ist, versprochen!"

Wieder im Auto warf Ryan Anouk einen misstrauischen Blick zu. "Du glaubst also, dass unser Opfer verfolgt wurde?" Sie zuckte mit den Schultern. "Warum nicht?"

"Weil sie laut ihrer Kollegin dieses Gefühl auch bei sich zu Hause hatte. Und dort drinnen kann sie keiner beobachtet haben. Am Schloss waren keine Einbruchsspuren und ihre Wohnung liegt zu weit oben, als dass man mit dem Fenster etwas anfangen könnte."

"Okay, lass uns einfach mal mit ihrem Ex reden. Vielleicht hilft uns das weiter." Ryan nickte und fuhr los.

Anouk ließ währenddessen das Gefühl nicht los, dass sich hinter diesem Fall etwas versteckte, dass sie nicht verstand.

Zwischen Schatten und Licht (Anderwelten - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt