Der Anführer gibt den nächsten Befehl zum Schießen. Er ruft mir etwas zu, das mir durch Mark und Bein geht. Ein gleißendes Licht blendet mich, dann werde ich zurückgeworfen und alles verschwimmt.
Erschrocken reiße ich die Augen auf und sehe mich mit klopfendem Herzen um. Die Worte hallen in meinem Kopf wider und jagen mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Mein Herz rast wie verrückt, sodass ich mir vorkomme, als wäre ich gerade laufen gewesen.
»Was? Wie? Wo?«, murmle ich und halte meine Hände in Kampfbereitschaft vor meiner Brust. Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich die Umgebung. Doch da ist niemand. Keine schwarz gekleideten Männer. Kein Palast. Kein Gregor. Nur die hellgelben Wände meines Zimmers. Mein Kleiderschrank steht auch noch an Ort und Stelle, ebenso wie der Schreibtisch vor dem offenen Fenster.
Zitternd streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht. Dann lasse ich meinen Kopf erleichtert zurücksinken und atme langsam aus, um meinen schnellen Puls zu beruhigen. Ich habe nur geträumt. Schon wieder.
Automatisch fasse ich an den fingergroßen Anhänger, der an meiner Kette baumelt. Es ist derselbe wie aus meinem Traum.
Und wie immer frage ich mich, was er zu bedeuten hat, weil er sich so real anfühlt. Ganz im Gegensatz zu meinem Leben.
Anstatt auf eine normale Schule zu gehen, bekomme ich Privatunterricht von meiner Tante und meinem Onkel. Nicht nur in Mathe, Geschichte oder was man normalerweise in der Schule lernt. Nein, ich werde neben dem Konditionstraining vor allem in Selbstverteidigung trainiert. Lerne, wie ich mich bei einem Überfall oder Angriff am effektivsten verteidigen und schützen kann. Derek hat mir sogar beigebracht, wie ich mit einer Schusswaffe umzugehen habe. Anfangs schockierte es mich, da ich derartige tödliche Waffen nicht in die Hand nehmen wollte. Doch irgendwann schaffte er es doch, mich dazu zu überreden und mit mir zu üben auf Zielscheiben zu schießen, die er im Keller an die Wand hing.
Meine Eltern sind tot. Angeblich sind sie vor neun Jahren bei einem Autounfall gestorben. Erinnerungen an sie habe ich nicht, was mich traurig macht. Sollte man sich nicht wenigstens an irgendetwas erinnern? Zudem habe ich noch nie ihr Grab gesehen. Ilona und Derek sind bei diesem Thema sehr angespannt.
Manchmal frage ich mich, ob sie mir wirklich die Wahrheit über meine Eltern gesagt haben. Ich habe schon oft Schränke durchwühlt, nach Fotos und Hinweisen oder Beweisen gesucht, jedoch nichts gefunden. Nicht einmal Fotos von meinen Eltern. Dabei hätte ich gern gewusst, wie sie ausgesehen haben. Ob ich ihnen ähnlich sehe.
Das Verhalten meiner Tante und meines Onkels ist merkwürdig und sie sind oft so paranoid, dass ich sie am liebsten zum Psychologen schicken würde. Aber wahrscheinlich hat ihr Beruf sie zu dem gemacht, was sie jetzt sind.
Sie sind Personenschützer, werden von wichtigen Persönlichkeiten engagiert. Je nachdem, wo diese wohnen, ziehen wir dorthin. Einmal haben wir fünf Mal im Jahr den Ort gewechselt. Oft sehr überstürzt und plötzlich.
Jetzt wohnen wir seit einigen Wochen in irgendeiner Vorstadt in der Nähe von New York. Den Namen habe ich mir nicht gemerkt, weil es in einigen Monaten sowieso wieder woandershin gehen wird.
Es ärgert mich, dass ich noch nie ein richtiges Zuhause hatte. Ich hatte nie die Chance, das Leben eines normalen Teenagers zu leben.
Während andere Jugendliche in meinem Alter zur Schule gehen, habe ich Selbstverteidigungsunterricht mit Derek. Während Mädchen in meinem Alter mit einem Jungen ausgehen, sitze ich mit Derek und Ilona fest, weshalb ich mich wie eine Gefangene fühle.
Letztes Jahr wollte ich mit ein paar Mädchen und Jungs, die ich in Australien kennenlernte, auf eine Strandparty gehen. Derek und Ilona haben es natürlich nicht erlaubt, weshalb ich mich heimlich davonschleichen wollte. Allerdings haben mich die beiden abgefangen, als hätten sie bereits gewusst, was ich vorhatte.
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Prinzessin der Elfen - Bedrohliche Liebe [Exlusive Leseprobe]
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